Dresden. Die Handballer kassieren nach katastrophaler Abwehrleistung die höchste Saisonpleite und verpassen den vorzeitigen Aufstieg.

Die BallSport Arena in Dresden tobte, als am frühen Sonntagabend die Schlusssirene ertönte. „Maria, Maria, I like it loud“, dröhnte die Scooter-Partyhymne über die Lautsprecher. Während die im Rahmen eines Modellprojekts zugelassenen 702 Zuschauer feierten, herrschte auf der Bank des HSV Hamburg (HSVH) Stille. Der (bisherige) Tabellenführer der 2. Handball-Bundesliga war geschockt. War das gerade wirklich passiert? Nach einer indiskutablen Abwehrleistung verpasste der HSVH durch eine 31:37 (14:17)-Auswärtsklatsche bei Elbflorenz Dresden den vorzeitigen Aufstieg in die Erste Liga. Bester Werfer war Kreisläufer Niklas Weller mit acht Toren. „Nach solch einem Spiel möchte man schnell nach Hause fahren“, sagte HSVH-Trainer Torsten Jansen.

Am frühen Sonnabendabend herrschte auf der HSVH-Geschäftsstelle am Volkspark und auf der Autobahn A13 in Richtung Dresden zunächst helle Aufregung. Aufstiegskonkurrent VfL Gummersbach brach nach einer vermeintlich sicheren 14:11-Halbzeitführung beim EHV Aue in den letzten sechs Minuten ein. Bereits ein Gummersbacher Unentschieden hätte dem HSVH einen Aufstiegs-Matchball beschert. Auch immer mehr Spieler, die den Beginn des Gummersbacher Spiels bewusst nicht verfolgten, schalteten im Mannschaftsbus den Livestream ein. Insgeheim hoffte jeder HSVH-Akteur auf einen Gummersbacher Ausrutscher – damit gerechnet hatte jedoch kaum jemand.

HSVH-Keeper: „Dresden ist eine unangenehme Mannschaft"

Als Aue Mitte der zweiten Halbzeit vier Tore in Folge zum 21:21 erzielte, saß schließlich das gesamte Team vor dem Bildschirm. Gummersbach war von der Rolle, lag fünf Minuten vor Schluss plötzlich mit 24:26 zurück. Spätestens als die Schlusssirene die überraschende 26:29-Pleite Gummersbachs besiegelte, wurde den Hamburgern die unverhofft frühe Aufstiegschance bewusst. Innerhalb weniger Minuten organisierte Pressesprecher Andreas Pröpping eine mehrköpfige HSVH-Delegation, die am Sonntagmorgen um 8.30 Uhr in zwei Kleinbussen in Richtung der sächsischen Landeshauptstadt aufbrach. Mit an Bord waren neben mehreren Geschäftsstellen-Mitarbeitern auch die verletzten Jan Kleineidam (Knie), Dominik Axmann (Fuß) und Marcel Kokoszka (Hüfte).

„Dresden ist eine unangenehme Mannschaft. Wenn wir sie offensiv machen lassen, sind sie sehr stark, wie man im Hinspiel gesehen hat. Wenn wir aber wieder so eine starke Abwehr stellen wie in den vergangenen Spielen, haben wir gute Chancen, das Spiel zu gewinnen“, hatte HSVH-Keeper Jonas Maier vor dem Spiel gesagt. Der 27 Jahre alte Schlussmann ließ seinen Worten sofort Taten folgen, verbuchte zwei frühe Paraden.

Zuerst Jubel beim HSVH

Als Kapitän Lukas Ossenkopp den Ball per Sprungwurf zur erstmaligen Zweitoreführung unter die Latte hämmerte, brüllten die Hamburger Ersatzspieler ihre Freude heraus. Auch Kleineidam, dessen Knie von einer Schiene stabilisiert wurde, sprang zwei Meter hinter der Ersatzbank von seinem Stuhl auf. Was danach passierte, war kaum zu erklären.

Der HSVH bekam zunehmend Probleme, nach Latten- und Pfostentreffern von Kreisläufer Weller und Rückraumschütze Finn Wullenweber zog Dresden unter dem lauten Jubel der Zuschauer auf vier Tore davon (5:9/17.).

HSVH fand nicht mehr zum gewohnten Spiel zurück

HSVH-Trainer Jansen reagierte mit einer Auszeit, die Spieler wirkten verkrampft. Im Tor übernahm nun Jens Vortmann (insgesamt vier Paraden), vorne brachte Wullenweber die Hamburger wieder auf zwei Tore heran (7:9/17.). Der HSVH fand jedoch nicht zu seinem gewohnten Spiel, insbesondere die Achse aus Spielmacher Leif Tissier und Toptorschütze Weller funktionierte nicht.

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Unter den Dresdener Fans entwickelte sich eine zunehmend diebische Freude daran, dem Tabellenführer die Party zu crashen. Nachdem Nils Kretschmer Dresden drei Sekunden vor der Pause mit 14:17 in Front warf, hatte es Trainer Jansen auf dem Weg in die Kabine besonders eilig. Bekam der HSVH die Aufstiegspanik? Es gab einiges zu besprechen.

Keine Chance auf Hamburger Comeback

Als die Teams wieder aufs Feld kamen, klatschte Co-Trainer Blazenko Lackovic aufbauend in die Hände. Doch Dresden – und ganz besonders der starke Torwart Mario Huhnstock (insgesamt elf Paraden) – hatten offenbar keine Lust auf ein Hamburger Comeback. Nach zwei überhasteten Abschlüssen setzte sich Dresden bis auf sechs Tore ab (16:22/37.). Nach einer Auszeit blickte Jansen fragend in Richtung Lackovic – das HSVH-Trainerteam schien jedoch ratlos. Dresden spielte frei auf, fand immer wieder den gefährlichen Außenspieler Lukas Wucherpfennig (neun Tore).

Beim HSVH hingegen ging über Außen so gut wie nichts. Weder Tobias Schimmelbauer noch Thies Bergemann waren im Spiel. Als auch Spielmacher Tissier ein ungewohnter technischer Fehler unterlief, zog Dresden Mitte der zweiten Halbzeit auf sieben Tore davon (20:27/43.). Torwart Vortmann saß verzweifelt auf dem Hosenboden, Weller setzte einen umstrittenen Siebenmeter erst unter den Pfiffen, dann unter dem Gelächter der Zuschauer deutlich neben das Dresdner Tor.

Höchste HSVH-Saisonpleite im Spiel gegen Dresden

Symptomatisch für das Hamburger Spiel war eine Szene, als Linksaußen Tobias Schimmelbauer einem Ball hinterher sprintete. Anstatt den Ball einfach in die Hand zu nehmen und auf das freie Tor zu zulaufen, stolperte der 1,99-Meter-Mann über seine eigenen Füße. Ballbesitz Dresden, Schockstarre Hamburg. Nachdem Schimmelbauer mit gesenktem Kopf auf der Bank Platz nahm, besiegelte Dresden mit dem 31:37 die höchste HSVH-Saisonpleite. Die nächste Aufstiegschance erhält der HSVH nun am 22. Juni gegen den ASV Hamm-Westfalen in der Barclaycard Arena.