Hamburg. Der 36-Jährige löste 2023 Raoul Korner ab, führte die Hamburger in die obere Tabellenhälfte der Bundesliga. Wer seine Arbeit besonders schätzt.

Diesen winterlich-kalten, sonnigen Sonntag, den er zunächst gar nicht als einen besonderen wahrnahm, genoss Benka Barloschky in Wilhelmsburg entspannt im Kreise seiner Familie mit seinen zwei Kindern Bruno (4) und Lola (2). Seiner Mannschaft hatte er frei gegeben, was allerdings ohnehin dem Trainingsplan in dieser Woche entsprach. Ein Jahr zuvor aber, am Abend des 7. Januar 2023, hatten sich die Ereignisse noch überschlagen.

Nach der 65:80-Heimniederlage und einer enttäuschenden, blutleeren Vorstellung der Veolia Towers Hamburg gegen den späteren deutschen Meister ratiopharm Ulm hatte Sportchef Marvin Willoughby (45) den erst ein halbes Jahr zuvor engagierten österreichischen Cheftrainer Raoul Korner (49) freigestellt und über Nacht dessen Co-Trainer Barloschky (36) zum Hauptverantwortlichen der Basketball-Bundesliga-Mannschaft befördert.

Benka Barloschky holte als Towers-Cheftrainer 21 Siege aus 60 Spielen

Eine Entscheidung, die sich zwölf Monate später als die offenbar richtige erwies. Mit dem 81:72 (22:25, 23:20, 20:11, 16:16)-Sieg am Sonnabend gegen die Löwen Braunschweig vor 3400 Zuschauern in der erst zum zweiten Mal in dieser Saison ausverkauften Wilhelmsburger edel-optics.de Arena feierte Barloschky mit den Towers seinen 21. Sieg im 60. Spiel als Cheftrainer. Was sich als eher mäßige Bilanz liest, wird bei genauerem Hinsehen zu einer Erfolgsgeschichte.

Schloss Barloschky das erste Halbjahr in seiner neuen Position mit neun Siegen und 22 Niederlagen ab, was einer Erfolgsquote von gerade mal 29 Prozent entsprach, steigerte er diese in der neuen Saison auf 41 Prozent, auf wettbewerbsübergreifend zwölf Siege, neun davon in der Bundesliga, zwei im EuroCup, einen im Pokal -- bei nur noch 17 Niederlagen (fünf in der Bundesliga, elf im EuroCup, eine im Pokal). In der Bundesliga gewannen die Towers acht der vergangenen zehn Spiele und setzten sich in der Play-in-Zone auf den Plätzen sieben bis zehn fest.

Barloschky hält auch unter starkem Druck an seinen Prinzipien fest

Es ist eben dieser Prozess, der Wil­lough­by heute sagen lässt: „Wir sind sehr erfreut, wie Benka das Team entwickelt hat. Das war alles andere als einfach bei einem Verein wie den Towers, der finanziell nicht aus dem Vollen schöpfen und seinen Trainern nicht alle Wünsche erfüllen kann. Benka hat uns gezeigt, dass er auf dem Weg ist, ein hervorragender Coach zu werden. Davon waren wir aber immer überzeugt.“

Seit 2015 gehört der gebürtige Bremer dem Trainerteam an, und bereits vor der vergangenen Spielzeit hatte Willough­by erwogen, ihn zum Nachfolger des zum Ligakonkurrenten Oldenburg abgewanderten Spaniers Pedro Calles (40) zu machen. Korner erhielt schließlich wegen seiner größeren Erfahrung den Vorzug.

