Hamburg. Headcoach Charles Jones erklärt im Abendblatt-Gespräch, weshalb man Ceesay und Maack zurückholte zusätzlich zu US-Spielmacher Haire.
Das vergangene Jahr bei den Hamburg Sea Devils hat sich für Charles Jones offenbar nicht nur sportlich, sondern auch sprachlich gelohnt. Das wird schnell deutlich, als sich der US-amerikanische Headcoach mit einem breiten Grinsen zum Videogespräch mit dem Abendblatt einwählt. „Moin, moin“, ruft Jones in bestem Hamburgisch, „und einen guten Tag!“ Seine Brötchen bestelle er beim Bäcker schon länger auf Deutsch, erzählt der 63-Jährige mit seinem typisch amerikanischen Akzent, ehe er dann doch wieder ins Englische wechselt.
Mit dem Hamburger American-Football-Team war Jones, der bereits im Trainerstab der NFL-Teams Miami Dolphins, Carolina Panthers und Cleveland Browns arbeitete , im vergangenen September erst im Finale der European League of Football (ELF) unterlegen. Nicht nur beim 15:27 gegen das österreichische Spitzenteam Vienna Vikings wurde deutlich, dass die Hamburger vor allem auf der Quarterbackposition nachlegen müssen. In Salieu Ceesay (24) hatten die Seeteufel als eines von nur zwei ELF-Teams auf einen deutschen Spielmacher gesetzt, der Rest der Liga importierte Profis aus den USA.
Bei Hamburg Sea Devils ist Qualität aus Übersee gefragt
Nach dem Ende der Saison kamen die Verantwortlichen schnell zu dem Entschluss, künftig wieder auf Qualität aus Übersee zu setzen. „Wir hatten das Gefühl, dass wir uns auf der Quarterbackposition verstärken müssen, insbesondere in Bezug auf unser Passspiel. Da waren wir in der vergangenen Saison ligaweit nur auf Platz elf“, sagt Jones. Und: „Wir mussten nicht nur unsere Spieler, sondern auch die Offensive-Coordinator-Position verbessern. Das haben wir mit der Verpflichtung von Brett Morgan getan.“
Im US-Amerikaner Preston Haire, der vom 3. Juni an seine erste Footballsaison in Europa bestreiten wird, haben die Hamburger im vergangenen Dezember einen neuen Passgeber gefunden. Der 25 Jahre alte Texaner war in seiner Collegezeit bei den Oklahoma Baptist Bisons zwar nur in der zweitklassigen NCAA Division II unterwegs, konnte dort aber mit mehrfachen Auszeichnungen auf sich aufmerksam machen, was ihm eine Einladung in ein Trainingscamp des NFL-Teams New Orleans Saints bescherte.
„Preston Haire ist für den Gegner sowohl mit seiner Beweglichkeit als auch mit seinem Passspiel gefährlich. Er ist schnell und präzise in seinen Bewegungen“, sagt Jones über den mit 1,83 Metern für Football-Verhältnisse eher kleinen Spielmacher.
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Angesichts der Verpflichtung Haires, der einen von nur vier US-amerikanischen Importplätzen im Kader einnimmt, war schnell deutlich, dass sowohl der Lübecker Ceesay als auch der Hamburger Moritz Maack nicht mehr auf den Platz des Starting Quarterbacks hoffen dürfen. Der 25 Jahre alte Maack hatte Ceesay in der vergangenen Saison zeitweise als Nummer eins mit guten Leistungen vertreten, sich im Halbfinale 2022 aber schwer an der Schulter verletzt.
