Hamburg. Die tabellarische Ausgangslage vor dem Start ins Bundesligajahr 2024 wirkt bedrohlich – kann sich aber ebenso schnell wieder ändern.

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass ich an dieser Stelle über den HSV Hamburg (HSVH) und die Handball-Bundesliga schrieb. Der Auftakt ins neue Bundesligajahr stand an, und der HSVH wurde trotz Rang acht nicht müde zu betonen, dass man auch mit einem schwächeren Tabellenplatz am Saisonende zufrieden wäre. Ich verglich dieses Tiefstapeln damals mit notorischen Einserschülern, die vor der Klausur-Rückgabe stets das Schlimmste prophezeiten, um sich von dieser geringen Fallhöhe aus am Ende auf die Schulter zu klopfen.

Erst kurz vor Ende der vergangenen Saison trauten sich die Hamburger Verantwortlichen, offen über das mögliche Szenario einer Europapokal-Qualifikation zu sprechen. Dass der HSVH dieses Ziel am Ende um nur zwei Punkte als Tabellensiebter verpasste, fiel ihnen danach nicht auf die Füße, sondern wurde dennoch als starke Leistung bewertet.

Sportplatz: Handballer standen vor einem Jahr noch auf Platz acht

Dieser kleine Ausflug in die Vergangenheit verdeutlicht, wie schnell es in der Handball-Bundesliga gehen kann. Denn vor dem Start ins Bundesligajahr 2024 am Sonntag (18 Uhr, Sporthalle Hamburg) gegen die Füchse Berlin sind die Hamburger von den Europapokalplätzen gefühlt so weit entfernt wie Angela Merkel von einer erneuten Kanzlerschaft.

Der Abstand zum ersten Abstiegsplatz, den derzeit Aufsteiger ThSV Eisenach belegt, beträgt lediglich einen Punkt. Nur sechs von 19 Saisonspielen hat das Team von Trainer Torsten Jansen bisher gewonnen, mit 606 Gegentoren (durchschnittlich 31,9 pro Spiel) zudem die meisten Treffer der gesamten Liga kassiert. All das wirkt ziemlich bedrohlich.

Kleinigkeiten sorgten für große tabellarische Veränderungen

Wer weiß, dass sich der Hamburger Kader im Vergleich zur vergangenen Saison kaum verändert hat, fragt sich zu Recht, wieso der Verein in dieser Spielzeit so große Probleme hat. Tatsächlich sind es in der HBL häufig Details, die große Auswirkungen haben. Transferentscheidungen, zum Beispiel.

In Zoran Ilic und Tomislav Severec verpflichteten die Hamburger im vergangenen Sommer zwei Spieler, von denen der eine (Ilic) trotz seines jungen Alters von erst 22 Jahren schon gute Ansätze zeigt – und der andere (Severec), bisher so ziemlich alles von dem schuldig geblieben ist, was sich die Verantwortlichen von ihm erhofft hatten. Betrachtet man einzig die Leistungen, steht der Kroate lediglich im Spieltagskader, weil es keine Alternativen gibt.

Dünner Kader wird für die Hamburger zum Problem

Wobei wir beim nächsten Problem sind: dem dünnen Kader. Weil der HSVH über den drittkleinsten Personaletat der Liga verfügt, muss Geschäftsführer Sebastian Frecke an vielen Stellen Abstriche machen. Am deutlichsten wird das auf der Linksaußen-Position. Falls Casper Mortensen, der in der vergangenen Saison Bundesliga-Torschützenkönig wurde, mal einen schlechten Tag erwischt, gibt es lediglich Eigengewächs Alexander Hartwig als Alternative. Der 21-Jährige, der fast ausschließlich in der U 21 zu Spielpraxis kommt, ist bemüht, aber noch längst kein Spieler von Bundesligaformat.

Wenn dazu auch noch in Dominik Axmann, Jacob Lassen (beide Rückraum) und Andreas Magaard (Kreisläufer) drei Leistungsträger mit schweren Kreuzband- und Meniskusverletzungen bis Saisonende ausfallen, kann diese Qualität nicht adäquat ersetzt werden.

HSVH muss die Langzeitverletzten ersetzen

Klingt so, als wäre der Abstieg schon besiegelt. Ganz so weit ist es aber noch nicht. Tatsächlich gibt es beim HSVH auch einige Mutmacher. Gegen den VfL Gummersbach (24:23), den Bergischen HC (29:28), Balingen-Weilstetten (28:28) und den TBV Lemgo Lippe (34:34) verpassten die Hamburger nur durch ein fehlendes Tor einen Punktgewinn oder Sieg.

Obwohl Profisport nicht im Konjunktiv stattfindet, zeigen diese knappen Ergebnisse, dass das Jansen-Team grundsätzlich ausreichend Qualität besitzt, um zu punkten. Weil sich der Großteil aller Bundesligisten aber mehr oder weniger auf einem Niveau bewegt, entscheiden häufig Details wie Spielglück oder (Verletzungs)pech über den Erfolg oder Misserfolg einer Saison.

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Wichtig ist deshalb, dass die HSVH-Verantwortlichen in diesem Wintertransferfenster (bis 15. Februar) noch einen weiteren Profi von Bundesligaformat verpflichten. Auf der Kreisläuferposition ist ihnen das in Person von Dino Corak (TV Großwallstadt) bereits gelungen.

Auch weil die Mannschaft menschlich intakt ist, kann das Tabellenbild mit wenigen sportlichen Anpassungen dann auch ganz schnell wieder besser aussehen. Ja, die Abstiegszone scheint gefährlich nah, aber auch bis auf Platz sieben sind es gerade einmal fünf Punkte Rückstand.