Hamburg/Pukekohe. Der ehemalige Wedeler Sebastian Gleim ist der erste deutsche Basketballcoach in Neuseeland. Wie er dort lebt und arbeitet.
Sebastian Gleim saß auf gepackten Koffern und wartete auf einen Anruf aus Frankreich. Dort sollte Bundestrainer Gordon Herbert (65), dem er beim WM-Triumph der deutschen Basketballer assistiert hatte, den EuroLeague-Club Asvel Lyon-Villeuerbanneübernehmen und wollte den 39-Jährigen als Co-Trainer mitnehmen.
Doch der Deutsche Basketball-Bund verbot dem Kanadier eine Doppelfunktion. Gleims Telefon klingelte trotzdem – aus Neuseeland.
Basketball: Weltmeister-Co-Trainer Gleim coacht die Franklin Bulls in Neuseeland
Die Koffer konnte der gebürtige Bad Hersfelder, der von 2009 bis 2014 beim SC Rist Wedel coachte, gepackt lassen, denn für ihn stand schnell fest: „Der Vogel, der sich auf deine Schulter setzt, zwitschert nur einmal.“
Dieses Sprichwort gab ihm sein bulgarischer Schwiegervater als Ratschlag mit, als ihm Gleim vom Angebot erzählte, die Franklin Bulls aus der neuseeländischen Kleinstadt Pukekohe als Cheftrainer zu übernehmen. Soll bedeuten: „Für unsere Familie war der passende Zeitpunkt gekommen, ein Abenteuer im Ausland zu wagen“, sagt Gleim, Vater eines fünfjährigen Sohns und einer drei Jahre alten Tochter.
Ehemaliger Frankfurt- und Crailsheim-Trainer: „Neuseeland ist beeindruckend“
Seit Mitte März lebt Familie Gleim eine halbe Autostunde südlich von Auckland, und der Vogel zwitschert nun nicht nur einmal, sondern tagtäglich in der immergrünen Region. „Es lässt sich jetzt schon festhalten, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Das Land und vor allem die Natur ist gar nicht zu beschreiben und beeindruckender, als es jedes Foto wiedergeben könnte“, sagt Gleim, der in der Bundesliga zuvor die Frankfurt Skyliners und Crailsheim Merlins trainiert hatte.
Trotz aller privaten Verlockungen muss sich der Vizepokalsieger von 2022 allerdings nicht ins Gedächtnis rufen, weswegen er primär ans andere Ende der Welt gezogen ist. Gleim soll den noch jungen Verein in den zwei Jahren, die sein Vertrag vorerst gilt, strukturell aufbauen und an die Spitze heranführen.
Basketball-Coach Gleim hat gut eine Million Euro Budget zur Verfügung
Hohe Ziele formuliert er nicht, doch als prominentester Trainer der Liga sind Ambitionen und Erwartungen klar. Die ersten beiden Saisonspiele haben die Bulls gewonnen, darunter Titelverteidiger Canterbury Rams besiegt.
Die Rugby-Nation ist allerdings noch ein Basketball-Entwicklungsland. Rund eine Million Euro Budget hat Gleim zur Verfügung, das wäre in Deutschland unteres Zweitliganiveau. In Neuseeland gibt es eine harte Gehaltsobergrenze, die nicht überschritten werden darf.
Damit soll der Nachwuchs gefördert werden. Maximal drei Ausländer pro Team sind erlaubt, mindestens drei Youngster müssen dem Kader angehören, und vor jeder Ligapartie findet ein Kurzspiel über viermal vier Minuten statt, in dem nur einheimische Akteure auflaufen dürfen. Die Bulls beschäftigen fünf hauptamtliche Nachwuchstrainer, drei davon assistieren Gleim.
Im Sommer betreut Gleim den Weltmeister als Co-Trainer bei Olympia in Paris
„Die Spieler sind gut ausgebildet, vor allem ihre Mentalität imponiert mir. Generell sind die Menschen sehr hilfsbereit und teamorientiert. Auch bei uns im Verein arbeiten ganz viele ehrenamtlich“, sagt Gleim. Dass den ganzen Tag Rugby im TV rauf- und runterläuft, spiegele sich auch in der Einstellung der Neuseeländer wider. „Das sind richtig toughe Leute“, sagt der Hesse, der damit hervorragend auf die Insel passt.
Denn sein Programm zu Wedeler Zeiten war auch alles andere als entspannt. Parallel zur erfolgreichen Betreuung der Drittliga-Mannschaft arbeitete er damals zeitweise in Vollzeit als Physiotherapeut im Rissener Krankenhaus. Inzwischen kann Gleim längst vom Basketball allein leben und dadurch Abenteuer erleben.
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Im Sommer wird er wieder die Koffer packen, wenn terminlich alles passt. Dazu müssen noch Gespräch geführt, Regelungen getroffen werden, wieder wird viel telefoniert. Klappt alles, dann geht es gemeinsam mit Herbert wirklich nach Frankreich. Mit der Weltmeister-Mannschaft zu den Olympischen Spielen nach Paris.