Ceesays Rolle bei Hamburg Sea Devils ist kompliziert
Umso erstaunlicher, dass sowohl Maack als auch Ceesay im Januar erneut einen Vertrag bei den Hamburgern unterschrieben. Während Maack zukünftig als Ersatz für Haire bereitstehen soll, ist Ceesays Rolle deutlich komplizierter. „Moritz war es wichtig, bei uns zu bleiben und hier wieder richtig fit zu werden. Das haben wir natürlich nicht abgelehnt“, erklärt Jones die Rückkehr des früheren Hamburg-Huskies-Quarterbacks. „Wenn wir im Frühling in die Vorbereitung starten, wird Moritz noch in der Reha sein. Sali hat somit die Möglichkeit, mit Preston und unserem Quarterback-Coach zu arbeiten und besser zu werden.“
Wenn Maack allerdings wieder fit ist, soll sich nicht nur Ceesays Rolle, sondern voraussichtlich auch seine gesamte Position ändern. Nach der vergangenen Saison, in der er mit seiner Athletik und Geschwindigkeit für einige Höhepunkte, mit seinem wackeligen Wurf aber auch für noch mehr Unsicherheiten gesorgt hatte, trauen ihm die Sea-Devils-Verantwortlichen die Rolle des Spielmachers für die neue Spielzeit nicht mehr zu. Und da Maack mit seinem stabilen Wurf ein nahezu perfekter Ersatzmann auf der Quarterbackposition ist, hat Ceesay in dieser Positionsgruppe kaum noch eine Perspektive. „Offensiv werden wir Dinge tun, die Moritz gut liegen“, kündigte der neue Offensive Coordinator Brett Morgan an. Zu Ceesay sagte er: „Er ist ein Footballspieler, den wir, egal wo, auf dem Feld einsetzen wollen.“
Headcoach Jones: Keine Unruhe in der Kabine
Die athletischen Fähigkeiten des 1,94 Meter großen Spielers wollten sich die Sea Devils nicht entgehen lassen. „Sali ist einer der besten Athleten in der Liga. Er hat in seiner Karriere schon als Wide Receiver und Defensive Back in der GFL gespielt. Er macht uns nicht nur als Quarterback besser“, stellt auch Jones klar. Ceesay soll zukünftig so etwas wie ein Schweizer Taschenmesser sein, also dort helfen, wo er gebraucht wird. Eine solche Rolle ist im Football zwar eher selten, in diesem Fall aber schlüssig.
Auch zwischen Ceesay und Maack, die sich privat gut verstehen, werde es im internen Kampf keine Streitigkeiten geben, meint Jones. „Die Situation für Sali und Moritz ist nicht perfekt“, räumt der Headcoach zwar ein. „Es wird aber keine Unruhen in der Kabine geben, weil der eine sich nicht vor den anderen stellen wird. Sie sind gewohnt, zusammen zu arbeiten, und sind abseits des Platzes miteinander befreundet.“
Nachdem die Offensive der Sea Devils in der vergangenen Saison vor allem über das Laufspiel gefährlich wurde, soll es in dieser Saison wieder mehr Touchdownpässe geben. Der überragende Runningback der vergangenen Spielzeit, Glen Toonga, läuft nach seinem Kokainskandal (Abendblatt berichtete) zukünftig ohnehin für Ligakonkurrent Rhein Fire auf.
Ursprünglich wollten die Seeteufel auch im vergangenen Jahr über das Passspiel gefährlich werden, hatten in Lamar Jordan und Jean Constant deshalb gleich zwei der offensiven US-Importplätze mit Wide Receivern besetzt. Sie bekamen unter Ceesay allerdings deutlich zu wenig Gelegenheiten, um sich auszuzeichnen. Mit Haire und dem von Ligakonkurrent Wroclaw Panthers verpflichteten US-Receiver Malik Stanley soll das künftig besser werden. „Wir wollen in dieser Saison eine ausbalancierte Offensive haben. Malik Stanley ist ein fantastischer Neuzugang, er ist einer der dominantesten Spieler der Liga“, sagt Jones, ehe er sich zum Ende des Gesprächs wieder auf Deutsch verabschiedet. „Tschüs“, sagt er und grinst, „bis zum nächsten Mal!“