Hamburg. Bundesligist droht schon am Montag die Insolvenz. Verwirrung um Patronatserklärung des Handballmäzens. U23 könnte einspringen.

Der Satz von Andreas Rudolph soll schon einige Jahre alt sein, und wer ihn damals gehört hat, mag ihn nicht ernst genommen haben: „Ich habe bei den HSV-Handballern das Licht angemacht“, sagte der Vereinsmäzen der Überlieferung zufolge, „und ich werde es eines Tages auch wieder ausschalten.“

Seit Donnerstagabend klingt diese Ankündigung sehr konkret. Bei einer zufälligen Begegnung am Hamburger Flughafen, Rudolph war nach eigener Aussage auf dem Weg nach München, sagte er einem Reporter des Radiosenders NDR 90,3: „Meiner Meinung nach ist der HSV nicht mehr zu retten.“ Und nein, er habe am Tage auch an keiner Krisensitzung teilgenommen, wie einige Medien angekündigt hatten.

Ob Rudolphs Aussage ernst zu nehmen oder, wie manche beim HSV vermuten, „nur eines dieser Spielchen“ ist, die er mit seinem Bundesligaverein zu treiben pflegt, vermag außer ihm selbst niemand einzuschätzen. Sicher ist: Die Antwort wird nicht mehr lange auf sich warten lassen können.

Am Montag droht die Insolvenz

Ein weiteres Gespräch mit Geschäftsführer Christian Fitzek am Donnerstag soll ohne Ergebnis geblieben sein. Fitzek hatte zuvor einen Plan vorgelegt, wie Rudolph schrittweise zu entlasten sei – bis zu einem vollständigen Rückzug Ende kommender Saison. Im Gegenzug sollte der Ahrensburger Medizintechnik-Unternehmer die Zahlungsfähigkeit des HSV wiederherstellen und auf die Rückzahlung seiner Darlehen verzichten.

Eine breit angelegte Rettungsaktion, wie Rudolph selbst sie angestrebt hat, kommt offenbar nicht zustande. Finanzamt wie auch Berufsgenossenschaft, denen der HSV hohe Umsatzsteuer- und Beitragszahlungen schuldet, sollen zu erkennen gegeben haben, dass sie dem Meister von 2011 nur entgegenkämen, wenn sämtliche Gläubiger auf einen bestimmten Prozentsatz ihrer Forderungen verzichteten.

Somit scheint klar: Allein Rudolph, der den HSV in der Saison 2004/05 vor der Insolvenz bewahrte und seither etwa 40 Millionen Euro für diesen Verein ausgegeben haben dürfte, kann sein Baby noch retten. Sollte er nicht noch einlenken, müsste Fitzek am Montag ein Insolvenzverfahren beantragen.

Ob Rudolph es so weit kommen ließe? Fitzeks Vorgänger Holger Liekefett stand im April vergangenen Jahres bereits vor dem Amtsgericht, als ihn Rudolph noch telefonisch zurückpfiff. Es ist auch eine Frage der Ehre: Rudolph erzählt gern und nicht ohne Stolz, dass bislang noch keines seiner zahlreichen Unternehmen pleitegegangen ist.

Abgesang durch Matthias Rudolph

Ein Insolvenzverwalter würde zudem unverzüglich Rudolphs Patronatserklärung einlösen. Nur dank dieser Sicherheit hatte der HSV überhaupt die Bundesligalizenz für die Saison erhalten. Sie soll sich auf einen Betrag zwischen zwei und drei Millionen Euro belaufen. Warum Fitzek die Auszahlung noch nicht durchgesetzt hat, wie von Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann indirekt gefordert, wollte er nicht beantworten: „Das sind betriebsinterne Abläufe, die ich nicht öffentlich diskutieren werde.“

Kommentar: HSV Handball verdient eine Zukunft

Offenbar hat es entsprechende Versuche bereits gegeben. Rudolph, 60, soll daraufhin mit rechtlichen Schritten gedroht haben. Auch habe er versucht, den Umfang seiner Gewährleistung nachträglich zu reduzieren: In einem gesonderten Schreiben sollen diverse Einnahmen, etwa aus dem Ticketing, aufgelistet sein, die mit der Patronatserklärung zu verrechnen seien.

In einem Insolvenzverfahren wäre dieses ergänzende Schriftstück vermutlich unwirksam, zumal es der Lizenzierungskommission nicht vorlag. Allerdings rechnet man im Verein damit, dass Rudolph auf die Bedienung von Darlehen an den HSV in Millionenhöhe pochen könnte, sollte er zur Auszahlung gezwungen werden. Rudolph selbst bezifferte den Finanzierungsbedarf des HSV im Gespräch mit NDR 90,3 auf abenteuerliche 12,5 Millionen Euro. Etwa zwei Drittel davon dürften etwaige eigene Forderungen sowie GmbH- und KG-Einlagen betreffen.

U23 könnte bis Saisonende einspringen

Es wäre wohl das vorläufige Ende des Erstliga-Handballs in Hamburg. Den Spielbetrieb bis Saisonende könnte theoretisch auch die U-23-Oberligamannschaft sicherstellen, in welcher Halle auch immer – auch der Barclaycard-Arena schuldet der HSV einen sechsstelligen Betrag. Der Verein müsste im Zuge eines Insolvenzverfahrens aber bis Ende April saniert sein, um den Zwangsabstieg zu vermeiden.

Rudolphs Bruder Matthias, 57, der die Mehrheitsanteile am HSV hält, soll am Mittwoch gegenüber Vertrauten bereits angekündigt haben, dass der grandios herausgespielte 36:29-Sieg gegen die Füchse Berlin das letzte HSV-Spiel gewesen sein könnte. Seine Ansprachen vor der Presse und in der Kabine („Es ist sehr schade“) werteten Eingeweihte als Abgesang.

Die Mannschaft selbst hat sich für dieses Wochenende frei gegeben. Es wird den Weltpokalsiegerbesiegern angesichts zweier ausstehender Monatsgehälter niemand verdenken, wenn sie von ihrem Verein für ein paar Tage nichts wissen wollen. Am Montag soll dann die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen den SC Magdeburg (20. Dezember) beginnen. Die Aufgaben von Trainer Michael Biegler, der bekanntlich bis Ende Januar ausschließlich die polnische Nationalmannschaft betreut, könnte der verletzte Allrounder Matthias Flohr übernehmen. Sofern das überhaupt noch notwendig ist.