Hamburg. DBB-Sportdirektor Adam Ligocki über die Medaillenträume und darüber, wie er den nächsten Justus Hollatz hervorbringen möchte.
Die Koffer sind gepackt. Einen finalen Tag mit seiner Verlobten daheim in Münster gönnte sich Adam Ligocki am Montag noch, dann reist der Sportliche Leiter des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) mit der Nationalmannschaft zum Vorbereitungsturnier nach Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) und von da aus direkt weiter auf die japanische Präfektur Okinawa, wo am 25. August für Deutschland gegen die Gastgeber die WM beginnt. Zuvor hat sich der 40-Jährige Zeit genommen, um mit dem Abendblatt über die Aussichten des EM-Dritten von 2022 zu sprechen.
Hamburger Abendblatt: Herr Ligocki, haben Sie in Ihrem Koffer Platz für eine Medaille gelassen oder muss diese beim Rückflug um Ihren Hals baumeln?
Adam Ligocki: Ich hoffe, der Umfang ist groß genug dafür. (lacht) Aber im Ernst: Eine Medaille zu holen, ist ein realistisches, aber auch sehr hochgestecktes Ziel. Der Turnierbaum meint es nicht so gut mit uns, wir haben eine schwierige Gruppe mit Gastgeber Japan, Geheimfavorit Finnland und vor allem den Australiern erwischt, die Zwischenrunde verheißt womöglich Slowenien. Aber die Topnationen sind eng beieinander, ich glaube mindestens ans Halbfinale.
Wer sind Ihre Topfavoriten bei der WM?
Die USA, Kanada und Australien. Slowenien mit Luka Doncic, einem dem besten Spieler bei dieser WM, ist auch nicht verachten.
An Kanada sind die Deutschen nah dran. In den Testspielen gab es einen knappen Sieg und eine knappe Niederlage. Was macht die Mannschaft so stark?
Wir haben Qualität in der Spitze mit Dennis Schröder, dazu mit Franz Wagner nun einen weiteren Akteur mit Superstarpotenzial. Außerdem verfügen wir für jede Aufgabe über einen Spezialisten, die Jungs sind größtenteils im besten Alter und haben den Schwung aus der EM mitgenommen. Wir wissen nun, dass wir die Topnationen besiegen können. Ganz wichtig ist auch, dass Bundestrainer Gordon Herbert das Team sehr gut einstellen kann.
Was macht er besser als seine Vorgänger?
Besser würde ich nicht sagen, eher anders. Gordie gelingt es, ein sehr hohes Vertrauenslevel zu den Spielern aufzubauen, ihnen auch Freiheiten zu gewähren.
Wie kann man sich das vorstellen?
Beispielsweise hatten wir während der Vorbereitung in jeder Stadt einen Abend frei. An dem konnten die Spieler machen, was immer sie wollten. Es gibt aber zwei Regeln: Pünktlichkeit und Professionalität. Niemand darf etwas anstellen, das beeinträchtigen könnte, dass die Mannschaft am nächsten Tag besser wird.
Die aktuelle Nationalmannschaft ist hervorragend aufgestellt. Lässt sich dies vom deutschen Basketball generell behaupten?
Ich kann nur über meinen Bereich sprechen, in dem es zwar gut läuft, wir aber noch lange nicht am Ziel sind. In den vergangenen Jahren haben wir kontinuierlich NBA- und EuroLeague-Spieler hervorgebracht, die Damen haben die beste EM seit Jahrzehnten gespielt, auch im männlichen Nachwuchs deuten die Resultate auf viel Potenzial hin. Wenn wir die WM gut bestreiten, könnte auch quantitativ ein weiterer Schub einsetzen.
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Ist dieser Schub realistisch? Gab es tatsächlich einen Zuwachs nach der EM 2022?
Wir haben jetzt rund 30.000 Minis, nach der EM gab es einen riesigen Schwung neuer Mitglieder.
Wie wollen Sie aus diesen Minis Nationalspieler zu entwickeln?
Wir müssen noch besser darin werden, Talente zu identifizieren. Uns darf niemand mehr durchrutschen. Dabei achten wir vermehrt auf den relativen Alterseffekt. Einige sind Spätentwickler, deren biologisches Alter dem kalendarischen zeitweise hinterher ist. Diese Talente müssen mit gutem und unterhaltsamen Training bei der Stange gehalten werden, ehe sie an andere Sportarten verloren gehen.
Wie sieht denn der ideale deutsche Spieler aus, den Ihr System hervorbringen soll?
Das ist eine interessante Frage, die ich aber nicht beantworten möchte. Aus einem einfachen Grund: Sobald man im Raster denkt, fallen einige durch. Schauen wir uns die A-Nationalmannschaft an, darin befinden sich mehrere Akteure, die auf den ersten Blick in der Jugend nicht als großes Talent gegolten haben. Wenn Sie mich fragen, was ich mir wünsche, möchte ich einen 2,03 Meter großen Aufbauspieler. Dennis Schröder ist 20 Zentimeter kleiner, der wäre durchs Raster gefallen.
Gibt es dann Leitplanken, an denen sich die Ausbildung orientiert?
Im athletischen Bereich haben wir uns extrem verbessert, uns viel Knowhow in den Verband geholt. Einen Profisportlerkörper zu haben und diesen zu pflegen, ist im modernen Basketball eine Voraussetzung. Dazu möchten wir spielintelligente Akteure ausbilden, vor allem aber kreative, die uns durch individuelle Qualität etwas Besonderes auf dem Feld verleihen. Das wäre nicht mit starrem Rasterdenken möglich.
Wie beurteilen Sie die Arbeit am Standort Hamburg?
Beim Supercup haben wir uns sehr wohl gefühlt, waren beeindruckt von der Atmosphäre in ausverkaufter Halle. Mit den Veolia Towers Hamburg und deren Geschäftsführer Marvin Willoughby pflegen wir gute Beziehungen, er ist völlig unkompliziert, wenn es um das Abstellen von Nationalspielern geht. Die Jugendarbeit scheint auch nicht so schlecht zu sein, wenn ich unser Nationalteam ansehe.
Sie sprechen über Justus Hollatz.
Genau, Justus hat bewiesen, wie wertvoll er für diesen WM-Kader ist. Er ist unsere Zukunft auf der Aufbauposition.