Hamburg. Wie der Sprung in die Bundesliga durch eine kreative und zum Teil auch unpopuläre Personalpolitik gelang. Worum es jetzt geht.
Es ist vollbracht. Der FC St. Pauli hat vorzeitig das geschafft, worüber die Spieler und Verantwortlichen des Vereins fast bis zuletzt immer nur in teilweise schon albern wirkenden Umschreibungen gesprochen haben – den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga.
Dieser Erfolg ist die Krönung einer überwiegend begeisternden, überzeugenden und insgesamt sehr konstanten Saison, auch wenn es zuletzt ein klein wenig, aber eben nicht mehr entscheidend gerumpelt hatte – wie bei der einzigen Heimniederlage gegen Elversberg oder der Niederlage im Stadtderby. Letztere ist nur noch eine Marginale angesichts der historischen Tatsache, dass der FC St. Pauli nun erstmals in einer höheren Liga als der HSV spielen wird.
St. Paulis Aufstieg ist trotz namhafter Konkurrenten keine Überraschung
Überraschend ist St. Paulis Aufstieg keineswegs. Nach der grandiosen Rückrunde der vergangenen Saison mit 41 Punkten war das Millerntorteam schon im vergangenen Sommer als heißer Anwärter gehandelt worden – trotz der der prominenten Bundesliga-Absteiger Schalke 04 und Hertha BSC und auch trotz eines HSV, der sich erneut verbal offensiv den Aufstieg auf seine Fahnen geschrieben und einen finanziell deutlich höheren Aufwand als St. Pauli betrieben hatte.
Im Gegensatz zur Entwicklung vor zwei Jahren, als das Team – ebenfalls nach einer starken Rückrunde der Vorsaison – eine sehr erfolgreiche Hinrunde spielte, dann aber aus vielerlei Gründen einbrach und nur Fünfter wurde, hielt jetzt das gesamte Kollektiv den gewachsenen Erwartungen und dem damit verbundenen Druck stand – und zwar sowohl fußballerisch, aber vor allem auch mental.
Trainer Hürzeler ist der Baumeister, Sportchef Bornemann der Architekt
Dass dieser Aufstieg unmittelbar das Resultat der nun anderthalbjährigen Arbeit von Fabian Hürzeler als Cheftrainer ist, steht außer Frage. Mit einer für einen 31-Jährigen erstaunlichen Konsequenz und Unbeirrbarkeit hat er der Mannschaft ein grundsätzliches Spielkonzept implementiert, das auch für erfahrene Spieler sehr anspruchsvoll, in Teilen variabel, und vor allem erfolgreich ist.
Besonders bemerkenswert ist, dass Hürzeler nach Siegen nie Euphorie verfiel, sondern gefühlt mehr Kritikpunkte am Spiel seines Teams anführte als nach den nur fünf Niederlagen. Er schaffte es auch, dass sich sein eigener, monatelanger Vertragspoker, bei dem auch ihm letztlich gewisse Grenzen aufgezeigt wurden, nicht negativ auf die Mannschaft auswirkte.
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Wenn Hürzeler der Baumeister des Aufstiegshauses ist, dann ist Sportchef Andreas Bornemann der Architekt dieses Projekts. Knapp fünf Jahre nach seiner Amtsübernahme erntet er jetzt den Lohn seiner höchst konsequenten, aber gerade auch deshalb bisweilen kritisch betrachteten Personalpolitik. Mit keinem einzigen Profi, der schon vor seinem Amtsbeginn im Sommer 2019 im Kader stand, verlängerte er den Vertrag. Spätestens jetzt ist nicht mehr zu bestreiten, dass die Runderneuerung und der Verzicht auf jegliche Folklore bei Personalentscheidungen genau richtig und zielführend waren.
Bester Teamgeist seit vielen Jahren
Viele der von ihm verpflichteten Spieler waren hierzulande eher unbekannte Größen, als sie kamen, und sind heute Leistungsträger. Seine Trefferquote ist bemerkenswert hoch, was den einen oder anderen unglücklichen Transfer verschmerzen lässt. Hinzu kommt, dass der Teamgeist in der Mannschaft ganz offensichtlich der seit Jahren beste ist, was sicher auch, aber längst nicht allein an den vielen Siegen lag. Ursache und Wirkung wechseln sich in diesem Punkt oft ab.
Bei aller Begeisterung aber muss auch festgestellt werden, dass es längst an der Zeit war, dass der FC St. Pauli 13 Jahre nach seinem letzten Abstieg einmal wieder in die Bundesliga zurückkehrt. Es war die längste Wartezeit zwischen einem Ab- und einem Aufstieg in St. Paulis Profifußball-Historie. Dass andere Clubs, die finanziell teils deutlich geringer ausgestattet waren, in all diesen Jahren vormachten, wie man aufsteigt, hatte die St.-Pauli-Anhänger durchaus geärgert..
Politisches Engagement und Erfolg widersprechen sich nicht
Schnell wurde daher die These bedient, dass das offensive politische und soziale Engagement des Millerntor-Clubs für zu viel Ablenkung vom Kerngeschäft Profifußball sorgt. Einen Nachweis für einen logischen Zusammenhang gab es dafür allerdings nicht. Die aktuelle Saison hat nun bewiesen, dass beides erfolgreich möglich ist, wenn sich die jeweiligen Protagonisten voll auf ihre Aufgaben konzentrieren.
Mit dem Bundesliga-Aufstieg beginnt für Sportchef Bornemann und Trainer Hürzeler nun umgehend die Aufgabe, den Kader gezielt und geschickt so zu optimieren, dass der Klassenverbleib in der höchsten Spielklasse nicht nur eine frommer Wunsch, sondern eine realistische Möglichkeit ist.
St. Pauli benötigt keinen umfangreichen personellen Umbruch
Auch in der jüngeren Vergangenheit haben Clubs mit ähnlichen, teilweise schlechteren Grundvoraussetzungen gezeigt, dass dies möglich ist. Ein umfangreicher personeller Umbruch ist dafür nicht nötig, er wäre wahrscheinlich sogar kontraproduktiv, weil dann das auch menschlich so gut funktionierende Gebilde destabilisiert werden könnte. Punktuelle Verstärkungen allerdings sind, vor allem im Angriff, definitiv nötig.