Hamburg. Die Geschäftsführer Jan Fischer und Marvin Willoughby über sportliche Probleme der Basketballer, Perspektiven und neue Hallen.

Von einer besinnlichen Weihnachtszeit bei den Veolia Towers Hamburg zu sprechen, wäre nach zehn Niederlagen aus den vergangenen elf Spielen geradezu grotesk. Wir machen es im Interview mit den Geschäftsführern Marvin Willoughby (44/Sportliches) und Jan Fischer (42/Kaufmännisches) trotzdem. Wer will sich schon einen guten Einstieg kaputt machen lassen? Die Wilhelmsburger Basketballer, das zeigt sich im Gespräch, lassen sich ihre Festtagslaune schließlich ja auch nicht verderben.

Hamburger Abendblatt: Herr Fischer, Herr Willoughby, Weihnachten ist ein Fest der Freude und Besinnlichkeit. Welches Gefühl überwiegt bei Ihnen, wenn Sie auf das bewegte Jahr 2022 zurückblicken?

Jan Fischer: An erster Stelle Freude. Freude darüber, dass wir nach zwei Jahren Corona-Einschränkungen auf fast allen Gebieten in den Status der Normalität zurückkehren konnten; dass die Leute in die Halle zurückgekommen sind, zuletzt waren wir in der Bundesliga dreimal in Folge ausverkauft. Freude darüber, dass wir wieder in den Schulen Basketball anbieten dürfen und unser Verein, der Hamburg Towers e.V., jetzt knapp 550 Mitglieder hat, mehr als vor Corona. Wir haben mit Veolia einen Namenssponsor gefunden. Das Geschäft mit unseren Partnern hat sich besser entwickelt, als wir es Anfang des Jahres erwartet hatten.

Marvin Willoughby: Auch wenn Sie das jetzt überraschen mag, wir haben uns auch sportlich in die richtige Richtung entwickelt, nicht im Sprinttempo, aber Schritt für Schritt. Wir kriegen keine Schnappatmung, wenn wir wie aktuell mal ein paar Spiele in Folge verlieren. Wir denken, planen und handeln langfristig. Niederlagen und Siege sind Momentaufnahmen. Wir wollen uns in der Bundesliga als Play-off-Team etablieren und im EuroCup gegen andere Organisationen behaupten, die ein Vielfaches mehr ausgeben als wir. Da sind wir weiter auf dem richtigen Weg. Es geht bergauf, nicht steil, aber bergauf, selbst wenn das in der Tabelle nicht sofort abzulesen ist.

Wo sehen Sie dann diese Fortschritte?

Willoughby: Es geht bei aller Tagesaktualität auch darum, Talente zu finden, zu fördern, sie in eine Bundesligamannschaft zu integrieren, für Durchlässigkeit zu sorgen. Das ist anspruchsvoll. Mit Justus Hollatz ist uns das zuletzt beispielhaft gelungen. Für die Schnittstelle Jugend/Bundesliga haben wir im Sommer mit Fabian Villmeter eigens einen Koordinator angestellt. Und übrigens: Die Towers stellen bei Mädchen und Jungen in jeder Altersklasse mindestens eine Mannschaft.

Dennoch: Wettbewerbsübergreifend ein Sieg aus den vergangenen elf Spielen muss Sie doch beunruhigen?

Willoughby: Wir müssen uns von diesen Gefühlsschwankungen freimachen. Das mag eine journalistische Sicht der Dinge sein, es ist aber keine sportlich professionelle. Wir sehen die Rahmenbedingungen, die sportlichen und finanziellen Möglichkeiten unserer Konkurrenten im Vergleich zu unseren. Unter diesen Aspekten werden wir nicht nervös. Wir sind weiter überzeugt davon, mit unseren eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten im Sommer einen guten Kader, eine gute Gruppe zusammengestellt zu haben. Dass der Kader bei den Belastungen nicht tief genug sein könnte, wenn alle drei, vier Tage ein Spiel ansteht, wenn Krankheiten oder Verletzungen dazu kommen, über dieses Risiko waren wir uns im Klaren.

