Hamburg. Bernd Aufderheide zieht eine überraschend positive Jahresbilanz – und investiert in neue Geschäftsfelder.
HansePferd und Oohh!-Freizeitmesse abgesagt, Internorga und die Produktionsfachmesse Nortec um Monate verschoben – Anfang des Jahres deutete manches darauf hin, dass 2022 für die Hamburg Messe und Congress GmbH (HMC) wirtschaftlich zu einem weiteren Horrorjahr, dem dritten in Folge, werden könnte. Umso erstaunlicher ist, dass Bernd Aufderheide, der Vorsitzende der Geschäftsführung des städtischen Unternehmens, jetzt eine ungewöhnlich positive vorläufige Jahresbilanz zieht. „2022 war eines der stärksten Jahre in der Geschichte des Unternehmens“, sagt er.
Hamburgs Messechef macht das vor allem am Umsatz fest. Im zweiten Pandemie-Jahr 2021 hatten die Erlöse gerade einmal bei 28 Millionen Euro gelegen. In diesem Jahr haben sie sich absehbar mehr als verdreifacht. „Wir werden die Marke von 100 Millionen Euro überschreiten“, sagt Aufderheide. Damit sei der Umsatz „bereits wieder auf dem Niveau von 2018. Wahrscheinlich sogar ein bisschen höher.“
Messe Hamburg: „Die große Frage war, ob die Menschen wiederkommen“
Der Vergleich mit 2018 ist realistischer als einer mit dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019. Denn in geraden Jahren finden in den Messehallen unter dem Fernsehturm die besucher- und umsatzstarken Windenergie- und Schiffbau-Messen WindEnergy und SMM statt. In ungeraden Jahren pausieren die Fachmessen mit Ausstellern und Besuchern aus aller Welt – mit Folgen für die HMC-Bilanz.
Weil 2022 ein gerades Jahr ist, war Aufderheide schon Anfang des Jahres und trotz der zahlreichen Absagen und Verschiebungen von Veranstaltungen im ersten Quartal durchaus optimistisch gewesen. „Die große Frage war, ob die Menschen wiederkommen“, sagt er jetzt rückblickend. Die Antwort lautet; Ja, aber ... „Bei Fachmessen erholen sich die Besucherzahlen sehr viel schneller als bei Publikumsmessen“, sagt Aufderheide. Die Veranstaltungen, die von Endkunden und Verbrauchern besucht werden, litten zudem unter einem starken Kostendruck, den man zu spüren bekam.
HansePferd "wirtschaftlich nicht mehr tragfähig"
Genau das ist der Grund, warum Hamburgs Messegesellschaft unlängst die traditionsreiche HansePferd endgültig aus ihrem Kalender gestrichen hat. 2020 und in diesem Jahr war sie wegen der Pandemie ausgefallen, eine Neuauflage 2024 nach dann sechsjähriger Pause wird es nicht geben. „Die HansePferd war schon bei ihrer letzten Auflage wirtschaftlich nicht mehr tragfähig“, so Aufderheide.
Ein wichtiger Grund: Die Shows und die beliebte Pferde-Gala, die Gäste anlocken sollen, hätten extrem hohe Kosten verursacht. Zudem gebe es höhere Auflagen und weiter steigende Kosten – etwa für Tierärzte – wenn lebende Tiere in geschlossenen Räumen präsentiert werden. Nicht zuletzt, so Aufderheide, sei es sehr aufwendig, die Hallen zu reinigen, nachdem dort Vierbeiner gezeigt worden sind.