„Benka hat die Mannschaft vor einem Jahr in einer sehr schwierigen, fragilen Situation übernommen. Wir hätten absteigen können, haben den Klassenerhalt dann zwei Spieltage vor Saisonschluss geschafft. Das war eine außergewöhnliche Leistung, die öffentlich nicht als solche gewürdigt wurde, intern aber schon.“

Sportchef Willoughby hatte stets großes Vertrauen in Barloschkys Arbeit

Selbst der holprige Saisonstart ließ Willoughby nicht an Barloschky zweifeln: „Auch in den anfangs klar verlorenen Spielen gab es stets viele Phasen, in der die Mannschaft ihr Potenzial gezeigt hat. Und weil wir täglich erlebten, wie intensiv und mit welcher tadellosen Einstellung die Spieler trainierten, weil wir wussten, dass das Innenverhältnis intakt ist, haben wir darauf vertraut, dass sich irgendwann die Ergebnisse einstellen. Jetzt sind sie da.“

Wobei Willoughby es ablehnt, seinen wichtigsten Angestellten allein nach Resultaten zu beurteilen: „Entscheidend sollte sein, was ein Trainer unter welchen Voraussetzungen aus einer Mannschaft macht. Dass am Ende kein Verein die Ergebnisse ignorieren kann, ist nun mal im Profisport bedauernswerte Realität, obwohl Spielglück und -Pech, Verletzungen und strittige Schiedsrichterentscheidungen unkalkulierbare Faktoren sind.“

Den Sportchef beeindruckt, dass Barloschky unter diesem Druck, „und den hatte er mehr als genug“, glaubwürdig geblieben ist. „Er hat seine Kultur des Respekts, der Ansprache und des Coachens etabliert. Er hat nicht angefangen rumzuschreien, als es schlecht lief, er hat an dem festgehalten, was er für richtig hielt.“ Willoughbys erteilt Barloschky deshalb das Premiumprädikat „sturmerprobt“.

Der US-amerikanische Trainer Mike Taylor war ein Vorbild Barloschkys

Sein Lehrmeister in dieser Beziehung sei der US-Amerikaner Mike Taylor (51), gewesen, erzählt Barloschky, jener Trainer, mit dem die Towers 2019 in die Bundesliga aufstiegen: „Obwohl es in unserer ersten Bundesligasaison neun Niederlagen in Serie gab, hat Mike nie seine gute Laune verloren. Er ließ weiter Musik beim Training spielen, weil er von seinen Methoden überzeugt war.“ Sein Credo sei gewesen, „du hast in der Saison drei Patronen, die du verschießen kannst. Gehe sorgsam damit um. Bleibst du nicht authentisch, nimmt das Team dich irgendwann nicht mehr ernst.“

Er profitiere jetzt von dem Zusammenhalt, „den wir uns seit diesem Sommer erarbeitet haben, und genießen einfach die gemeinsame Zeit“, sagt Barloschky, dessen aktueller Vertrag bei den Towers bis Juni 2025 läuft. Die Stimmung sei bei jedem bestens, „beim Essen können wir die Sitznachbarn tauschen, ohne dass die gute Laune darunter leidet“.

Hamburg Towers beobachten weiter aufmerksam den Spielermarkt

Dass die Towers im Gegensatz zu den vergangenen Jahren bisher niemanden nachverpflichtet haben, liege daran, „dass wir an die Spieler glauben, die wir haben, ihnen nicht zwangsläufig jemanden von außen vorsetzen müssen. Wir sind ein Ausbildungsverein, das ist unsere Identität. Dazu gehört, dass wir jungen Spielern Zeit geben.“ Es bestehe derzeit keine Not, Unruhe in die Strukturen einer intakten, charakterlich einwandfreien Gruppe zu bringen, sagt Barloschky. Dennoch beobachte der Verein aufmerksam den Markt, tausche sich mit Beratern aus, „und ich schließe nicht aus, dass wir noch jemanden holen, auch mit Blick auf die nächste Saison“.

Auf die Frage, was er sich für sein zweites Jahr als Cheftrainer der Towers wünsche, sagt Barloschky: „Dass am heutigen Montag alle Spieler gesund zum Training kommen.“

Punkte Veolia Towers Hamburg gegen die Löwen Braunschweig (81:72): Durham 20, Dziewa 14, Brauner 12, Christmas 10, King 8, Meisner 7, Wohlfath-Bottermann 7 (6 Rebounds), Hughes 3, Hinrichs, Krause, Möller.