Hamburg. Nach der großen Analyse sollen Schlüsse folgen. Doch wie passen diese Pläne und Karlsruhes Hofmann zusammen?
Ein letztes Mal kommt an diesem Dienstag noch einmal alles auf den Tisch. Die Frage „Wie konnte das schon wieder passieren?“ ist nach dem dritten Nicht-Aufstieg des HSV in Folge zuletzt inflationär gestellt worden – und soll nun ein für allemal auf der Hauptversammlung beantwortet werden. Nach den Aufsichtsräten will Sportvorstand Jonas Boldt auch den Anteilseignern rund um Milliardär Klaus-Michael Kühne die Ergebnisse der sportlichen Analyse nach dem Nicht-Aufstieg präsentieren. Die Conclusio in Kurzform: Nächstes Saison soll alles besser werden.
Die ausführliche Aufarbeitung dürfte etwas mehr Zeit beanspruchen. Längst haben Boldt, Sportdirektor Michael Mutzel, das Trainerteam und die Analysten die komplette Saison seziert und eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen: Ist Ex-Trainer Daniel Thioune mit der richtigen Spielidee in die Saison gegangen? War es die richtige Entscheidung, auf Ballbesitz und auf eine grundsätzliche 4-1-3-2-Formation gegen den Ball zu setzen? Warum hatte der HSV die wenigsten Ballverluste im ersten Angriffsdrittel, aber gleichzeitig viel zu viele Kontergegentore?
HSV am schlechtesten bei Ballgewinnen
Und dann ist da noch die Sache mit dem mutmaßlich miserablen Pressing. So hat Aufsichtsratschef Marcell Jansen, der die Hauptversammlung am Dienstag leiten wird, im Abendblatt verraten: „Die interne Saisonanalyse hat beispielsweise ergeben, dass unsere Mannschaft in der Zweiten Liga das schlechteste Team bei Ballgewinnen im vorderen Angriffsdrittel ist. Mit klaren Worten: Unser Pressing gegen den Ball darf sich deutlich verbessern.“
Fußball ist schon vor längerer Zeit zu einer Art Rasenschach geworden. Aus „Geht’s raus und spielt’s Fußball“ (Kaiser Franz) wurden Matchpläne mit „asymmetrischen Linksverteidigern und ballfernen Zehnern“ (Nürnbergs Robert Klauß).
Auch mit der Statistik, dass der HSV in der vergangenen Saison die schlechteste Mannschaft bei Ballgewinnen im ersten Angriffsdrittel sei, kann man einerseits beeindrucken. Andererseits liegt der schlechte Statistikwert auch durch die eigene Spielidee auf der Hand. So haben sich die Hamburger unter Thioune darauf konzentriert, die gegnerischen Innenverteidiger hoch zuzustellen mit dem Ziel, einen langen Ball zu erzwingen und diesen „zweiten Ball“ mit den zweikampfstarken Defensivspielern zu erobern.
Passt Hofmann überhaupt zum HSV?
Folge Nummer eins: Die meisten Gegner des HSV hatten sehr viel weniger Ballbesitz als die Hamburger. Folge Nummer zwei: Der HSV hat kaum Bälle im ersten Angriffsdrittel gewonnen, weil für ein sinnvolles Pressing auch ganz einfach die Spieler fehlten. Simon Terodde ist ein überragender Strafraumstürmer, aber ganz sicher kein Anläufer.
Anders machten es der SC Paderborn, Jahn Regensburg oder der 1. FC Heidenheim, die ganz bewusst den ersten und manchmal auch zweiten Pass zugelassen haben, dann aber ein konsequentes (und erfolgreiches) Pressing praktiziert haben. Eine Art RB-Leipzig-Überfall-Fußball aus seinen Anfangsjahren. Zur ganzen Wahrheit gehört aber, dass sich auch RB schon lange nicht mehr auf Pressingfußball konzentriert.
Und trotzdem: Ein bisschen mehr als fast gar nichts darf es dann in der kommenden Saison unter Neu-Trainer Tim Walter schon sein. Manuel Wintzheimer und auch Talent Robin Meißner trauen Hamburgs Verantwortliche zu, mehr Bälle direkt zu erobern, als es Terodde in der vergangenen Saison getan hat. Allerdings überrascht es dann doch, dass der HSV nun ausgerechnet Philipp Hofmann (28) als Wunschstürmer auserkoren hat. Der KSC-Sturmbulle ist ein exzellenter Strafraumstürmer, aber trotzdem kein Balleroberer.
Wie der HSV mit Hofmann plant
Des Rätsels Lösung: Natürlich will der HSV in der kommenden Saison keine klassische Pressing-Mannschaft werden. Hamburgs Verantwortliche halten Hofmann für einen minimal besseren Anläufer als Terodde, vor allem halten sie ihn aber für einen maximal besseren Ballverteiler. Der 1,96 Meter große Schrank soll die Bälle mit dem Rücken zum Tor festmachen und so aktiv am Spielaufbau teilnehmen. „Er bindet zumeist zwei, drei Gegenspieler, schafft dadurch Räume für seine Mitspieler“, beschrieb KSC-Trainer Christian Eichner seinen Top-Stürmer vor ein paar Monaten.
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Vor ein paar Tagen war Hofmann dann auch Thema bei der Beiratsversammlung des Karlsruher SC. Besprochen wurde, dass man unter allen Umständen ein ähnliches Vorgehen wie in der vergangenen Saison verhindern will. Schon damals hatte der HSV beim KSC wegen Hofmann angefragt. Nachdem sich die Clubs aber nicht über die Ablöse einigen konnten, hing Hofmann zwischen allen Stühlen.
„Grundsätzlich hoffe ich, dass sich ein ähnliches Szenario wie in der vergangenen Saison nicht noch einmal wiederholt“, sagt nun Oliver Kreuzer im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Sportchef betont allerdings auch, dass von einer unmittelbar bevorstehenden Einigung, von der Sky berichtete und diese auf rund 1,5 Millionen Euro bezifferte, keine Rede sein könne.
„Ich habe das auch gelesen und muss sagen, dass ich über diese Meldung schon sehr überrascht war. Es gibt keine konkrete Anfrage vom HSV und über Geld wurde schon mal gar nicht gesprochen“, sagt Kreuzer. Was er nicht sagt: Eine unkonkrete Anfrage des HSV hat es sehr wohl gegeben – und diese dürfte nach der Hauptversammlung dann auch konkreter werden.