Hamburg. Der Coach der Hamburger, die am Mittwoch in Litauen spielen, wurde einen Tag von einem Dokuteam begleitet. Das Resultat ist spannend.
Die Nacht war kurz. Am Dienstagmorgen schwang sich Benka Barloschky ausnahmsweise nicht aufs Fahrrad, um zur Arbeit zu gelangen. Stattdessen flog der umweltbewusste Cheftrainer der Veolia Towers Hamburg mit seiner Mannschaft schon um 9 Uhr via Frankfurt in die litauische Hauptstadt Vilnius. Von dort ging es knapp zwei Busstunden weiter nordwestlich nach Panevėžys, wo der gastgebende Club Lietkabelis die Wilhelmsburger an diesem Mittwoch (18 Uhr/MagentaSport) zum Duell im Basketball-EuroCup empfängt.
Barloschky ist ein Mann der Routinen. Und wenn schon seine morgendliche Radtour vom Wilhelmsburger Reiherstiegviertel, in dem er mit Gattin Marie sowie den Kindern Bruno und Lola lebt, zur Inselpark Arena ausfällt, so zumindest nicht die Joggingrunde an Spieltagen. Bei voraussichtlich sieben Grad Celsius scheucht der 36-Jährigen seine Co-Trainer Stanley Witt und Jacob Hollatz durch die 85.000-Einwohner-Stadt im Baltikum. Oder eher: Er wird gescheucht.
Veolia Towers Hamburg: Dokumentation über Trainer Benka Barloschky
„Laufen ist nicht so meins, aber für diese Saison habe ich mich der Trainergruppe großmäulig angekündigt“, sagt Barloschky in der Dokumentation „Dyn Gametime“, für die ihn der Streamingdienstleister einen Tag lang begleitet und Einblicke in Leben sowie Arbeit des gebürtigen Bremers erhalten hat. Es scheint ein erfüllter Alltag zu sein. Diesen Eindruck vermittelt Barloschky nicht nur mit Worten, sondern auch glaubhaft in seinem Wirken.
„Wir wollen bei den Veolia Towers eine Kultur schaffen, bei der alle gern zur Arbeit kommen. Ich glaube fest daran, dass Spaß und Freude die größten Antriebsfedern sind, wenn es hart auf hart kommt“, sagt Barloschky. Das ist nicht fehlzudeuten. Erfolg ist oberste Prämisse, aber die Route dorthin möchte der Coach mit positiven Gefühlen bestücken: „Mein Weg ist nicht der Königsweg, es gibt viele gute. Aber ich wäre nicht mehr authentisch, wenn ich herumschreien und die Spieler unter zusätzlichen Druck setzen würde.“
Towers-Trainer: „Die Spieler sollen keine Soldaten sein“
Er setzt auf Eigenverantwortung seiner Athleten. „Sie sollen keine Soldaten sein, die meine Befehle ausführen. Aus dieser Pflicht, den Prozess mitzugestalten, möchte ich sie nicht herauslassen. Sie sollen sich für das Ergebnis verantwortlich fühlen“, sagt Barloschky, ein intelligenter Mensch mit hoher sozialer Kompetenz und festem Wertekompass. Ihm bricht wahrlich kein Zacken aus der Krone, wenn ein Akteur einen Verbesserungsvorschlag offeriert.
Im Gegenteil: Bei den Towers ist das ausdrücklich erwünscht. Auch die Teamregeln werden aus der Mannschaft heraus in Zusammenarbeit mit Sportpsychologin Renate Eichenberger erarbeitet. Ob nun Handys in der Kabine oder Mützen beim Mittagessen erlaubt sind, entscheidet nicht Barloschky.
Hamburger wollen Erwartungshaltung schaffen, immer zu gewinnen
Was er sehr wohl vorgibt, sind die Abläufe an Spiel- und Trainingstagen. Sein eigener ist es, gut dreieinhalb Stunden vor einer Partie die Halle zu betreten, selbst noch ein paar Würfe zu nehmen. Wegen eines Beckenschiefstands musste Barloschky seine Spielerkarriere in der Regionalliga schon mit 25 Jahren beenden, im Anschluss wurde er Trainer, bei den Towers seit 2015 als Assistent, von Januar 2023 an als Chefcoach.
In die Rolle wuchs er schnell hinein. „Ich möchte bei meiner Mannschaft die Erwartungshaltung schaffen, dass wir jedes Spiel gewinnen. Aber der Grat zwischen Selbstvertrauen und Überheblichkeit ist schmal“, sagt Barloschky, der zum Ausdruck des Erstaunens an Satzanfängen oder -enden „Alter“ statt das in Hamburg gebräuchliche „Digga“ verwendet. Er ist überzeugt von seiner Herangehensweise, das wirkte anfangs mitunter etwas überbordend, war jedoch nie bewusst so gemeint. Jeder muss eben erstmal seine Rolle finden.
Osaro Jürgen Rich: „Benka ist ein stabiler Typ“
Abgeschlossen ist dieser Prozess ohnehin nie, was ganz nach Barloschkys Mantra ist. „Er hat sich über die Jahre extrem entwickelt“, sagt Osaro Jürgen Rich, der seinen Trainer schon lange kennt, „Benka ist ein richtig stabiler Typ.“ Während er im Training „sehr nervig“ sein könne, gibt er seinen Schützlingen im Spiel Halt.
„Sobald die Trikots angezogen sind, unterstütze ich nur noch, die Jungs sollen befreit spielen“, sagt Barloschky. Eindrucksvoll zeigt sich dies in einer Szene aus der Partie gegen den Syntainics MBC Weißenfels (75:96) mit Aufbauspieler Brae Ivey, die die Kameras und Mikrofone festhielten.
Towers droht in Litauen die nächste EuroCup-Niederlage
„Du willst jemanden auf dem Feld, der hart spielt. Jetzt spiele ich hart und werde ausgewechselt“, beschwerte sich der US-Amerikaner bei seiner Herausnahme für Youngster Jared Grey (19). Barloschky, dessen Team hoch zurücklag, legte ihm ruhig den Arm um die Schulter und erläuterte: „Alles in Ordnung, aber schau mal auf den Spielstand, da gebe ich lieber dem jungen Spieler ein wenig Einsatzzeit.“ Ivey akzeptierte die Begründung umgehend und klatschte mit seinem Coach ab.
Der Umgang mit Niederlagen, „mit diesen Nackenschlägen“, ist für den jüngsten Trainer der Basketball-Bundesliga die größte Herausforderung im Profisport. Von 13 Pflichtspielen in dieser Saison verloren die Towers zehn. In Panevėžys droht wegen der Ausfälle von Jaizec Lottie (leichte muskuläre Verletzung der Adduktoren) und Benedikt Turudić (Nacken) eine weitere.
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Unmittelbar nach Pleiten konfrontiert der Trainer seine Schützlinge nicht. „In der Emotion einer Niederlage kann man viele Beziehungen kaputt machen, die Kanäle sind dann sowieso nicht offen“, sagt er. Sein Verarbeitungsprozess beginnt schon direkt nach einer Begegnung: „Dann schaue ich mir das Spiel noch mal an und schneide das Video zusammen.“ Barloschkys Nächte sind lang.