Kurzarbeit seit dem Frühjahr beendet
Nach Verlusten in Höhe von 58 Millionen Euro 2020 und 47 Millionen Euro im vergangenen Jahr, kann und will sich die Messegesellschaft verlustreiche Veranstaltungen nicht mehr leisten. „Wir konzentrieren uns auf das, womit wir Gewinn machen können. Das ist nicht zuletzt die Erwartung der Gesellschafterin“, sagt Aufderheide mit Blick in Richtung Stadt. sie wird allerdings – und das trübt die ansonsten gute Jahresbilanz dann doch – auch für dieses Jahr rote Zahlen ausgleichen müssen. Wie hoch der Verlust 2022 war, das kann und will der Messechef schon vor Ende des Jahres und der Bilanzpressekonferenz im Januar nicht preisgeben. Nur so viel: „Wir haben ihn ganz erheblich senken können.“
Die Kurzarbeit, die zeitweise für mindestens 80 Prozent der Beschäftigten galt, ist seit dem Frühjahr beendet. „Wir hatten richtig viel zu tun“, sagt Aufderheide. Und dass die HMC eine der wenigen Messegesellschaften in Deutschland war, die ohne Entlassungen durch die Pandemie gingen, erfüllt ihn sichtlich mit Stolz
„Wir haben 3,8 Millionen Euro in mobile Tribünen investiert"
Gut 30 sogenannte Gastveranstaltungen haben in diesem Jahr auf dem Messegelände stattgefunden. Die HMC wird dabei von anderen Veranstaltern dafür bezahlt, dass sie die Hallen bereitstellt und Dienstleistungen erbringt. Hinzu kamen noch etwa 40 Veranstaltungen im CCH, dessen fünf Jahre dauernder Umbau seit April beendet ist. Zuletzt war das Congress Center Schauplatz zweier großer Medizinerkongresse mit jeweils mehr als 6000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Gastveranstaltungen sind dramatisch wichtig für uns“, sagt Aufderheide.
Die Messe hat auch deshalb trotz der lange schwierigen Situation massiv investiert, um mehr solcher Gastveranstaltungen organisieren zu können. Aufderheide nimmt dabei auch neue Formate wie Konzerte und Sportveranstaltungen in den Blick. „Wir haben 3,8 Millionen Euro in mobile Tribünen mit 4900 Plätzen investiert. Mit ihnen lässt sich eine Messehalle binnen weniger Stunden zur Konzert- oder zur Sporthalle umbauen, das hat zuvor Tage gedauert.“
„Wir werden Basketballspiele in einer Messehalle sehen“
Der Messechef verspricht sich viel davon: Hallen für 3000 bis 6000 Zuschauer seien rar in der Stadt, es gebe bereits erste Anfragen und konkrete Pläne: „Wir werden Basketballspiele in einer Messehalle sehen.“ Mehr will er dazu derzeit noch nicht sagen.
Selbst organisiert und wirtschaftlich verantwortet hat die Messegesellschaft in diesem Jahr zwölf größere Messen. Darunter waren mit der gleichzeitig zur Wind-Energy stattfinden Wasserstoff-Fachmesse H2Expo und der Games-Publikumsmesse Polaris zwei Premieren. Wie die im zweiten Krisenjahr 2021 etablierte Photopia rund um zeitgemäße Fotografie, Bewegtbild und Bildbearbeitung sollen sie jährlich stattfinden – und so die Besucherzahlen stabilisieren. In diesem Jahr wurden in den Messehallen und im CCH um die 500.000 Gäste gezählt.
Messe Hamburg: Veranstaltungskalender gut gefüllt
Und wie wird das kommende Messejahr 2023? Der Veranstaltungskalender der HMC ist gut gefüllt, allein im Januar gibt es – das steht bereits fest – fünf mehrtägige Veranstaltungen, darunter die Hochzeitsmesse und das Spirituosen-Event HanseSpirit. Dieses wird über insgesamt drei Tage gehen.
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Klar ist aber auch, dass sich Folgen des Krieges gegen die Ukraine wie hohe Energiepreise und Kaufzurückhaltung der Verbraucher auf die Branche auswirken werden. Aufderheide sagt trotzdem: „Ich denke, es wird ein ordentliches Jahr. Zumindest die Folgen der Pandemie werden wir aber wohl erst 2024 überwunden haben.“