Veolia Towers Hamburg: Willoughby beobachtet Transfermarkt

Ein bei Ihnen auf der Geschäftsstelle plakatiertes Motto lautet: „Wir können nicht verlieren, wir können nur gewinnen oder lernen“. Welche Lehren ziehen Sie aus der momentan sportlichen Situation?

Willoughby: Wie gesagt: Perspektiven und Entwicklungen stehen bei uns als Organisation im Vordergrund. Der EuroCup etwa stellt uns vor große sportliche und organisatorische Herausforderungen. Hier haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren viel gelernt, über das, was wir schon leisten können und über das, was wir künftig leisten müssen, wollen wir in dieser Liga mitspielen. Wenn Sie aber nur darauf hinauswollen, ob wir uns nach Verstärkungen umsehen...

Auch das wollen wir natürlich wissen ...

Willoughby: … dann kann ich mich nur wiederholen. Wir beobachten ständig den Markt, das gehört dazu. Aber wir glauben an das Team, das wir jetzt haben. Gäbe es Spieler, die zu uns passen, die uns sofort weiterbringen, dann auch noch bezahlbar sind, entsteht eine neue Situation. Nur: Bisher haben wir keinen gefunden, der unsere Anforderungen erfüllt.

Trainer Raoul Korner steht nicht infrage?

Willoughby: Wenn dem so wäre, hätten wir das doch bereits im Abendblatt gelesen. Nein! Selbstverständlich nicht!

Wir haben den Eindruck, dass die Towers mehr ins Umfeld, in Strukturen investieren als ins Team. Insbesondere die Umbauten für die neue Trainingshalle beim TuS Harburg sind kostspielig. Dafür ließe sich ein Bundesligaspieler des gehobenen Niveaus verpflichten, der Ihnen vielleicht viele typische Journalistenfragen erspart hätte.

Fischer: Beides kann man nicht direkt in Beziehung setzten. Die Trainingsfläche wird im erheblichen Umfang für den Breitensport genutzt, wofür der Towers e.V. eine großzügige Unterstützung der Alexander Otto Stiftung erhalten hat, da es in Wilhelmsburg an Sportflächen fehlt. Wollen wir sportlich auf allen Ebenen wachsen, brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen. Dies ist auch eine Investition in die Zukunft des Basketballstandorts Hamburg. Eine eigene, gut erreichbare Trainingshalle gehört dazu, für den Nachwuchs, für die Profis. Das wird sich auszahlen, auch bei der Rekrutierung neuer Spieler. Die wollen wissen, unter welchen Bedingungen sie trainieren.

Veolia Towers Hamburg: So ist der Stand bei Elbdome und Quartiersporthaus

Als Lösung hierfür war das Quartiersporthaus in Wilhelmsburg angedacht. Da hören wir seit zwei Jahren, demnächst würde hier etwas passieren. Passiert ist bis heute nichts.

Fischer: Aktuell läuft das Anhandgabeverfahren für das Grundstück, und wir sind mit der Politik und den Behörden im konstruktiven Austausch, wie wir das Vorhaben trotz der extrem gestiegenen Baukosten realisieren können. Neben einer Optimierung der Sportflächen wurde uns auch weitere finanzielle Unterstützung von der Stadt in Aussicht gestellt, um das Quartierssporthaus trotz der schwierigen Umstände zu realisieren. Im Süden Hamburgs fehlt ein solches Zentrum für den Breitensport. In Wilhelmsburg und Veddel sind im Verhältnis zur Bevölkerung weit weniger Menschen Mitglied in einem Sportverein, weil ebendiese Sportflächen und somit zusätzliche Angebote fehlen.

Wann rechnen Sie mit der Fertigstellung des Quartiersporthauses?

Fischer: Wir hoffen auf Ende 2026. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es auch erst in 2027 so weit ist.

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Größere Fortschritte scheint es dagegen beim Elbdome, der geplanten Mehrzweckhalle für bis zu 9000 Zuschauende, zu geben. Mit dem Huckepackbahnhof Rothenburgsort ist nach jahrelanger Suche ein Bauplatz gefunden worden. Steht die Finanzierung?

