Hamburg. Stadt schließt mit dem Club einen Erbpachtvertrag über das Grundstück des Volksparkstadions bis 2087 plus 30-jähriger Zusatzoption ab.
Die Herren Andy Grote, Andreas Dressel und Frank Wettstein hatten sichtlich ihren Spaß daran, die Spannung am Mittwochmorgen noch ein paar Minuten länger als geplant hochgehalten zu haben. Mit 20-minütiger Verspätung betraten Grote (SPD-Senator für Sport und Inneres), Dressel (SPD-Senator für Finanzen) und HSV-Finanzvorstand Wettstein dann doch den vollen Presseraum des Volksparkstadions, um Überraschendes zu verkünden. „Wir dürfen Sie heute informieren, dass zwischen der Stadt Hamburg und dem HSV eine Absichtserklärung, ein sogenannter ,Letter of Intent‘, geschlossen wurde“, sagte Wettstein mit feierlicher Stimme in seinem Eingangsstatement. „Die Freie und Hansestadt Hamburg erwirbt vom HSV das Grundstück des Volksparkstadions zum Verkehrswert, und gleichzeitig wird für den HSV ein Erbbaurecht bis 2087 mit Verlängerungsoption bestellt.“
Mit dieser Nachricht hatten die wenigsten gerechnet. Noch am Vortag hieß es auf Nachfrage des Abendblatts aus Behördenkreisen, dass eine derartige Konstruktion nicht angedacht sei und dass man sich über einen mittleren Millionenbetrag im Hinblick auf dringend benötigte Sanierungsarbeiten für die Euro 2024 geeinigt habe.
Umfangreiche Modernisierungen
Eine Nebelkerze, wie sich am Mittwochmorgen herausstellte. Denn wie die Senatoren Dressel und Grote im Anschluss an Wettsteins Dankesworte ausführten, darf sich der klamme HSV sogar zeitnah über 23,5 Millionen Euro freuen, die der Club nach entsprechender Zustimmung der Bürgerschaft für das Stadiongrundstück erhält. Die entscheidende Sitzung ist für Mitte Dezember geplant, der volle Betrag soll dann bis zum 31. Dezember auf das Konto des HSV fließen. Die Club-Chefs sicherten sich darüber hinaus ein Erbbaurecht bis mindestens 2087, das optional bis 2117 verlängert werden kann.
„Durch diese Vereinbarung können wir die umfangreichen Modernisierungen trotz Corona-Krise und erheblicher Umsatzeinbußen realisieren“, sagte HSV-Vorstand Wettstein, der sich zur Feier des Tages in den Clubfarben gekleidet hatte: blauer Schlips, weißes Hemd, schwarzes Sakko. Somit sei die Grundlage geschaffen, „um die Rahmenbedingungen für die Durchführung“ der in Hamburg geplanten Spiele der Europameisterschaft 2024 zu erfüllen.
Austausch der Dachmembranen, neues LED-Flutlicht
Der „beidseitige fair value“ (O-Ton Dressel) hat aber natürlich auch seinen Preis. So muss der HSV über die gesamte Laufzeit 1,8 Prozent Zinsen zahlen, also rund 423.000 Euro im Jahr. Bis 2087, das an das Gründungsjahr 1887 angelegt ist, würde der HSV der Stadt also mehr als 28 Millionen Euro zurückzahlen. „Wir haben sichergestellt, dass in unserem Vertrag keine verdeckten Subventionen zu beanstanden sind“, erklärte Dressel.
Zudem musste sich der HSV verpflichten, über den Verkaufserlös keine weiteren Gelder für die Euro 2024 von der Stadt zu beantragen. Zur Erinnerung: Im Hinblick auf die Europameisterschaft, die in vier Jahren auch im Volksparkstadion stattfindet, muss der HSV kostspielige Sanierungsarbeiten vornehmen: den Austausch der Dachmembranen, ein neues LED-Flutlicht, die Stadionbeschallungsanlage, die Erweiterung des Zutrittskontrollsystems, die Erweiterung und Instandhaltung der IT-Infrastruktur und die Digitalisierung, die Modernisierung des Küchen- und Kühlsystems, die Instandhaltung und Modernisierung der Lüftungs- und Heizungstechnik sowie die Erweiterung der Zuschauerkapazität inklusive sicherheitstechnischer Optimierung.
Kosten von 20 bis 30 Millionen Euro
Aktuell geht man beim HSV von Kosten von 20 bis 30 Millionen Euro aus (das Abendblatt berichtete), wobei sich der Club noch auf finanzielle Unterstützung durch die Uefa freuen darf. Zudem rechnet man beim HSV von einer Mieteinnahme pro EM-Spiel von rund 500.000 Euro. Ein ähnlicher Betrag wurde auch schon von der Fifa bei der WM 2006 übernommen.
Wettstein betonte am Mittwochmorgen, dass die Stadt nun neben den umliegenden Flächen zwar auch das Grundstück unter dem Volksparkstadion gekauft habe, nicht aber das Stadion. Finanzsenator Dressel freute sich dennoch darüber, dass der Kauf des mit 76.961 Quadratmeter zweitgrößten gewerblichen Erbbaugebiets Hamburgs (nach dem Flughafen) voll in die „strategische Interessenvertretung der Stadt“ passen würde: „Es ist ein guter Tag für den HSV, aber auch für die Stadt.“
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Ähnliche Worte hatte Dressel auch vor sieben Monaten gewählt, als die Stadt bereits den Nutzungsvertrag für das Millerntor-Stadion mit dem FC St. Pauli bis 2060 (mit einer optionalen Verlängerung bis 2110) verlängert hatte. „Wir freuen uns sehr, damit einen relevanten Beitrag für den Erhalt der sportlichen und kulturellen Vielfalt in unserer Stadt leisten zu können“, hatte Dressel im Februar erklärt, der beim HSV zeitlich nun sogar einen Schritt weiter ging: „In Wahrheit ist das ein Ewigkeitsversprechen, was wir hier als Stadt dem HSV geben.“ So habe man sich darauf verständigt, dass man auch nach dem 200-jährigen Clubjubiläum 2087 (und der abgelaufenen 30-jährigen Option 2117) darauf hoffe, die neue Partnerschaft nicht auslaufen zu lassen. „Diese extreme langfristige Planungssicherheit hilft auch bei in ferner Zukunft liegenden Investitionen und Kreditfinanzierungen“, sagte Dressel. Sein Schlusswort: „Mehr Zukunft geht nicht!“