Hamburg. Knuth Lange, Präsident des Hamburger Handball-Verbands, über Nachwuchsbereich-Perspektiven, fehlende Hallenkapazitäten und die Heim-EM.
Auf den ersten Blick hat ein promovierter Geophysiker, der hauptberuflich in der IT-Abteilung des Computerkonzerns Fujitsu arbeitet, mit Handball nicht viel zu tun. Bei Knuth Lange ist das anders. Der gebürtige Niedersachse ist seit seiner Kindheit in einer der mitgliederstärksten deutschen Hallensportart sozialisiert, begann als Grundschüler beim heutigen Bundes- und damaligen Kreisligisten TSV Hannover-Burgdorf mit dem Handballspielen.
Später zog Lange nach Hamburg, wo er beim Walddörfer SV lange als Trainer und Funktionär tätig war. Zum Hamburger Handball-Verband (HHV), den der 58-Jährige seit 2018 als Präsident führt, kam er zunächst als Auswahltrainer des Jahrgangs 2002. Anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Verbandes spricht Lange im Abendblatt über Herausforderungen seiner Arbeit, die Bedeutung des Profisports und das Ziel einer geschlossenen Ligen-Landschaft.
Handball: Hamburgs Verbandspräsident bereit zur Wiederwahl
Hamburger Abendblatt: Herr Lange, Sie sind seit 2018 HHV-Präsident, wurden 2021 schon einmal wiedergewählt. Stellen Sie sich im kommenden Frühjahr wieder zur Wahl?
Knuth Lange: Ich werde mir natürlich von verschiedenen Seiten Feedback einholen, ob auch andere Menschen mich weiter für den richtigen Präsidenten halten. Ich will nicht bis in ein hohes Alter Präsident bleiben, obwohl eigentlich alle denken, dass es mal an der Zeit wäre, zu gehen. Grundsätzlich würde ich mich aber gerne wieder zur Wahl stellen.
Sie feiern mit dem HHV in diesem Jahr Jubiläum. Welche Entwicklungsschritte ist der Verband seit 2018 gegangen?
Durch die Corona-Pandemie waren die Voraussetzungen alles andere als optimal. Den Spielbetrieb abzubrechen und unter sehr erschwerten Bedingungen wieder anlaufen zu lassen, war eine große Kraftanstrengung. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Verband, als den Spielbetrieb abzubrechen. Trotzdem sind wir gestärkt aus dieser Zeit hervorgegangen, haben die Corona-bedingte Mitgliederdelle bereits kompensiert. In der Saison 2019/2020 hatten wir 796 Teams im Spielbetrieb , heute sind es 799 Teams. Ein weiterer positiver Schritt ist, dass wir heute im Leistungsbereich fast überall Haftmittel in den Hallen verwenden dürfen.
Den meisten Handball-Fans dürfte eher Harz oder Backe ein Begriff sein…
Genau. Mir gefällt das Wort Haftmittel aber besser, weil wir kein Baumharz mehr verwenden, das die Hallenböden verklebt, sondern moderne und wasserlösliche Mittel. In allen Ligen, in denen es sportlich sinnvoll ist, dürfen wir diese Mittel jetzt verwenden. Das sind von der C-Jugend an alle Ober- und Hamburg-Ligen im männlichen und weiblichen Bereich. Das ist ein großer Schritt für die Leistungsentwicklung. Der Wunsch nach mehr Haftmitteleinsatz kam von den Vereinen, wir als Verband haben dann gute Gespräche mit Schulbau Hamburg geführt, die für viele Hallen verantwortlich sind. Auch das Landessportamt, der Hamburger Sportbund und der verantwortliche Finanzsenator Andreas Dressel saßen mit am Tisch.
Lange hebt Bedeutung des HSV Hamburg hervor
Wie froh sind sie, dass es durch den HSV Hamburg seit 2021 wieder einen Männer-Bundesligisten in der Stadt gibt?
Das ist logischerweise ein großes Zugpferd für die Nachwuchsentwicklung. Jugendliche brauchen diese Vorbilder auf Topniveau. Ich habe schon oft beobachtet, wie am Sonnabend noch zwei verfeindete Hamburger Bezirksligisten aufeinandertreffen und am Tag darauf gemeinsam in der Sporthalle Hamburg den HSVH anfeuern. So etwas ist schön zu sehen und tut der Hamburger Handballgemeinde gut.
Welche Ziele haben sie für die Ligen unterhalb der Bundesliga?
Mein Wunsch ist, im Erwachsenenbereich eine geschlossene Landschaft von Hamburger Teams in allen Ligen zu haben. Das bedeutet, dass wir gerne einen Erstligisten, einen Zweitligisten und zwei Drittligisten in der Stadt haben wollen, damit Jugendliche, die aus den A-Jugend-Bundesligateams des HSVH oder der SG Hamburg-Nord entspringen, eine Perspektive haben. Der Schritt von der A-Jugend-Bundesliga in die Männer-Bundesliga ist in der Regel zu groß. Das Gleiche gilt auch für den Frauenbereich, in dem wir noch mehr Potenzial haben.
