Hamburg. Hamburger Basketballer halten nach enttäuschender Saison an ihrem Cheftrainer fest. Wie die Wilhelmsburger darüber hinaus planen.
Marvin Willoughby ist gewöhnlich ein Schnellredner. Charismatisch, dabei eloquent, obwohl sich die Worte bei seinen Sätzen manchmal überschlagen. Dieser Marvin Willoughby stammelte am Montagvormittag bei der Saisonabschluss-Pressekonferenz der Veolia Towers Hamburg, deren Sportchef er ist, ins Mikrofon, zupfte sich nervös am Kragen seines Poloshirts und suchte die passenden Ausdrücke, um Tabellenplatz 15 in der Basketball-Bundesliga sowie das Verpassen der selbstgesteckten Ziele zu begründen. Die Stimmung im VIP-Raum der edel-optics.de Arena glich der einer Trauerfeier.
„Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll“, sagte Willoughby, „ob Enttäuschung, Erleichterung oder Stolz über den unter diesen Umständen geschafften Klassenerhalt überwiegen.“ Gerade der Vergleich zum sonst impulsiven, offensiven Willoughby offenbart die Botschaft, die der 45-Jährige aber nicht sagen wollte, nicht sagen konnte: Dass die Hamburger eine völlig ernüchternde und frustrierende Saison hinter sich haben.
Barloschky "sehr stolz" auf Towers-Saison
Oder eben eine erfolgreiche. Denn als diese verkaufte Cheftrainer Benka Barloschky zur Linken Willoughbys die Spielzeit, in deren finalen vier Monaten er nach der Entlassung von Raoul Korner die Hauptverantwortung trug. Nun muss erwähnt werden, dass es sich hierbei nicht nur um stumpfe (Eigen-)Propaganda des 35-Jährigen bei seiner ersten Station als Headcoach eines Bundesligisten handelt. Barloschky musste ähnliche Herausforderungen meistern wie Korner, einer verunsicherten Mannschaft, der es an Führungskräften mangelte, Halt und Selbstvertrauen geben.
„Dass und wie uns dies gelungen ist, macht mich sehr stolz“, sagt Barloschky. Die Resultate unter ihm stellten sich nicht ein, seine Erfolgsquote – wenngleich schwierig zu vergleichen – lag zehn Prozent unter der seines Vorgängers, wovon sich der zweifache Vater jedoch nicht stressen lässt. „Es gab keine Woche, in der ich alle Spieler zur Verfügung hatte, den Prozess vernünftig vorantreiben konnte. Daher habe ich mich frei von Ergebnissen gemacht“, sagt Barloschky.
Vertrag von Barloschky wird verlängert
Sein Vertrag wird in den kommenden Wochen verlängert werden. Sobald er über den gebürtigen Bremer reden konnte, blühte Willoughby wieder auf: „Ich bin 100-prozentig überzeugt von Benka. Er hat sein außerordentliches Talent bewiesen, Menschen zusammen zu bringen. Ohne ihn wären wir abgestiegen.“
Ein indirekter Seitenhieb auf Korner. Dennoch belegen die Ergebnisse und Erfahrungen der vergangenen Monate, dass die Towers in erster Linie kein Trainer-, sondern ein Spielerproblem hatten. „Einige Akteure haben sich überschätzt, waren nicht die Führungskräfte, für die sie sich gehalten haben. Die Bereitschaft, sich zu entwickeln, war nicht so ausgeprägt, wie wir uns das gewünscht hätten“, sagt Willoughby, der schon früh „Dynamiken, die nicht gut waren“, beobachtet hat.
Korner Sündenbock für Spielervergehen
„Es sind schon während der Vorbereitung energetische Probleme aufgetreten, die zu früh akzeptiert anstatt bekämpft wurden“, sagt er. Dennoch hielt Willoughby „vielleicht zu lange“ an Störfaktoren wie Kendale McCullum und Marvin Clark fest, stattdessen wurde der angesehene Korner in seiner 24. Spielzeit erstmals entlassen.
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Aber diese Saison ist jetzt zu Grabe getragen, die Reinkarnation als „Team, das in die Play-offs will“, so Willoughby, soll von nun an erfolgen. Das Scouting werde er gemeinsam mit Barloschky, Co-Trainer Stefan Grassegger sowie externen Beratern übernehmen. Aus der bestehenden Mannschaft wird nur wenigen Spielern ein neues Angebot unterbreitet. Barloschky wünscht sich mehr Athletik und bessere Distanzschützen im Kader. Die Towers stellten die ineffizienteste Offensive aller 18 Bundesligisten.
Taylor und Philipps Kandidaten für Verlängerung
Die Profile, die der Trainer umreißt, sind ein Indiz dafür, dass der nachverpflichtete Ryan Taylor – mit 51,2 Prozent Dreierquote zielsicherster Werfer – ein Angebot erhalten wird. Nach Abendblatt-Informationen möchte der Club in diesem Sommer zunächst die ausländischen Positionen besetzen und hierbei weniger auf riskante Last-Minute-Transfers setzen. Dies schließt nicht aus, dass mit Defensivexperte Christoph Philipps über eine Verlängerung gesprochen wird.
Die Notwendigkeit, in der volatilsten deutschen Profiliga, die häufig nur Durchgangsstation ist, einen Kaderplaner zu beschäftigen, sieht Willoughby, der diese Aufgabe parallel zu seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer erfüllt, nicht. „Wir müssen unser Budget in einem sinnvollen Verhältnis auf die Mannschaft und die Strukturen aufteilen“, sagt der Vereinsgründer, der dabei auf hohe Energie-, Bau- und Lohnnebenkosten verweist.
Towers-Etat bei 5,5 Millionen Euro
Der neue Etat wird gut 5,5 Millionen Euro betragen, da die Sponsoringquellen sprudeln. „Dennoch sind wir nicht ausvermarktet, vor allem im EuroCup besteht Potenzial“, sagt Jan Fischer, kaufmännischer Geschäftsführer der Towers. Der EuroCup, an dem die Wilhelmsburger erneut teilnehmen wollen und voraussichtlich können, ist nicht nur ein Plus bei der Spielerrekrutierung, sondern auch finanzieller Natur. In der abgelaufenen Saison erwirtschafteten die Towers in diesem Wettbewerb einen Umsatz von gut 400.000 Euro, die Antrittsprämie beträgt 100.000 Euro.
Trotzdem dürfte es schwierig werden, die wenigen verlässlichen Leistungsträger im Team wie Anthony Polite oder den von externen Beobachtern kritischer gesehenen Center Yoeli Childs zu halten. „Wir sind nicht in der Lage, fertige Spieler zu holen oder welche, die auf das nächste Level gekommen sind, zu halten“, sagt Willoughby, der noch mehr auf den Charakter als Einstellungskriterium achten möchte.
Towers planen Spiele in Barclays Arena
Diese neuen Spieler könnten nächste Saison punktuell in der Barclays Arena auflaufen, in der die Towers Partien planen, sofern es der Terminkalender erlaubt. Für den geplanten Elbdome gibt es zwar einen Bauplatz, aber noch immer keinen Businessplan. Die Option von Heimspielen in den Messehallen hat sich erledigt: „Viel zu teuer“, sagt Fischer.
„Wir brauchen das Geld für Jans Urlaub“, scherzte der inzwischen wieder besser gelaunte Willoughby. Wohlwissend, dass ihm kaum Zeit für Urlaub bleibt, um in einem Jahr nicht ernsthaft trauern zu müssen.