Hamburg. Bei den Hamburger Zweitligisten gibt es vor dem Start noch viele offene Fragen. Nemeth kommt ans Millerntor, Kyereh vor dem Abschied.
Der FC St. Pauli legt vor, der HSV zieht in einer Woche nach. An diesem Sonnabend startet der Kiezclub mit dem ersten Training in die Vorbereitung. Der HSV trifft sich nach der wegen der Relegation verlängerten Saison eine Woche später, steht am 20. Juni erstmals im Volkspark auf dem Platz. Vom 25. Juni bis zum 2. Juli geht es aller Voraussicht nach ins Trainingslager in die Steiermark nach Österreich.
St. Paulis Trainer Timo Schultz bereitet sich vom 3. bis 10. Juli mit seinem Team im italienischen St. Leonhard in Südtirol vor. Nachdem beide Clubs die beste Zweitligasaison seit Jahren spielten, den Aufstieg aber jeweils verpassten, planen die Hamburger Vereine nun einen neuen Anlauf. Sowohl im Volkspark als auch an der Kollaustraße gibt es aber noch viele offene Fragen. Ein Überblick über die Planungen der Verantwortlichen.
Neuzugänge beim HSV und St. Pauli
Nach den Verpflichtungen von Torhüter Matheo Raab (23/Kaiserslautern) und Flügelstürmer Filip Bilbija (22/Ingolstadt) sieht es aktuell nicht danach aus, dass der HSV bis zum Trainingsstart einen weiteren Neuzugang präsentieren wird. Der Poker um Dynamo Dresdens Ransford Königsdörffer (20) dürfte sich noch hinziehen. Für fünf Millionen Euro darf der HSV weitere Neuzugänge verpflichten. Zunächst einmal sieht man sich aber gut aufgestellt, um in die Vorbereitung zu starten.
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Mit Robin Meißner, Aaron Opoku, Ogechika Heil und Xavier Amaechi kehren vier Leihspieler zurück. Rechtsaußen Opoku hat nach der schweren Muskelverletzung von Bakery Jatta die besten Chancen, sich in den Fokus zu spielen.
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Dort, wo die dringlichste Notwendigkeit bestand, legte St. Pauli am Donnerstag nach: in der Innenverteidigung. Und das durchaus hochkarätig mit dem österreichischen U-21-Nationalspieler David Nemeth (21), der in der abgelaufenen Saison auf sechs Bundesligaeinsätze bei Mainz 05 kam. Zuvor hatte er eine Saison lang Erfahrung beim österreichischen Erstligisten Sturm Graz gesammelt. Über die Ablöse- und Vertragsmodalitäten wurde nichts bekannt.
„Wir trauen ihm direkt eine wichtige Rolle zu. Seine Beidfüßigkeit ist ein weiterer Pluspunkt, da er im Abwehrzentrum flexibel einsetzbar ist und auch in verschiedenen Systemen gut zurechtkommt“, sagt Schultz über Nemeth, dessen Marktwert bei rund drei Millionen Euro liegt, und der sich zum Kreis der Zugänge mit Entwicklungspotenzial gesellt. Rechtsverteidiger Manolis Saliakas wird direkt ein Startelfkandidat sein, Connor Metcalfe und Carlo Boukhalfa sind Alternativen im defensiven Mittelfeld. Die zurückkehrenden Leihspieler Christian Viet und Marvin Senger dürften hingegen Verkaufskandidaten sein.
Kader: Kyereh vor dem Absprung
Am Donnerstag verkündete der HSV eine weitere Entscheidung: Giorgi Chakvetadze, der im Winter von KAA Gent ausgeliehen wurde, kehrt nach Belgien zurück. Der HSV hatte zunächst nur Faride Alidou (nach Frankfurt) und Manuel Wintzheimer (nach Nürnberg) verabschiedet. Auch bei Außenverteidiger Jan Gyamerah läuft es auf einen Abschied hinaus. Offen ist noch, ob Angreifer Mikkel Kaufmann erneut vom FC Kopenhagen ausgeliehen wird. Eine zeitnahe Entscheidung steht aber nicht an.
Der Großteil des Kaders ist zusammengeblieben. Fragezeichen gibt es bei der Zukunft von Sonny Kittel und David Kinsombi. Mario Vuskovic und Josha Vagnoman steigen nach ihren Länderspielreisen später in die Vorbereitung ein. Möglich, dass Vagnoman bis dahin einen neuen Club in der Bundesliga hat.
