Hamburg. Fans hoffen auf Verbleib der Bosse, auch Wüstefeld spricht sich dafür aus. Kommt es trotzdem zum Umbruch? So stehen die Chancen.
Für die treusten Fans gab es auch in der schwersten Stunde der abgelaufenen Spielzeit keine Zweifel, wie die Saison des HSV zu bewerten ist – nämlich positiv. „Vielen Dank für eine Saison voller Einsatz für unsere Farben“, lautete die nach der verlorenen Relegation gegen Hertha auf einem Banner in der Nordtribüne ausgerollte Botschaft.
Minutenlang wurden die Spieler und Trainer Tim Walter nach dem Abpfiff am Montagabend gefeiert. Und das, obwohl der Aufstieg zum vierten Mal in Folge verpasst wurde. Der Coach animierte seine Profis, die Sicherheitskette der Polizei zu durchbrechen und sich bei den Fans für die Unterstützung zu bedanken. Kurzzeitig herrschte Gänsehautatmosphäre im Volkspark.
Was wird aus Boldt und Walter beim HSV?
Die Anhänger honorieren den eingeschlagenen Weg des HSV mit einer jungen, hungrigen und entwicklungsfähigen Mannschaft, die natürlich nicht immer fehlerfrei spielt, wie auch im Relegationsrückspiel (0:2) zu sehen war. Doch die Hamburger stehen wieder für eine offensive Spielkultur mit Profis, die sich mit dem Club und mit denen sich vor allem die Fans identifizieren. Nach Ansicht der meisten Anhänger soll dieser Weg nun auch genauso weitergeführt werden. Also auch mit Walter und Sportvorstand Jonas Boldt. Ob es wirklich so kommt, bleibt allerdings weiterhin offen.
„Wir bleiben zusammen. Wir greifen wieder an. Wir sind ein Team“, sagte Vorstand Thomas Wüstefeld unmittelbar nach der Partie gegen Hertha. Eine Aussage, die von so manchem Beobachter zunächst so bewertet wurde, als würde es auch für Walter und Boldt definitiv beim HSV weitergehen – wenn da nicht noch eine Nachfrage gewesen wäre, ob das ausgesprochene Motto („Wir bleiben zusammen“) auch für Boldt gelte.
HSV: Wüstefeld setzt auf Boldt und will aufsteigen
„Wir sollten heute erst einmal nur das Spiel bewerten. Wir haben eine tolle Mannschaft, einen super Trainer“, antwortete Wüstefeld und vermied am Montag zunächst noch ein klares Bekenntnis. Dieses reichte der Unternehmer jedoch am Dienstag nach. „Wenn man mich fragt, würde ich sagen, wir sollten in dieser Konstellation (Walter, Boldt, Mutzel; d. Red.) in die neue Saison gehen. Aber eben mit dem Ziel aufzusteigen.“
Ein Ziel, das in der Vergangenheit nach Möglichkeit keiner im Volkspark aussprechen durfte. Doch mit dieser Tiefstapelei soll es nun vorbei sein. „Wir werden einer der Favoriten sein. Mit Schalke und Bremen sind zwei Hochkaräter hochgegangen und mit den Absteigern Fürth und Bielefeld sind berechenbare Mannschaften hinzugekommen. Wir sollten sehr schnell und sehr klar Signale senden, wo wir hinwollen. Wir müssen auch die Menschen wieder motivieren, in den Volkspark zu kommen.“
Senkt der HSV-Aufsichtsrat den Daumen bei Boldt?
So viel zu Wüstefelds Meinung. Klar ist aber auch, dass die ergebnisoffene Analyse des von Marcell Jansen geführten Aufsichtsrats in dieser Woche noch aussteht. Und die Tendenz vor dem Treffen ist ebenfalls klar: Es dürfte schwierig werden für Boldt, der sich in den vergangenen Wochen bedingungslos hinter Walter gestellt hat – auch als die Erfolgserlebnisse ausblieben.
Ein Verhalten, das natürlich auch dem Coach nicht entgangen ist. „Wir haben es über die Saison geschafft, etwas entstehen zu lassen. Auch mithilfe von Jonas, der uns immer den Rücken gestärkt hat. Da ist schon etwas entstanden. Die Zuschauer honorieren das. Darauf sind wir stolz, wir sind noch nicht am Ende“, hofft Walter, dessen Zukunft ebenfalls fraglich wäre, sollte er mit Boldt seinen größten Fürsprecher beim HSV verlieren.
Wüstefeld: Walter bleibt HSV-Trainer
Wenngleich Wüstefeld auch bei Walter für ein Weiter so plädiert. Der Vorstand könne das Ergebnis der Aufsichtsratssitzung zwar „nicht vorwegnehmen“. Sein Kenntnisstand sei aber, „dass alle einer Meinung sind und dass Tim Walter in der nächsten Saison unser Trainer ist“.
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Und was wird aus Boldt? „Ich schütze nicht nur den Trainer, sondern auch die Mannschaft und vor allem die Farben“, sagt der Manager. „Das ist mein Auftrag hier und das werde ich immer tun. Daran habe ich nie Zweifel aufkommen lassen und das heißt auch nicht, dass ich Dinge schönrede. Alles Weitere kann ich nicht beantworten“, ergänzt der Manager, der bei der Analyse des Aufsichtsrats nicht nur Zuhörer sein will. „Ich habe die Schublade voller Ideen. Alles, was die Zukunft angeht, liegt nicht final in meinen Händen. Es ist eine große Analyse (vom Aufsichtsrat, d. Red.) angekündigt. Dafür habe ich meine Gedanken, die mit einfließen sollen. Man wird sehen, was am Ende dabei herauskommt. Viel Zeit sollten wir jetzt aber nicht verstreichen lassen.“
Boldt hofft auf weitere HSV-Chance
Zumindest in seinem letzten angesprochenen Punkt herrscht Einigkeit innerhalb des Vorstands. „Wir haben wenig Zeit zu justieren. Die Konzepte sind da, die Planungen sind gelaufen. Wir werden jetzt ganz schnell diese Pläne umsetzen“, kündigt auch Wüstefeld an, ohne das Wörtchen „wir“ genauer zu spezifizieren.
- Wie jetzt über Boldt und Walter entschieden wird
Wird Boldt diese Pläne umsetzen? „Ich bin jetzt drei Jahre hier. Jeder sieht, wie ich für diese Farben brenne und wie ich mich mit dem Verein, den Menschen und der Stadt identifiziere. Solange ich diese Chance habe, werde ich weiter vorangehen“, sagt der 40-Jährige, der spürbar enttäuscht vom Ausgang der Saison ist. „Heute fühlt man sich ein Stück leer. Es sind einige Dinge vorbereitet, das müssen wir jetzt in Ruhe besprechen. Die nächsten ein, zwei Tage kommt die Energie zurück und dann geht's wieder volle Kraft voraus.“
Ob Boldt dann noch den Kurs vorgeben wird, entscheidet nun der Aufsichtsrat.