Fischer: Die Veolia Towers Hamburg werden weder Besitzer noch Betreiber des Elbdomes, sondern nur Mieter. Daher können wir zum Stand der Finanzierung nichts sagen.

Mit den Messehallen könnte sich für die Zwischenzeit eine neue Spielhalle auftun. Messechef Bernd Aufderheide sagte diese Woche im Abendblatt, die Messe habe für 3,8 Millionen Euro mobile Tribünen gekauft und behauptete, „im nächsten Jahr werden hier Basketballspiele stattfinden“.

Willoughby: Wir haben diesbezüglich keine konkreten Pläne, aber wir haben immer gesagt, dass wir gern einmal unser Zuschauerpotenzial austesten würden. Gäbe es dafür eine größere Halle als unsere Wilhelmsburger edel-optics.de Arena mit ihren 3400 Plätzen, sind wir dafür offen. Ich erinnere daran, dass wir für den April 2020 die Barclays Arena für unser Spiel gegen Bayern München gebucht und 12.000 Tickets verkauft hatten. Die Partie musste dann wegen Corona ausfallen.

Fischer: Es ist immer eine Frage der Kalkulation. Unterm Strich bleibt bei 5000 Zuschauenden in der Messe nicht unbedingt mehr übrig als bei 3400 in Wilhelmsburg. Das hängt von der Miete (im Gespräch sind 30.000 bis 35.000 Euro pro Spiel, die Red.), dem Auf- und Abbau der Tribünen, Transport von Korbanlagen und Hallenboden sowie und der weiteren Infrastruktur ab. Erst wenn wir mehr Informationen haben, können wir diesbezüglich eine Entscheidung treffen.

Willoughby: Selbst, wenn wir künftig mal in der Messe, in der Barclays Arena oder anderswo auflaufen sollten, unsere Heimat bleibt die edel-optics.de Arena.

Nachhaltigkeit soll bei den Towers eine noch größere Rolle spielen

Unverändert bleibt auch Ihr Narrativ, als sozial engagierter, sportlich ambitionierter Stadtteilverein über den Sport Teilhabe, Bildungschancen und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Im nächsten Jahr werden die Towers zehn Jahre alt, wäre es da nicht an der Zeit, neue Themenfelder zu entwickeln, die Ihnen auch bei der Vermarktung der Towers erheblich helfen könnten?

Willoughby: Was Sie beschreiben, ist unsere Identität. Die zählt auf Dauer. Dafür haben wir viele Menschen und Unternehmen in den vergangenen Jahren begeistern können. Warum sollten wir unsere Überzeugungen aufgeben? Soziale Nachhaltigkeit und Gemeinschaft sind vielleicht aktueller denn je.

Fischer: Die easyCredit Basketball-Bundesliga hat zuletzt mehrere Workshops zum Komplex Nachhaltigkeit abgehalten. Gerade die Themen Abfallvermeidung, Schaffung von Wertstoffkreisläufen und Recycling bei unseren Heimspielen ist etwas, mit dem wir uns aktuell beschäftigen. Dafür steht ja auch unser Namenssponsor Veolia. Ich gebe nur zu bedenken, dass wir zweieinhalb Jahre ganz andere Probleme hatten, dass wegen Corona zwischenzeitlich alles still stand. Da ging es für uns in erster Linie ums Überleben.

Willoughby: Ich habe keine schlaflosen Nächte, weil wir uns überlegen müssten, wie wir dem einen oder anderen Sponsor mehr gefallen könnten. Wir haben unsere Werte. Wir sehen uns als Gemeinschaft, nehmen jeden mit, entwickeln daraus unsere Stärken. Das ist uns in den vergangenen neun Jahren gut gelungen, und wird uns auch in den nächsten neun Jahren und noch länger tragen. Und daran wird auch die eine oder andere weitere sportliche Niederlage nichts ändern. Die Towers sind „More than Basketball“. In diesem Sinne auch Ihnen fröhliche Weihnachten!