Hamburg. Im Rückspiel unterlag die Mannschaft von Trainer Tim Walter Hertha BSC mit 0:2. So geht es beim HSV nun weiter.

Als Schiedsrichter Deniz Aytekin um 22.24 Uhr ein letztes Mal seine Pfeife ertönen ließ, sanken die Spieler des HSV zusammen. Durch das 0:2 (0:1) im Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC ist der Traum von der Bundesliga-Rückkehr ausgeträumt. Während die Berliner ihre Klassenerhalts-Party mit den 6500 mitgereisten Fans feierten, versuchten die HSV-Anhänger irgendwie Aufbauarbeit zu leisten. Doch so richtig wollte das nicht gelingen, zu tief war der Frust über die große Chance auf den Aufstieg.

Trainer Tim Walter diskutierte zunächst noch mit dem Schiedsrichter, ehe er sich dem Trost für seine Profis widmete. Nach den 90 Minuten musste man ohnehin konstatieren, dass es nicht am nicht immer souveränen Referee lag, dass die Hamburger in ihr fünftes Jahr Zweite Liga gehen müssen. Hertha BSC war über die gesamte Spieldauer die bessere Mannschaft und wollte die Bundesliga einfach mehr.

"Wir haben das Ding nicht gezogen. Das ist das, was zählt. Woran es lag, dass wir zwei Gegentore bekommen haben, kann ich jetzt nicht sagen, ist auch egal. Du gewinnst das Hinspiel, bist knapp davor, haben es aber nicht geschafft. Das tut weh. Wenn man sieht, was es den Leuten hier bedeutet hätte, macht es das nicht leichter. Mir tut es leid für die Menschen hier", sagte Kapitän Sebastian Schonlau, der nach dem Spiel bittere Tränen weinte.

Fans feiern HSV-Spieler trotz verpasstem Aufstieg

Da war es nur ein schwacher Trost, dass die Fans viel Applaus spendeten und ein Banner hochhielten mit den Worten: "Vielen Dank für eine Saison voller Einsatz für unsere Farben". "Was die Fans nach dem Spiel gemacht haben, war phänomenal. Dafür sind wir sehr dankbar. Wir hatten für heute ganz andere Pläne. Dass wir es nicht geschafft haben, ist scheiße. Das muss jeder jetzt erstmal für sich verarbeiten", erklärte Schonlau.

Auch Trainer Walter wirkte leer, traurig und frustriert. So nah wie der 46-Jährige war bislang kein HSV-Trainer vor dem Aufstieg. "Nicht die bessere, aber die glücklichere Mannschaft hat gewonnen. Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Was wir hier abgeliefert haben mit dem Verein und der Unterstützung unserer Fans. Wir sind noch nicht am Ende. Es herrscht gerade Leere, aber in den nächsten Tagen geht es weiter", sagte Walter, der nach dem Spiel dafür sorgte, dass die Spieler an der Polizeikette auf dem Platz vorbei vor die Nordtribüne gingen. "Ich habe die Sprechchöre der Fans also mitbekommen. Irgendwann gehe ich in die Kabine und habe meine Kinder genommen. Meine Spieler sind auch meine Kinder. Klar, dass man die auch tröstet", sagte Walter.

Für Jonas Meffert war es besonders bitter. Der Mittelfeldspieler ist bereits zum dritten Mal in der Relegation gescheitert. "Das wird morgen sehr sehr wehtun. Ich kenne das Gefühl ja schon. Wenn du in die Kurve läufst, den Leuten ins Gesicht schaust, macht es alles noch schwerer. Es tut mir leid für die Stadt Hamburg, unsere Fans. Sie haben es verdient, in der ersten Liga zu sein. Ich hoffe, dass wir diese Energie mitnehmen können", sagte Meffert.

Das Relegationsrückspiel des HSV im Liveticker

HSV in der Relegation: Hertha schockt früh das Walter-Team

Das 81. Duell der beiden Mannschaften war vor 57.000 Zuschauern von Minute eins eine Nervenschlacht zweier Teams, die ein gemeinsames Ziel hatten: In der Saison 2022/23 erstklassig sein. Nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel am vergangenen Donnerstag setzte Trainer Tim Walter auf exakt dieselbe Starformation, die überzeugend in der Hauptstadt aufgetreten war.

Von Beginn an war es vor allem die Hertha, die den schlechten Eindruck aus dem Hinspiel korrigieren wollte. Nach einer Ecke von Marvin Plattenhardt konnte Dedryck Boyata aus sechs Metern völlig frei einköpfen. Das 0:1 als früher Schock für den HSV. Und dieses Tor zeigte Wirkung. "Das frühe Tor war ein Killer. Das darf uns nicht passieren. Hertha ist mit Energie herausgekommen, machen das frühe Tor. Das beflügelt natürlich. Am Ende macht Hertha zwei Standardtore, das ist auch Qualität", sagte Meffert.

Vom selbstbewussten Auftritt der Hamburger aus dem Hinspiel war nichts zu sehen. Die psychische Last schien Zentner zu wiegen. Mit jeder abgelaufenen Minute bekam Hertha BSC mehr Sicherheit im Spiel. Der HSV konnte sich in der ersten Hälfte kaum gefährlich dem Strafraum des Bundesliga-Clubs nähern. In der 32. Minute gab es für die Hamburger den nächsten Schock. Nach einem Schuss von Luca Tousart trat der Franzose HSV-Innenverteidiger Mario Vuskovic derart unglücklich auf den Knöchel, dass dieser zunächst nur unter großen Schmerzen weiterspielen konnte.