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Den hat Daniel-Kofi Kyereh nun offenbar. St. Paulis Topspieler reiste am Donnerstag vom ghanaischen Nationalteam ab, um „seine Transferangelegenheiten zu klären“. Keine Frage des Ob, sondern des Wann ist auch der Abgang von Torjäger Guido Burgstaller. Nach Abendblatt-Informationen möchte Rapid Wien den Österreicher pünktlich zum Trainingsauftakt am 15. Juni vorstellen. Offen ist die Situation der umworbenen Leart Paqarada (Schalke) und Nikola Vasilj (Wolverhampton, Celtic Glasgow, West Brom). So oder so: Schultz muss einen großen Umbruch moderieren, neue Führungsspieler finden und voraussichtlich weitere Neuzugänge im Offensivbereich integrieren.
HSV und St. Pauli: Die Talente
Noch ist unklar, ob Nachwuchsspieler in der Vorbereitung bei den HSV-Profis vorspielen. Elijah Krahn (18) fällt mit einem Syndesmosebandanriss noch mehrere Wochen aus. Valon Zumberi (19) hat verlängerten Urlaub. Die U-Mannschaften müssen sich zunächst noch selbst aufstellen. Während die Trainer von der U 15 bis zu U 21 feststehen (Tim Reddersen, Bastian Reinhardt, Thomas Johrden, Oliver Kirch, Pit Reimers), sind viele Co-Trainer-Positionen noch offen. Mit Noah Wallenßus (17) konnte der HSV einen Stürmer von Werder Bremen für die U 19 abwerben. Schmerzhaft ist der Abgang von Kelsey Aninkorah-Meisel (17) zu Schalke 04. Dafür hat jetzt mit Omar Megeed (16) ein Toptalent verlängert, dessen Abgang zu Borussia Mönchengladbach drohte.
Der Kiezclub hat mit Nathanael Kukanda (19) bereits einen Youngster mit einem Profivertrag ausgestattet. Der Linksaußen soll regelmäßig am Zweitligatraining teilnehmen, Spielpraxis aber vorerst in der U 23 sammeln. Gleiches gilt für die zentralen Mittelfeldspieler Franz Roggow (19) und Niklas Jessen (18), die schon im Kader standen. Einen Schritt weiter ist Innenverteidiger Marcel Beifus (19), dem der Durchbruch im Profiteam gelungen ist. Ähnliches ist Eric da Silva Moreira (16) zuzutrauen, der als größtes Talent im Nachwuchsbereich gilt.
Club-Bosse: Burgfrieden beim HSV?
Mit Tim Walter bestreitet erstmals seit Bruno Labbadia (2016) wieder ein Trainer seine zweite Sommervorbereitung in Folge. Der 46-Jährige hat sich in eine starke Position gebracht. Diese könnte weiter gestärkt werden, wenn der HSV den Vertrag mit Sportvorstand Jonas Boldt verlängert. Der hat gerade erst durch die Degradierung von Sportdirektor Michael Mutzel seine eigene Macht demonstriert. Aktuell deutet vieles daraufhin, dass die Verantwortlichen um die Vorstände Boldt und Thomas Wüstefeld ihre Arbeit in einer Art Burgfrieden fortsetzen.
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Stichwort Burgfrieden: Nachdem es zwischen Schultz und Sportchef Andreas Bornemann zu Unstimmigkeiten über Transfers in der Winterpause gekommen sein soll, fokussiert sich das Duo nun auf die anstehende Saison. Progressive Diskussionskultur und starke sportliche Führung trage zur Entwicklung bei und könne unter Umständen sogar gefördert werden, hatte Präsident Oke Göttlich zu den Spannungen gesagt. Bornemann und Schultz sind gemeinsam krisenerprobt, der Sportchef hielt am Trainer fest, als dieser einen Fehlstart in seine Premierensaison hinlegte. Abzuwarten bleibt, ob und wie stark das Vertrauen nun gelitten hat.
Ziel Aufstieg für HSV und St. Pauli
Erstmals seit vier Jahren hat der HSV noch vor dem Saisonstart den Aufstieg als großes Ziel ausgesprochen. „Wir sind der große Favorit“, sagt Boldt. Im fünften Anlauf soll die Rückkehr gelingen. Daran wird man dann auch alle Verantwortlichen messen können. Die Fans scheinen schon wieder Lust zu haben: 17.000 Dauerkarten wurden bereits verkauft.
Die durchweg tief gefrusteten Reaktionen über das Verpassen des Aufstiegs sprechen Bände darüber, wie deutlich das Ziel am Millerntor intern ausgegeben wurde. Und, obwohl der Kader auf dem Papier zunächst schwächer besetzt zu sein scheint, schwinden die sportlichen Ambitionen nicht, wenngleich die Verantwortlichen öffentlich noch nicht vom Aufstieg reden.