Hamburg. Deutsche Nationalmannschaft zeigt sich beim Vier-Nationen-Turnier in Wilhelmsburg gereift. Ihr Vorbild wird geehrt.

Es hatte etwas von einem sich schließenden Kreis, als Dirk Nowitzki vom Englischen ins Deutsche wechselte. Nowitzki, der so gut wie alles und mit seiner sympathischen Art jeden gewonnen hatte, der einer der 15 besten Athleten seiner Sportart ist, bis dato der beste Europäer darin, der gerade in die Hall of Fame, die Ruhmeshalle des Basketballs, aufgenommen wurde, richtete Worte an Helga und Werner.

„Ihr habt so viel geopfert. Wenn ich nur ein halb so guter Vater werde, wie ihr Eltern wart, bin ich glücklich. Danke“, sagte der gerührte 45-Jährige. Bislang deutet alles darauf hin, dass der Würzburger seinen drei Kindern Malaika, Max und Morris ein guter Vater ist.

Basketball: Nowitzki in der Hall of Fame

Nichts würde mehr verwundern als etwas Gegenteiliges. Zudem gibt es bereits so etwas wie eine sportliche Evidenz über die herausragende Paternität des Rekordpunktesammlers der deutschen Nationalmannschaft.

Denn während Nowitzki in Springfield (US-Bundesstaat Massachusetts) vor Augen seines engen Freundes Marvin Willoughby, Geschäftsführer des Bundesligisten Veolia Towers Hamburg, mit den Tränen rang, nahmen dessen basketballerische Nachfahren beim Supercup in der Hamburger edel-optics.de Arena die nächste Hürde zur WM in Japan, Indonesien und auf den Philippinen (25. August bis 10. September), bei der Edelmetall gewonnen werden soll. Die erste Generation, die gesammelt während ihrer Kinder- und Jugendtage Nowitzkis Heldentaten beobachten konnte, ließ China im Halbfinale am Sonnabend beim 107:58 keine Chance.

Deutschland verliert gegen Kanada

Den Härtetest im Finale am Sonntagabend gegen die starken Kanadier vor abermals ausverkauftem Haus und 3400 Zuschauern verloren sie mit 112:113 nach Verlängerung. Kapitän Dennis Schröder musste jedoch im Schlussviertel und vor der Extraperiode mit fünf Fouls raus. Ein Gradmesser auf dem Weg zur möglichen Medaille in Asien.

Solche hehren Ziele sind inzwischen realistisch, auch ohne einen Superstar wie Nowitzki in den eigenen Reihen zu wissen, der 2003 in den USA mit Bronze bislang die einzige deutsche WM-Medaille maßgeblich verantwortete. Individuell sind viele der aktuellen Nationalspieler besser als ihre Vorgänger.

Generation orientiert sich an Nowitzki

Vielseitiger, technisch besser ausgebildet, athletischer sowieso. Die Evolution des Sports eben. Aber, der Eindruck lässt sich zumindest gewinnen, in den nicht messbaren Werten wie Auftreten, Einstellung und Sympathie haben sich die meisten an Nowitzki orientiert.

Der geerdete, stets freundliche Hamburger Justus Hollatz, der sein Heimspiel wegen eines Blutergusses im linken Oberschenkel verpasste, aber für die WM nicht gefährdet ist, ist ein Beispiel. Franz Wagner ein anderes, der nach zwei vielversprechenden Saisons beim NBA-Club Orlando Magic, bei dem er gemeinsam mit seinem Bruder Moritz spielt, als möglicher Nachfolger gehandelt wird.

Franz Wagner potenzieller Nachfolger

Sportlich wird der 21-Jährige mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Nowitzkis Vita angreifen können, dürfte aber in der kommenden Dekade Deutschlands bester Basketballer sein. In einer Hinsicht ist Franz Wagner bereits mit Nowitzki gleichgezogen.

In der NBA ist er einfach nur „Franz“, so wie Nowitzki „Dirk“ war. Eine Eigenart im US-Sport, Spieler, die sich einen gewissen Ruf, ein bestimmtes Niveau, erarbeitet haben, nur beim Vornamen anzusprechen.

Bundestrainer Herbert nimmt großen Einfluss

Was Franz herzlich egal ist. „Kann sein, dass das so ist, es gibt ja auch keinen anderen Franz in der Liga. Aber ich stecke da nicht so tief drin, halte mich von äußeren Einflüssen fern, die mir den Spaß am Spiel nehmen könnten“, sagt der jüngere Wagner-Bruder, der wie der fünf Jahre ältere beim Heimatbesuch in Berlin selbstverständlich sein Kinderzimmer bezieht. Fest verwurzelt, unprätentiös, neben dem guten Elternhaus ganz sicher auch in dieser Hinsicht von Nowitzki inspiriert.

Eindrucksvoll auch, was Bundestrainer Gordon Herbert (64) aus diesem so talentierten Spielerkreis macht. „Trainer wie Gordie hätten wir uns früher auch gewünscht, nicht, Per?“, fragte Verbandspräsident Ingo Weiss (59) den Ex-Nationalspieler und heute in Hamburg lebenden Fernsehexperten Per Günther (35) im TV-Interview rhetorisch.

Per Günther humoristischer Nowitzki

Eine Aussage, die gut als Spitze gegen Herberts Vorgänger interpretiert werden kann. Günther, humoristisch der Nowitzki des deutschen Basketballs, moderierte das Thema charmant weg, sagte: „Wir hatten früher auch gute Trainer. Mit Spielern wie mir im Team hätte auch Gordie nichts machen können.“

Dennoch ist nicht zu leugnen, welch großen Anteil Herbert am Aufschwung des Nationalteams besitzt. Seit Ende der Amtszeit Dirk Bauermanns 2011 gab es in Svetislav Pesic, Frank Menz, Emir Mutapcic und Chris Fleming entweder kurzzeitige oder erfolglose Bundestrainer oder in Henrik Rödl zwar einen, mit dem die Olympia-Qualifikation gelang, der jedoch kein sonderliches Standing im Verband und in der Mannschaft gehabt zu haben schien.

Nationalteam hat neuen Ziehvater

Nach Nowitzkis Rücktritt aus der Nationalmannschaft 2015 wirkte es, als würde den Jungs der Papa fehlen. Dieser Ziehvater ist Herbert mit seinem besonnenen und aparten Charakter.

Dem Kanadier – einem sehr guten Taktiker, was angesichts seiner menschlichen Qualitäten oft vergessen wird – ist es gelungen, eine exzellente Teamchemie zu erzeugen, indem er Nominierungen in der Regel an die Verpflichtung der Spieler bindet, nur in begründeten Ausnahmefällen abzusagen. Sein Mantra: „Nicht die besten Spieler aufstellen, sondern die, die am besten passen.“

Schröder erzielt die meisten Punkte

Und so passte es auch ins Bild, dass die Eltern unter den Nationalspielern an beiden Abenden in Hamburg noch lange nach den Spielen mit ihren Kindern über das Parkett tollten und den jungen Fans geduldig Autogramme schrieben. Die nächste Generation scheint auf dem Weg.

Deutschland: F. Wagner (20 Punkte gegen China/18 gegen Kanada), Schröder (17/26), Lo (17/11), Giffey (16/0), Theis (11/16), M. Wagner (9/8), Thiemann (8/10), Voigtmann (6/7), Bonga (3/1), Obst (0/12), Krämer (0/3).