HSV mit großen Problemen in der Offensive

Schmerzhaft war auch weiterhin das Angriffsspiel des HSV. Insgesamt gab es kaum Impulse, keine Ideen, keine Tempoverschärfungen. Gerade von Kreativspielern wie Sonny Kittel war nichts zu sehen. Topstürmer Robert Glatzel war komplett von der Versorgung abgeschnitten.

Mit 29,6 Jahren im Schnitt hat Hertha die älteste Startelf der vergangenen zehn Jahre aufgeboten. Und die Erfahrung spielte der Hauptstadtclub clever aus. Das Team von Trainer Walter fand im ersten Durchgang keinerlei Mittel, um die Berliner vor Probleme zu stellen.

Nach dem Seitenwechsel kamen die Hamburger deutlich besser in die Partie. Eine Doppelchance von Ludovit Reis und Moritz Heyer (48., 49.) zwangen Oliver Christensen im Hertha-Tor zu seinen ersten beiden Paraden. Strittig war in der 48. Minute zudem ein vermeintliches Foul an HSV-Rechtsverteidiger Moritz Heyer im Strafraum. Doch der Videoschiedsrichter sah überraschend keine Veranlassung, einzugreifen.

Nach der Pause mehr Leben beim HSV, Heuer Fernandes patzt

Es entwickelte sich zunehmend eine packende Partie mit Gelegenheiten auf beiden Seiten. Daniel Heuer Fernandes klärte in der 54. Minute stark gegen den Flachschuss von Plattenhardt. Und eben jener HSV-Torwart stand in Minute 63 im Fokus. Einen Freistoß aus halbrechter Position vom auffälligen Hertha-Linksverteidiger Plattenhardt ließ der Deutschportugiese in die lange Ecke passieren. Ein krasser Torwartfehler von einem Mann, der in dieser Spielzeit so konstant war.

Von diesem Wirkungstreffer erholten sich die Hamburger nicht mehr. Hertha verpasste es durch Steven Jovetic in der 73. Minute, die Partie zu entscheiden, als er frei auf Heuer Fernandes zulief, aber am HSV-Keeper scheiterte. Doch es sollte auch so reichen.

HSV-Vorstand lobt Trainer und Mannschaft

Der HSV bleibt zweitklassig. "Es ist bitter, wir waren so dicht dran. Wir hatten uns erhofft, es heute schaffen zu können. Nach meiner Meinung sind wir nervös gestartet, nicht gut reingekommen. Berlin stand tief, macht in der dritten Minute durch einen Standard das 1:0. Dann ist es umso schwerer. Die Enttäuschung ist groß, wir haben tolle Fans, wollen daher nächste Saison wieder angreifen", erklärt HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld und wagte darüber hinaus noch einen kurzen Ausblick in die neue Saison. "Wir bleiben zusammen, wir sind ein Team und greifen wieder an und sehen zu, dass wir mit Volldampf in die neue Saison gehen."

Mit welchem Führungspersonal das geschehen wird, wollte Wüstefeld am Abend nicht abschließend erklären. Immerhin für Trainer Walter hatte er ein Lob übrig. "Wir sollten heute Abend erst einmal das Spiel bewerten. Wir haben eine tolle Mannschaft, einen super Trainer. Wir haben das geschafft, was wir die vergangenen Jahre nicht geschafft haben. Wir sind in die Relegation gekommen. Natürlich wären wir gerne aufgestiegen", erklärte Wüstefeld.

Das ist aber nicht gelungen. Ab sofort beginnen beim HSV die Planungen für die fünfte Zweitliga-Saison. "Ich weiß, die meisten Menschen können das Wort Entwicklung nicht mehr hören, aber wir haben von der Spielidee, von der Identifikation Schritte nach vorn gemacht. Wir haben gegen Widerstände angekämpft und in den vergangenen Wochen ist ein Reifeprozess vonstatten gegangen. Der ist aber noch nicht abgeschlossen. Ich spüre gerade keine Untergangsstimmung, nur Enttäuschung", erklärte Boldt und fügte an: "Es fehlen noch ein paar Dinge. Hertha war die bessere und glücklichere Mannschaft. Kleinigkeiten haben letztlich den Unterschied gemacht."

Am Dienstag treffen sich die Mannschaft, Trainer und Führung im Volkspark zum fußballerischen Kater-Frühstück, ehe es dann in den kurzen Sommerurlaub geht. Anschließend, das wurde bei den Aussagen aller Beteiligten deutlich, wird der HSV wieder angreifen. So wie in den vergangenen Wochen.

Schema:

  • HSV: Heuer Fernandes - Heyer (82. Gyamerah), Schonlau, Vuskuovic, Muheim - Meffert - Reis, Rohr (58. Vagnoman) - Kittel, Jatta (74. Kaufmann) - Glatzel.
  • Hertha BSC: Christensen - Pekarik, Boyata, Kempf, Plattenhardt (81. Björkan) - Tousart, Asacibar - Serdar (85. Stark), Boateng (89. Darida), Jovetic - Belfodil (81. Maolida).
  • Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
  • Videoschiedsrichter: Robert Schröder.
  • Tore: 0:1 Boyata (4. Minute), 0:2 Plattenhardt (63.)
  • Gelb-Rote Karte: Tousart (Hertha BSC, 90.+6, unsportliches Verhalten)
  • Zuschauer: 57.000 (ausverkauft).
  • Torschüsse: 8:16
  • Ecken: 4:4
  • Ballbesitz: 57:43 %
  • Zweikämpfe: 116:120