Hamburg. Geschäftsführer Fitzek kündigt Antrag auf Insolvenzverfahren an. Zwölf Punkte Abzug sind unausweichlich. Droht nun der Ausverkauf?

Das warme Blau der erleuchteten Volksbank-Arena strahlte auch am Dienstag in den Abendhimmel über dem Volkspark. Äußerlich deutete nichts darauf hin, dass hier, wo der Handball-Sport-Verein Hamburg seine Geschäftsstelle und Trainingsstätte hat, schon bald die Lichter ausgehen könnten. Gegen 17 Uhr trafen die ersten Spieler ein, Drasko Nenadic, Kapitän Pascal Hens, Torwart Johannes Bitter und alle anderen. Nach einer Stellungnahme stand keinem der Sinn. „Selbst wenn wir etwas wüssten, würden wir uns nicht äußern“, sagte Bitter.

Am Mittwoch dürfte die traurige Nachricht offiziell werden. Der deutsche Meister von 2011 und Champions-League-Sieger von 2013 ist finanziell ruiniert. Geschäftsführer Christian Fitzek kündigte gegenüber Vertrauten an, ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Nach „Bild“-Informationen hat er das Amtsgericht am Sievekingplatz bereits am Dienstag aufgesucht. In den amtlichen Bekanntmachungen tauchte der Name der HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG am Abend nicht auf. Doch die Bundesliga ist über den Schritt wohl bereits informiert.

Rettungsplan offenbar gescheitert

Offensichtlich ist der Rettungsplan, den Fitzek und Mäzen Andreas Rudolph aufgestellt hatten, gescheitert. Er sah vor, dass die Großgläubiger – Barclaycard-Arena, Berufsgenossenschaft, Finanzamt, Sozialversicherung – auf Forderungen verzichten oder dem HSV Stundung einräumen. Im Gegenzug stellte Rudolph eine weitere Millionenhilfe in Aussicht. Die akute Finanzierungslücke dürfte bei zwei Millionen Euro liegen, bis Saisonende wäre mindestens noch einmal so viel nötig.

Zählt man die Darlehen hinzu, die Rudolph dem HSV seit 2004 gewährt hat, wird sogar ein zweistelliger Millionenbetrag auf dem Club lasten. Rudolph selbst hatte vergangene Woche den Fehlbetrag mit 12,5 Millionen Euro beziffert. Eine erneute Nothilfe lehnte er ab. Der Medizintechnik-Unternehmer (GHD) hat seinem Club nach Schätzungen insgesamt 40 Millionen Euro zukommen lassen, den Großteil als Sponsoringleistung oder privaten Zuschuss. Allein seine Patronatserklärung hatte dem HSV auch in dieser Saison überhaupt die Lizenz gesichert.

Spieler wissen Bescheid

Warum Fitzek sie nicht eingelöst hat, wie von Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann mehrfach indirekt angemahnt, bleibt rätselhaft. Möglich ist, dass das Volumen – zwischen zwei und drei Millionen Euro – nicht ausgereicht hätte, um die Saison zu Ende zu spielen. Dann aber bleibt zweifelhaft, warum der HSV-Etat von der Lizenzierungskommission für ausreichend erachtet worden ist.

Fitzek wollte den Vorgang nicht kommentieren. Er werde bis auf Weiteres keine Stellungnahme abgeben, „auch wenn es unbefriedigend ist“, ließ er das Abendblatt wissen. Am Abend hatte er sich vor die Profimannschaft gestellt und sie über die Situation aufgeklärt. Dabei soll er die Spieler, die auf zwei Monatsgehälter warten, nach Vereinsdarstellung ein weiteres Mal um Geduld bis zu einer Entscheidung gebeten haben.

Die Mannschaft absolvierte anschließend die erste Trainingseinheit ohne ihren Coach Michael Biegler. Der hatte den Tabellenfünften nach dem Heimsieg gegen die Füchse Berlin am vergangenen Mittwoch verlassen und war nach Polen gereist, um die Vertretung des Gastgebers auf die Europameisterschaft im Januar vorzubereiten.

Der HSV hatte Biegler vor der Saison nur unter der Bedingung verpflichten können, dass er noch bis zu den Olympischen Spielen in Rio im kommenden Sommer vornehmlich für die polnische Nationalmannschaft zuständig bleibt. Bieglers Bestreben, das Trainingslager in Hamburg abzuhalten und so seiner Doppelfunktion gerecht zu werden, war an der prekären Finanzlage des HSV gescheitert.

Zwölf Punkte werden aberkannt

Nun ist fraglicher denn je, ob sein Club den Spielbetrieb fortsetzt – aber auch nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung darüber würde im Fall der Insolvenz der vorläufige Insolvenzverwalter nach Rücksprache mit allen Gläubigern und Dienstleistern fällen. Er müsste prüfen, ob eine Fortführung die Chance birgt, die Insolvenzmasse durch weitere Einnahmen zu stärken – oder ob das Risiko überwiegt, dass sich des Finanzloch vergrößert.

Einen Zwangsabstieg aufgrund von Insolvenz gibt es nicht mehr. Voraussetzung für einen Verbleib in der ersten Klasse wäre allerdings, dass die Betriebsgesellschaft bis April saniert wäre. Andernfalls könnte es in der Zweiten oder Dritten Liga weitergehen.

Unausweichlich ist, dass dem HSV zwölf Punkte aberkannt werden: acht aufgrund der Insolvenz, weitere vier, weil es nicht gelungen ist, das negative Eigenkapital seit 2012 abzubauen. Spieler wie auch Mitarbeiter erhalten für bis zu drei Monate ein allerdings in der Höhe begrenztes Insolvenzgeld.

Göppingen will Pfahl, Berlin Vortmann und Lindberg

Das Präsidium des HSV Hamburg e. V. bestellte noch am Dienstagabend bei einer Sitzung Jugendkoordinator Gunnar Sadewater zum Vereinsgeschäftsführer. Ein junges Team mit Perspektive soll langfristig den Spitzenhandball in Hamburg neu aufbauen.

Der aktuellen, erfolgreichen, aber zu teuren Profimannschaft droht der Ausverkauf. Dem Halbrechten Adrian Pfahl liegt ein Angebot von Frisch Auf Göppingen vor. Angesichts zweier offener Monatsgehälter dürften die Profis ablösefrei wechseln. Eine Insolvenz jedoch könnte, je nach Vertrag, die Rechtslage ändern.

Bei der Pleite des DHC Rheinland 2011 etwa bestand der Insolvenzverwalter auf Zahlung einer Ablöse. Der heutige HSV-Torhüter Jens Vortmann gehörte schon damals zu den Betroffenen. Er steht nun wie Rechtsaußen Hans Lindberg auf der Wunschliste der Füchse Berlin.

Am Mittwoch will sich die Mannschaft erneut zum Training treffen. Gegner Magdeburg gab am Dienstag die Trennung von Trainer Geir Sveinsson bekannt. Einstweilen übernehmen Ex-SCM-Profi Bennet Wiegert sowie Torwartcoach Tomas Svensson, 2002 bis 2005 HSV-Keeper, seine Aufgaben.