Hamburg. Amtsgericht setzt Gideon Böhm als vorläufigen Insolvenzverwalter ein. Erste Gespräche mit Fitzek und allen relevanten Gläubigern.

Die Handballer des HSV sollen den Spielbetrieb trotz drohender Insolvenz bis auf Weiteres aufrecht erhalten können. Darauf verständigten sich nach Abendblatt-Informationen der vorläufige Insolvenzverwalter Gideon Böhm (Rechtsanwälte Münzel & Böhm) und die relevanten Gläubiger des Handball-Bundesligisten. An den Gesprächen nahm auch HSV-Geschäftsführer Christian Fitzek teil.

Böhm ist beim HSV kein Unbekannter, schon 2005 war er mit der Abwicklung der Vorgängergesellschaft Omni Sport betraut. Damals konnte die Insolvenz bis Saisonende hinausgezögert und anschließend die jetzige HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG gegründet werden.

Pfahl verlässt den HSV

Der erste Spieler hat den Verein bereits verlassen. Nationalspieler Adrian Pfahl (33) schließt sich dem Bundesliga-Kontrahenten Frisch Auf Göppingen, wo er einen Vertrag bis 30. Juni 2018 erhält, an. Weil er seit zwei Monaten kein Gehalt mehr bekommen hat, durfte er ablösefrei wechseln. „Ich wollte mit meiner Familie in die Heimat zurückkehren und Frisch Auf war als erfolgreicher Traditionsverein mit wirtschaftlich solider Führung meine Wunschoption“, sagte Pfahl.

Das Amtsgericht am Sievekingplatz hatte am Dienstag um 12.31 Uhr eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, um das Vermögen der Betriebsgesellschaft zu sichern. Am Mittwoch bestätigte die Hamburger Gerichtspressestelle dann den Eingang eines entsprechenden Antrags des deutschen Meisters von 2011 und Champions-League-Siegers von 2013.

Stationen der Krise beim HSV Handball

2002

Mit dem Bau der neuen Multifunktionsarena im Volkspark übernahmen die Hamburger im Handball die Lizenz des zum damaligen Zeitpunkt finanziell angeschlagenen VfL Bad Schwartau. Ab der Saison 2002/03 startete der Handball Sportverein Hamburg in der Bundesliga.

Dezember 2004

Andreas Rudolph, der das Handball-Urgestein Heinz Jacobsen auf dem Präsidenten-Stuhl der Hamburger ablöst, rettet mit seinem Geld (weit mehr als 30 Millionen Euro) den Verein vor dem Untergang.

11. Mai 2011

Nach der ersten Meisterschaft für den HSV Hamburg stehen personelle Wechsel an: Martin Schwalb wird Präsident, Per Carlén neuer Trainer. Doch das Experiment misslingt: Schwalb kehrt auf die Bank zurück, Matthias Rudolph, der Bruder von Andreas wird Chef.

19. Juni 2013

Ex-Nationalkeeper Frank Rost wird als neuer Geschäftsführer präsentiert. Der vermeintliche Coup mit dem Fußballer im Handball-Club erweist sich schnell als 43-Tage-Irrtum von Hamburg.

16. November 2013

Andreas Rudolph ist wieder Präsident, nachdem sein Bruder Matthias die Brocken hingeworfen hatte.

18. Februar 2014

Andreas Rudolph erklärt den HSV Hamburg zum „Sanierungsfall“.

8. Mai 2014

In einer E-Mail erklärt Andreas Rudolph seinen Rücktritt und kündigt später an, kein privates Geld mehr in den Club stecken zu wollen.

15. Mai 2014

Die HBL verweigert dem HSV Hamburg in erster Instanz die Lizenz. Die Begründung: Ein Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nicht erbracht.

1. Juli 2014

In der letzten Instanz (vier Minuten vor Ablauf der Frist durch eine erneute Millionen-Bürgschaft von Andreas Rudolph) erhalten die Hamburger doch noch die Lizenz.

3. Juli 2014

Trainer Martin Schwalb, der einen Tag später entlassen werden soll, erleidet einen Herzinfarkt. In einer Notoperation retten die Ärzte das Leben des Coaches.

6. August 2014

Christian Fitzek, ehemaliger sportlicher Leiter, Co- und Cheftrainer kommt als Geschäftsführer vom VfL Bad Schwartau nach Hamburg zurück.

23. Oktober 2014

Der Reiseunternehmer Karl Gladeck, der schon seit Monaten den HSV unterstützt, wird satzungsgemäß vom Aufsichtsrat zum neuen Präsidenten und Nachfolger von Frank Spillner ernannt.

4. Dezember 2014

Das Arbeitsgericht erklärt die mittlerweile ausgesprochene Kündigung von Martin Schwalb für unwirksam. Der Ex-Trainer soll Nachzahlungen in Höhe von fast 300 000 Euro erhalten.

9. Dezember 2015

Spieler und Angestellte des Vereins warten auf ihr Geld. Ein Krisengipfel tags zuvor mit Hauptgeldgeber Andreas Rudolph brachte kein Resultat.

16. Dezember 2015

Die Gerichtspressestelle Hamburg bestätigt einen Insolvenzantrag des HSV Hamburg.

1/15

Antrag könnte noch zurückgezogen werden

Das Amtsgericht muss nun prüfen, ob eine Insolvenz vorliegt und genügend Masse vorhanden ist. Erst, wenn das Verfahren eröffnet wird, würden dem HSV gemäß der Bundesliga-Spielordnung in der laufenden Saison acht Punkte abgezogen. Theoretisch könnte der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch zurückgezogen werden.

Die letzten Spiele des Jahres gegen Magdeburg an diesem Sonntag (15 Uhr, Barclaycard-Arena) sowie gegen Lübbecke und Göppingen können also stattfinden. Wie es nach der EM im Februar weitergeht, liegt dann in der Hand des Insolvenzverwalters. Am Mittwoch wich die Mannschaft zum Training in Abwesenheit von Coach Michael Biegler nach Alsterdorf aus.