Hamburg. Dem Tabellenführer genügt am Dienstag im Heimspiel gegen Hamm ein Punkt zum Aufstieg in die Handball-Bundesliga. Noch gibt es Karten.

An Ticketwünschen mangelte es Lukas Ossenkopp in den vergangenen Tagen nicht. Abgesehen von mehreren Freunden musste der Kapitän des HSV Hamburg (HSVH) auch seinen Schwiegereltern Karten für das wichtigste Spiel seiner bisherigen Karriere besorgen. An diesem Dienstag (20 Uhr, Barclaycard Arena/sportdeutschland.tv) kann der HSVH den Aufstieg in die Handball-Bundesliga am vorletzten Spieltag gegen den Tabellenzehnten ASV Hamm-Westfalen perfekt machen.

„Wir haben eine Liste mit Kartenwünschen aus der Mannschaft. Da kamen mehr als 50 Karten zusätzlich zusammen“, sagt Ossenkopp. Den Druck könne er nicht von der Hand weisen, sagt der 28 Jahre alte Abwehrchef, der mit dem HSVH bereits 2018 von der Dritten in die Zweite Liga aufgestiegen war. „Es überwiegt aber auf jeden Fall die Vorfreude. Trotzdem ist die Anspannung natürlich größer als bei einem normalen Spiel am Anfang der Saison. Das muss aber auch so sein und ist gut so“, sagt Ossenkopp. „Es ist eine geile Situation. Wir können vor unseren eigenen Fans aufsteigen.“

Dass die Aufstiegschance auch zur Last werden kann, erlebte der HSVH vor neun Tagen bei der 31:37-Pleite bei Elbflorenz Dresden. Weil der VfL Gummersbach am Tag davor überraschend beim EHV Aue verloren hatte, erhielten die Hamburger ihre erste Möglichkeit unverhofft früh. „In Dresden war die Kurzfristigkeit der Situation möglicherweise hinderlich. Wir haben das sehr nah an uns rangelassen. Wahrscheinlich haben viele schon den Was-wäre-wenn-Gedanken gehabt“, sagt Ossenkopp. Der HSVH wirkte verkrampft, leistete sich insbesondere in der Abwehr einen schlimmen Auftritt. „Es war eine besondere Situation. Wir haben natürlich auch mitbekommen, was im Hintergrund passiert und dass so viele Mitarbeiter und Fans nach Dresden gefahren sind“, gesteht Ossenkopp. „Das hat uns vielleicht ein bisschen beeinflusst, soll aber kein Vorwurf sein. Es ist klar, dass jeder dabei sein will, wenn es passiert.“

Was ein Mentaltrainer dem HSV Hamburg für den Aufstieg rät

Auch Heiko Hansen weiß, dass Aufstiegsspiele vor allem im Kopf entschieden werden. Der Mentaltrainer arbeitet seit vielen Jahren mit Leistungssportlern aus verschiedenen Sportarten zusammen. „Wenn man nicht auf eine Situation vorbereitet ist, fehlt einem die mentale Strategie. In solchen Spielen ist es vor allem eine Frage der Mannschaft, nicht des Trainers. Die jungen Spieler müssen von den Führungsspielern mitgenommen werden“, erklärt Hansen.

Ossenkopp ist sich seiner Rolle bewusst. Dennoch vertraut der Kapitän der Stärke des Teams. „Wir haben bewiesen, dass wir mit Druck umgehen können. Nach Niederlagen haben wir oft die richtige Reaktion gezeigt und mit Siegen geantwortet“, sagt er.

Aus mentaler Sicht sei es vor dem Spiel besonders wichtig, sich die eigene Stärke bewusst zu machen, erklärt Hansen. Dass dem HSVH bereits ein Remis zum Aufstieg reichen würde, dürfe die Herangehensweise nicht verändern. „Es wäre fatal, wenn sie auf ein Unentschieden spielen würden. Dann werden sie das Spiel verlieren“, prophezeit Hansen. „Jedes Spiel muss gewonnen werden. Die Spieler sollten immer Bock haben, den Gegner traurig zu machen und ihm wehzutun. Es geht nicht um Rechnereien, sondern darum, mutig zu sein.“

Routinen sind wichtig

Auch HSVH-Trainer Torsten Jansen versucht, den Druck in den Hintergrund zu rücken. „Wir sollten uns über die Chance freuen, weil wir uns das über die ganze Saison hart erarbeitet haben“, sagt Jansen, auf den die Mannschaft im Training einen „völlig normalen“ Eindruck gemacht habe.

Abgesehen von einer angriffslustigen Grundeinstellung („Man muss dem Gegenspieler Angst machen“) müsse der HSVH vor dem Spiel auch an seinen gewohnten Abläufen festhalten, sagt Mentaltrainer Hansen. Obwohl der HSVH beim 31:29-Heimsieg gegen den ThSV Eisenach Ende Mai zum ersten Mal in dieser Saison ein Heimspiel in der Barclaycard Arena bestreiten durfte, könne sich die Halle unterbewusst auf die Leistung auswirken, glaubt Hansen. „Die Spieler nehmen Gerüche, Bilder oder andere Wiedererkennungsmuster auf. Das kann alles zu einem positiven Gefühl führen“, sagt der Mentaltrainer.

Auch Ossenkopp legt vor dem Spiel auf seine gewohnte Routine Wert. Einzig seine zweijährige Tochter Mila bringe ihn vor den Spielen noch einmal auf andere Gedanken, sagt er. „Uns zeichnet in der ganzen Saison unsere Lockerheit aus. Es ist wichtig, dass wir vor dem Spiel keinen großen Aufriss machen“, betont Ossenkopp.

Kartenverkauf läuft schleppend

Obwohl die Stadt dem HSVH eine Genehmigung für 2700 Zuschauer erteilte, rechnet der Club nicht mit einem ausverkauften Haus. Am Donnerstagabend waren rund 1800 Tickets vergriffen, der Onlineverkauf endet am Dienstag um 14 Uhr. „Wir hoffen, dass alle möglichen Tickets verkauft werden. Das ist der Tag, an dem wir alle brauchen“, betont Ossenkopp.

Während das Team bei der Rückkehr von 1000 Zuschauern gegen Eisenach noch verkrampft gewirkt hatte, hofft Trainer Jansen nun auf den Gewöhnungseffekt. „Wir haben das einmal erlebt. Jetzt können wir das vielleicht besser einordnen und als Hilfe ansehen. Wir mussten erst wieder lernen, mit den Zuschauern zu agieren“, sagt Jansen.

Wichtige HSV-Hamburg-Themen im Überblick

Fest steht: Wenn der HSVH abliefert, dürfte Ossenkopp bald noch häufiger zum Ticketvermittler für seine Schwiegereltern werden – Erstligaspiele gegen Kiel oder Flensburg sind begehrt.