Hamburg. Die deutsche Nationalmannschaft gilt bei der Weltmeisterschaft als Medaillenkandidat, weil der Verband die Jugend förderte.

Knapp ein Jahr vor Olympia in Paris scheint es schlecht um den deutschen Sport bestellt zu sein. Die Leichtathletik-WM in Budapest grenzt an ein Fiasko, die Volleyball-Frauen bekleckern sich bei der Heim-EM nicht mit Ruhm, im Handball ist die Weltspitze enteilt, und der deutsche Fußball gibt auf nahezu allen Ebenen ein desaströses Bild ab.

Ausnahmen sind die Hockey-Teams beider Geschlechter sowie die deutschen Basketballer, die von diesem Freitag an bei der WM in Japan, Indonesien und auf den Philippinen um den Titel spielen. Richtig gelesen: Ein Verband, dessen bislang einzige WM-(Bronze-)Medaille 2002 in den USA einzig und allein auf den Heldentaten Dirk Nowitzkis basierte, geht mit einer reellen Chance ins Turnier, den ganz großen Coup zu landen.

Deutschland mit Medaillenchance bei Basketball-WM

Der Weltverband Fiba ordnet Deutschland in seinem finalen Powerranking vor WM-Beginn auf dem zweiten Platz hinter den USA ein, die höchste Positionierung jemals. Diese subjektive Rangliste besitzt zwar einen überschaubaren Aussagewert, ist aber dennoch ein guter Gradmesser für das hohe Ansehen, das die Mannschaft von Bundestrainer Gordon Herbert genießt.

Daraus einen Medaillenanspruch – den das Team im Übrigen eindeutig hat und auch offen kommuniziert – abzuleiten, wäre angesichts der brutalen Vorrunden- und voraussichtlichen Zwischenrundengruppe vielleicht etwas hochgegriffen. Aber: Sollte die stärkste deutsche Basketball-Equipe der bisherigen Historie in Fernost leer ausgehen, wäre das zumindest eine kleine Enttäuschung. Denn die sportliche Qualität ist schier immens.

Elf von zwölf Nationalspielern in Topligen aktiv

Seit dem Wechsel des Hamburgers Justus Hollatz am Dienstag zum türkischen Meister Anadolu Efes Istanbul besteht die Nationalmannschaft aus elf Spielern, die entweder in der weltbesten Liga NBA oder der EuroLeauge, der Königsklasse des Kontinents, aktiv sind. Die einzige Ausnahme stellt David Krämer dar, der in diesem Sommer von den Basketball Löwen Braunschweig zu CB Granada nach Spanien wechselte – immerhin in die stärkste nationale Liga Europas.

Während viele andere Nationen einen eingebürgerten, im offiziellen Sprachgebrauch „naturalisierten“, US-Amerikaner ohne jeglichen Bezug zum Land nominieren, hat die deutsche Auswahl diese auf einen Akteur pro Mannschaft erlaubte Schummelei nicht nötig. Noch vor wenigen Jahren ein unvorstellbares Szenario, wenn ernsthafte Ambitionen bestanden. Wie konnte es so weit kommen?

DBB leistet gute Arbeit

Die Antwort findet sich an durchaus überraschender Stelle: beim Deutschen Basketball-Bund (DBB). Sportverbände können aus guten Gründen belächelt und oftmals auch kritisiert werden. Wer beim DBB nach umgestoßenen Fettnäpfchen sucht, wird schnell fündig.

Zuletzt verschlief der Verband beispielsweise, Johannes Voigtmann zu dessen 100. Länderspiel zu gratulieren. Die Posse um den von Kapitän Dennis Schröder unerwünschten Maxi Kleber wurde miserabel moderiert. Doch die Gesamtbilanz der Arbeit der vergangenen beiden Dekaden trübt dies unwesentlich.

Deutscher Basketball-Bund fördert Jugend

Gemeinsam mit den Bundesligen ergriff der DBB Mitte der 2000er-Jahre bahnbrechende Maßnahmen zur Förderung der eigenen Talente. Zunächst wurde eine U-19-Bundesliga eingeführt, wenige Jahre später die U-16-Eliteklasse.

Mit der Bundesliga (BBL), die in der damaligen Wild-West-Ära keine Ausländerbeschränkung hatte, wurde sich darauf geeinigt, dass von zwölf pro Spiel und Mannschaft einsetzbaren Akteuren mindestens sechs einen deutschen Pass besitzen müssen. In der 2. Bundesliga ProA ist es gar vorgeschrieben, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Deutsche auf dem Parkett zu stehen haben.

Bundesliga ergreift mutige Maßnahmen

Daraus ergab sich dennoch ein Problem: Die deutschen Spieler wurden schlicht zu gut, um sie in der BBL zu halten. Im Ausland wird vielerorts besser gezahlt, die Steuern sind niedriger, das Zuschauerinteresse höher. Wieder wurde reagiert.

Die BBL beschloss den couragieten Plan, dass ihre Clubs bis 2032 Mindestbudgets von sechs Millionen (bislang drei) aufweisen und in Hallen mit einer Kapazität von minimal 4500 Plätzen, in größeren Städten gar von 7000, spielen müssen. Dabei werden kleinere Standorte auf der Strecke bleiben. Doch die Ausrichtung ist die richtige. Anderen Verbänden würde ähnlicher Mut gut zu Gesicht stehen.