Hamburg. Bei den Handballern kommt nach dem Lizenzentzug jetzt die Forderung nach neuen Strukturen. Termin vor Schiedsgericht weiter offen.

Es herrscht ein Zustand, der gerade für viele unerträglich ist: warten. Der lizenzlose Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) erwartet ein Schreiben der Handball-Bundesliga (HBL), die Spieler des Vereins wollen wissen, wie es weitergeht, die abstiegsbedrohten Clubs von der Ersten bis zur Dritten Liga hoffen, dass der Lizenzentzug des HSVH Bestand hat – dann würde in ihren Spielklassen ein Platz frei. Das betrifft in der 3. Liga Nord-Ost auch den Tabellen-14. SG Hamburg-Nord, der bei einer Rückversetzung des HSV Hamburg in die viertklassige Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein bessere Chancen auf den Klassenerhalt hätte. Kurios: In der Mannschaft wirft Linksaußen Kristof Evermann, der Sohn des HSVH-Präsidenten Marc Evermann.

HSV Hamburg: 40 Arbeitsplätze sind akut in Gefahr

In erster Linie geht es um 40 Arbeitsplätze beim HSV Hamburg, dem Verein, in der Jugendabteilung mit seinen sechs Nachwuchsmannschaften, in der Spielbetriebsgesellschaft. Profis, Trainer, Betreuende und Geschäftsstellenmitarbeitende stehen vor einer unsicheren Zukunft; am wenigsten noch die Spieler, die seit dem Lizenzentzug am 3. Mai das Interesse der Konkurrenz geweckt und erste Angebote erhalten haben. Bis zum letztinstanzlichen Abschluss des verbandsinternen Verfahrens, der Entscheidungs des Schiedsgerichts, bleiben ihre Verträge jedoch gültig.

Tempo wäre angesagt, doch selbst der Beschluss des HBL-Präsidiums, das vergangenen Montag die Beschwerde des Clubs gegen den Lizenzentzug ablehnte, lag Freitagmittag nicht auf der Geschäftsstelle vor. Geschäftsführer Sebastian ­Frecke und Aufsichtsrat André van de Velde bereiten dessen ungeachtet mit einem Anwaltsteam den Gang vors Schiedsgericht vor, arbeiten eine Prozessstrategie aus. Der Termin der finalen Verhandlung, angestrebt Ende Mai, ist bislang offen.

4,1 Millionen Euro kamen exakt 65 Minuten zu spät

Die Lizenzierungskommission hatte dem HSVH die Spielberechtigung für die nächste Bundesligasaison verweigert, weil die errechnete Liquiditätslücke von 4,1 Millionen Euro nach Meinung des Expertenausschusses erst nach Ablauf der gesetzten Frist, Freitag, dem 3. Mai, 12 Uhr, geschlossen wurde. Die dokumentierte Überweisung des Investors Philipp J. Müller über diesen Betrag vom Donnerstag, dem 2. Mai, 8.30 Uhr, war erst am Folgetag um 13.05 Uhr auf dem Konto der Spielbetriebs GmbH eingetroffen, 65 Minuten zu spät. Möglicherweise eine Panne der Banken. Aber: Frist verpasst, Lizenz verloren, befanden Lizenzierungskommission und HBL-Präsidium.

Dabei könnte es in den vergangenen Jahren einen Präzedenzfall gegeben haben. Der Lizenzantrag eines führenden Bundesligaclubs soll einst nach der Deadline auf der HBL-Geschäftsstelle in Köln eingegangen sein. Der Grund damals: Der Kurierdienst hatte sich verfahren. Der Verein erhielt trotzdem die Lizenz.

Vereinsmitglieder kritisieren das HSVH-Präsidium

Das Schiedsgerichtsverfahren wollen viele Vereinsmitglieder nicht abwarten. Sie fordern jetzt intern umfassende Aufklärung, wie der Club in diese existenziell bedrohliche Lage kommen konnte. Geschäftsführer Frecke ist dabei, die Abläufe zwischen dem 17. April, als dem HSVH die Lizenz nur unter Bedingungen erteilt wurde, und dem 3. Mai, dem Tag des Entzuges, minuziös aufzuzeichnen.

Vor allem von Frecke, Präsident und GmbH-Anteilseigner Marc Evermann, Vize Martin Schwalb, der zuletzt sein Beraterhonorar dem Verein stundete, und Schatzmeister Stephan Harzer wird wohl spätestens auf der Mitgliederversammlung am 27. Mai Rechenschaft gefordert. Denkbar wäre eine Strukturreform, um die Kontrollmöglichkeiten zu erhöhen. „Was diesmal passiert ist, darf sich auf keinen Fall wiederholen, sofern wir die Chance erhalten, weiterzumachen“, sagt Aufsichtsrat van de Velde.

Für das Bundesligaspiel des HSV Hamburg am kommenden Mittwoch, 19 Uhr, Barclays Arena, gegen die SG Flensburg-Handewitt, sind bisher 8600 Eintrittskarten verkauft worden.