Hamburg. Die Begegnung beim Bundesliga-Schlusslicht Hakro Merlins Crailsheim entscheidet sich erst in den Schlusssekunden.

Eine Zeitung erfüllt in gewisser Weise auch einen Bildungsauftrag. Den Unterschied des häufig begangenen sprachlichen Fehlers zwischen vermutlich, einem wahrscheinlich eintretenden Ereignis, und vermeintlich, dem Gegenteil dessen, herauszuarbeiten, könnte einer davon sein.

Und so soll dieser Bericht über das Duell der Veolia Towers Hamburg zum Jahresabschluss in der Basketball-Bundesliga bei den Hakro Merlins Crailsheim davon handeln, dass die Mannschaft von Cheftrainer Benka Barloschky aus vermeintlichen Mankos Profit schlug, zugleich aus einem Bonus zu wenig herausholte. Am Ende des Spiels wie des Jahres ging beim 89:84 (29:16, 16:26, 14:19, 30:23) gegen das Schlusslicht alles glimpflich aus.

Veolia Towers Hamburg gewinnen in Crailsheim

Zunächst die scheinbare Hiobsbotschaft. Schon nach etwas mehr als zwei Minuten wurde Center Aleksander Dziewa mit seinem zweiten Foul sicherheitshalber auf die Bank beordert, da ein Akteur nach dem fünften persönlichen Vergehen nicht mehr mitwirken darf. Sein Vertreter Jonas Wohlfarth-Bottermann fehlte allerdings wegen Kniebeschwerden.

Die Reaktion darauf? Mit fünf Außenspielern - der herausragende Kapitän Seth Hinrichs mimte nominell den Big Man - nutzten die Gäste ihre Schnelligkeitsvorzüge, um den Korb unbarmherzig zu attackieren.

Herausragendes erstes Viertel

Wenig später hielt Barloschky das Risiko für kalkulierbar, Dziewa wieder aufs Parkett zu schicken, da hatten sich die Hamburger per Dunking von Lukas Meisner bereits auf 24:12 (7.) abgesetzt. Spielmacher Aljami Durham verlor zwar einen Schuh, aber nicht den Ball.

Überhaupt war der Auftritt im Nordosten Baden-Württembergs ein anfangs hochkonzentrierter. Der Play-in-Kandidat hatte sowohl die dauerhaften Probleme im Ballvortrag, als auch die jüngsten in der Verteidigung unter Kontrolle. Zu Beginn glich das Geschehen gar einem Klassenunterschied.

Wilhelmsburger werden nachlässig

In der Defensive agierten die Towers variabel, streuten punktuell eine Raumverteidigung ein, erzeugten viel Druck. Aber den haben die Zauberer als Tabellenletzter ohnehin schon, und im Bewusstsein dessen gaben sie sich vor heimischem Publikum in der Arena Hohenlohe nicht vorzeitig geschlagen.

Die Wilhelmsburger wähnten sich nur auf der vermeintlichen Siegerstraße. Barloschkys Team ließ offensiv den Schlendrian einkehren und viel zu viele einfache Körbe liegen. Hinrichs vergab zwei Freiwürfe in Folge, Meisner offene Dreier, Mark Hughes sogar einen Dunk. In der Abwehr gab es nun Schwierigkeiten, die Rebounds zu kontrollieren, sodass die Partie zur Halbzeit wieder völlig offen war.

Kapitän Hinrichs: "Haben schlecht verteidigt"

"Wir haben im zweiten Viertel zu schlecht verteidigt, müssen wieder besser kommunizieren. Zugegebenermaßen sind die Kommandos in dieser lauten Halle schwierig zu verstehen", sagte Hinrichs im Pauseninterview.

Die Atmosphäre blieb emotionsgeschwängert, die Defensive stabilisierte sich. Nur vermeintlich erfreulich, denn die Offensive brach ein. Direkt nach dem Seitenwechsel schaffte Crailsheim den 45:45-Ausgleich, eine Minute später lag Hamburg erstmals zurück (45:47/21.).

Towers treffen schwach aus dem Feld

Egal ob Korbleger oder freie Dreier - es fiel so gut wie gar nichts. Über die kompletten 40 Minuten trafen die Towers schwache 41,9 Prozent aus dem Feld und fatale 18,5 aus der Distanz. Die Freiwurfquote war mit 76,2 Prozent zumindest akzeptabel und ein Grund dafür, dass sich die Merlins vor dem Schlussabschnitt nicht absetzen konnten.

Zu allem Überfluss gesellte sich auch noch Frustration hinzu. Dziewa kassierte ein technisches Foul, nachdem er sich über die aus seiner Sicht unfairen Entscheidungen der Schiedsrichter beschwert hatte. Wenig später ereilte den meckernden Barloschky das gleiche Schicksal.

Durham Matchwinner im Schlussviertel

Seinem Schicksal indes wollte sich der Favorit nicht kampflos ergeben. Durham nahm die Zügel in die Hand, hielt das Resultat ausgeglichen. Dziewa besorgte per Dreipunktspiel sogar wieder die Führung (74:72/36.), musste im Gegenzug aber mit seinem fünften Foul vorzeitig in den Feierabend.

Wieder schienen die Hausherren die Vorentscheidung zu erzwingen - wieder vermeintlich. Das 81:76 (38.) für Crailsheim bedeutete nur so lange etwas, bis Durham 39 Sekunden vor Ende aus der Mitteldistanz mit einem sanften Wurf daraus ein 82:81 für die Towers machte.

Topscorer: "Haben uns an unseren Plan gehalten"

Es folgten die dramatischen Schlussakte. Elf unbeantwortete Punkte in Serie waren Barloschkys Schützlingen bis zum 87:81 gelungen. Das Aufbäumen kam spät im Spiel, spät im Jahr, aber gerade richtig. Der Vorhang fiel mit einem Sieg, alles weitere war ausgelassener Jubel.

"Das war ein perfektes Ende von 2023, wenngleich wir es uns schwer gemacht haben. Allerdings hat uns die Erfahrung aus vielen knappen Partien geholfen. Wir wussten, wenn wir an unserem Plan festhalten, werden wir erfolgreich sein", sagte Matchwinner Durham.

Sechs Spieler punkten zweistellig

Mit acht Siegen aus 13 Spielen stehen die Hamburger auf einem guten achten Platz, der für die Play-ins reichen würde. 2024 könnte ein gutes Jahr für die Towers werden. Vermutlich.

Veolia Towers Hamburg: Durham (24 Punkte), Christmas (14), King (13), Hughes (11), Hinrichs (10), Meisner (10), Dziewa (5), Brauner, Möller, Krause.