Abgesehen vom HSVH ist die SG Nord als Drittligist zurzeit die zweitstärkste Kraft im Hamburger Männerhandball. Strukturell ist der Verein jedoch noch nicht auf Drittliganiveau, die Spieler erhalten nicht mal eine Aufwandsentschädigung. Wo wollen sie perspektivisch einen Männer-Zweitligisten herbekommen, und wo soll dieser dann spielen?
Weil der HSVH mit seiner U21 nicht in die Zweite Liga aufsteigen darf, sind aus meiner Sicht die HG Hamburg-Barmbek, die zurzeit in der Oberliga spielt, und die SG Nord die besten Kandidaten dafür. Als einzige Halle kommt derzeit wohl die Sporthalle Wandsbek infrage, die Sporthalle Hamburg ist mit dem HSVH und etlichen anderen Veranstaltungen ausgelastet. Wann wir diese geschlossene Ligen-Landschaft erreicht haben, kann ich aber nicht genau prognostizieren.
Frauen-Bundesligist Buxtehuder SV wechselte nach Niedersachen
Im Frauenbereich ist der Bundesligaclub Buxtehuder SV erst im vergangenen Jahr vom Hamburger zum Niedersächsischen Verband gewechselt, klassenhöchster Hamburger Frauen-Club ist nun Zweitligist Luchse Buchholz 08-Rosengarten. Wie sehr hat sie der Wechsel des BSV geärgert?
Wir legen viel Wert darauf, den weiblichen Bereich intensiv zu fördern. Der Wechsel des BSV nach Niedersachsen war deshalb ein Rückschlag für uns. Mit dem Verein haben wir nach wie vor ein gutes Verhältnis, geärgert hat uns aber das niedersächsische Kultusministerium, das das Prädikat „Partnerschule des Leistungssports“ an das Buxtehuder Gymnasium Süd nur vergeben wollte, wenn die BSV-Nachwuchsteams auch in Niedersachsen spielen. Weil der Verein unbedingt eine Leistungsschule des Sports in der Stadt haben wollte, war der Wechsel unumgänglich. Aus Sicht des BSV kann ich das auch nachvollziehen.
Welche konkreten Auswirkungen hat das auf den Hamburger Verband?
Ein Kriterium, nach dem der Hamburger Sportbund Gelder an seine Verbände verteilt ist, ob der jeweilige Verband Nationalspielerinnen hervorbringt. Im weiblichen Bereich hat der BSV das mit seinen Juniorinnen-Bundesliga-Teams regelmäßig geschafft. Von allen zukünftigen Nationalspielerinnen, die aus Buxtehude kommen, profitiert künftig der niedersächsische Verband.
Hamburger Handball-Verband will mehr junge Mitglieder gewinnen
Wie gelingt es Ihnen, zukünftig noch mehr Mitglieder zu gewinnen?
Wir haben über die Handball-Region Nord, der Förderregion des Handballs in Hamburg und Schleswig-Holstein, gerade erst eine halbe Stelle geschaffen, die sich nur um Mitgliedergewinnung kümmert. Bei der Heim-EM im kommenden Januar werden wir bei den Spielen in Hamburg auch einen Stand zur Mitgliedergewinnung haben. Ein Projekt, das mir ganz besonders am Herzen liegt, ist die Handball-Grundschulliga. Über die Schulen erreichen wir Kinder, die noch nicht mit Handball in Kontakt sind.
Ein großes Problem in Hamburg bleiben die fehlenden Hallenkapazitäten. Als Verband sind Sie auch für Spielpläne verantwortlich. Wie oft stoßen sie dabei an Grenzen?
Das Problem ist sehr groß, weil Handball zwingend in einer Dreifeldhalle stattfinden muss. Basketball oder Volleyball kommen im Zweifel auch mit etwas kleineren Hallen aus. Der hochwertige Sportraum wächst im Verhältnis zur wachsenden Bevölkerung in Hamburg nicht mit. Im Active-City-Konzept der Stadt heißt es zwar, dass der Sportraum überproportional zum Bevölkerungswachstum wachse. Das Problem ist aber, dass es dabei häufig um Frisbeekörbe in Parks, Bewegungsinseln und anderen „günstigen“ Sportraum geht. Das hilft uns Handballern nicht weiter. Wir brauchen mehr Dreifeldhallen – und da ist die Stadt in der Pflicht.
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Am 3. Oktober veranstalten Sie im Landesleistungszentrum einen Tag der offenen Tür, vom 10. Januar 2024 an ist Hamburg eine der Spielstätten für die Männer-EM, danach folgen in Deutschland 2025 die Frauen-WM und 2027 die Männer-WM. Welchen Schub erhoffen Sie sich vom sogenannten Jahrzehnt des Handballs?
Als ich 2007 noch beim TH Eilbeck gespielt habe und Deutschland Heim-Weltmeister geworden ist, sind plötzlich Männer in die Halle gekommen, die die Spiele im Fernsehen gesehen haben und mitspielen wollten. Nach dem WM-Titel 2007 wurden auch deutlich mehr Kinder in den Vereinen angemeldet. Auch wenn diese Welle der Begeisterung erfahrungsgemäß nach ein paar Monaten wieder abebbt, sind die Auswirkungen von Topevents aber deutlich im Breitensport spürbar. Das wollen wir in den kommenden Jahren mitnehmen.