Hamburg. Der Verteidiger blickt auf sein turbulentes Jahr beim HSV zurück. Dabei wehrt er sich auch gegen Unterstellungen.
Das freie Wochenende verbrachte Toni Leistner mit seiner Frau Josefine in Köln. In der Stadt, in der er vor 14 Monaten noch für den 1. FC Köln in der Bundesliga gespielt hat. Eine Rückkehr zum FC hatte der Verteidiger nach seinem Abschied vom HSV aber schnell dementiert. Stattdessen unterschrieb Leistner am Freitag überraschend einen Vertrag beim belgischen Erstligisten VV St. Truiden.
Trainer Bernd Hollerbach, vor drei Jahren noch beim HSV, hatte Leistner von dem Projekt überzeugt. Schon am Freitag stand der 31-Jährige das erste Mal auf dem Trainingsplatz. „Eine knackige Zwei-Stunden-Einheit“, sagt Leistner und lacht. Im Gespräch mit dem Abendblatt blickt der Dresdner noch einmal zurück auf sein turbulentes Jahr beim HSV.
HSV News: Toni Leistner spricht über Abschied
Ziemlich genau zwölf Monate ist es her, dass Leistner ablösefrei von den Queens Park Rangers nach Hamburg kam und einen Zweijahresvertrag unterschrieb. Nur ein Jahr später setzte er im Volkspark seine nächste Unterschrift – unter einen Auflösungsvertrag. „Dass es so abrupt endet, hätte ich nicht gedacht“, sagt Leistner am Telefon.
Rückblick: Am Montag den 23. August sitzt der Abwehrspieler bei Sportvorstand Jonas Boldt im Büro. Tags zuvor saß Leistner beim 2:2 gegen Darmstadt 98 erneut 90 Minuten auf der Bank. Gefeiert wurde er nur von den Fans – beim Warmmachen. „Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass es mein letztes Spiel ist. Aber wenn man es Revue passieren lässt, geht das runter wie Öl. Wenn man nach nur einem Jahr so gefeiert wird, zeigt es, dass man etwas Positives hinterlassen hat.“
Die Meinung der HSV-Verantwortlichen über Leistner war dagegen nicht mehr so positiv. In seiner Mitteilung erklärte der Club nach dem Gespräch zwischen Leistner und Boldt: „In ergebnisoffenen Gesprächen (…) wurde über die aktuell ihm zugedachte Rolle innerhalb der Mannschaft gesprochen. Diese wollte er in der vorgetragenen Form nicht annehmen.“
Leistner schildert den Verlauf des Gesprächs etwas anders. „Es war schon so, dass mir mitgeteilt wurde, dass es für beide Seiten besser wäre, einen Schnitt zu machen und eine faire Lösung zu finden. Die haben wir im Endeffekt gefunden. Jonas und ich hatten faire Gespräche“, sagt Leistner, der keine bösen Worte über den HSV verlieren möchte.
Leistner will Instagram-Nachricht nicht verfasst haben
Eine angebliche Instagram-Nachricht mit vereinskritischem Inhalt, die Leistner privat verschickt haben soll und die öffentlich wurde, sorgte anschließend für Wirbel. Leistner unterschrieb eine eidesstattliche Erklärung, dass er die Nachricht nicht selbst verfasst habe. Die Entscheidung über die Trennung war aber ohnehin gefallen. Leistner lässt durchblicken, dass er über die Entstehung nicht glücklich war. „Manchmal passt ein Spieler nicht in die Philosophie des Trainers. Das ist auch nicht schlimm. Ich finde nur, dass man dann eine gewisse Ehrlichkeit an den Tag legen sollte, dass es miteinander nicht funktioniert.“
Leistner erinnert sich an Gespräche mit Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel noch vor dem letzten Spieltag der vergangenen Saison, als der verpasste Aufstieg nach dem 2:3 in Osnabrück besiegelt war. Es ging um die Planung für die neue Saison. „Wir hatten gute Gespräche. Ich hatte herausgehört, dass ich wichtig sei für die Mannschaft. Deswegen war ich extrem überrascht, wie es dann gekommen ist.“
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Als klar war, dass Tim Walter der Trainer zur neuen Saison wird, ahnte Leistner bereits, dass es schwer werden könnte für ihn. Weil Walter für seine Idee andere Spielertypen bevorzugt. „Ich wusste, dass etwas Neues auf mich zukommt und ich mich umstellen muss.“ In den Testspielen merkte Leistner, dass er nicht mehr gesetzt ist. Er wurde zunehmend frustrierter, als er in den ersten fünf Pflichtspielen nicht eine Minute zum Einsatz kam. Es wurde kolportiert, dass Leistner nicht mehr die richtige Einstellung gezeigt habe. Boldt sagte am Sonntag in einem clubeigenen Interview: „Um erfolgreich zu sein, brauchen wir eine Gruppe, die sich gegenseitig unterstützt, und deswegen war es für alle das Beste, einen sauberen Cut zu machen.“
Toni Leistner wehrt sich: "Das ist frei erfunden"
Leistner sieht das anders: „Was ich mir nicht vorwerfen lasse ist, dass ich mich hängen gelassen habe und nicht alles gegeben habe im Training. Wer mich kennt, der weiß ganz genau, dass es bei mir nur Vollgas gibt.“ Auch eine Geschichte über einen Streit mit Tim Walter nach dem 2:3 im Stadtderby beim FC St. Pauli dementiert er. „Das ist frei erfunden. Ich habe nicht mal mit dem Trainer geredet. Ich war im Kabinengang und habe mich länger mit Marcel Hartel unterhalten, mit dem ich bei Union Berlin zusammengespielt habe. Dann sind noch andere St.-Pauli-Spieler dazugekommen. Der Trainer war natürlich sauer. Aber mehr ist da nicht gewesen.“
Ein Gespräch zwischen Walter und Leistner gab es, nachdem die „Bild“ nach der Saisoneröffnung titelte: „Walter rasiert Leistner“. Der Chefcoach hatte den Verteidiger zuvor aus dem Mannschaftsrat gestrichen. „Er wollte klarstellen, dass er vom Menschen Toni Leistner überzeugt ist, der Fußballer sich aber derzeit hintenanstellen müsse.“ Am Ende stellte der HSV den Verteidiger frei.
Leistner sieht ständigen Kurswechsel beim HSV kritisch
In Erinnerung bleibt ein Jahr voller Geschichten. Sein Tribünen-Eklat beim 1:4 in Dresden, die Rote Karte beim Comeback in Fürth, die Herbstmeisterschaft und vier Punkte Vorsprung auf Bochum nach dem 3:1 gegen Paderborn Ende Januar, als sich Leistner schwer am Oberschenkel verletzte und der HSV ohne ihn aus zehn Spielen nur noch zwei Siege holte. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir es noch so aus der Hand geben.“
Nun geht der HSV einen neuen Weg. Mal wieder. Leistner sieht den ständigen Kurswechsel kritisch. „Es wird von Jahr zu Jahr beim HSV über den Haufen geworden, was man zuvor noch analysiert hat.“ Den neuen Weg mit jungen Spielern findet Leistner „nicht verkehrt“, auch wenn er auf diesem Weg nicht mehr dabei ist. „Der Abgang hätte ruhiger verlaufen können“, sagt Leistner rückblickend. „Ich werde trotzdem immer positiv an den HSV zurückdenken.“ Seine Lektionen hat er in Hamburg gelernt. In St. Truiden will er jetzt wieder zur Ruhe finden. Klar ist aber auch: „Ich werde mich nie verbiegen lassen.“