Hamburg. Das Podcaster-Duo des „Sechzehner“ bezieht Stellung zum Derby zwischen dem HSV und St. Pauli, Trainerwechseln und dem Stadionerlebnis.

Am Freitagabend will Michael Born ins Kino gehen. Der Film? Völlig egal. Hauptsache, möglichst wenig vom Stadtderby zwischen dem HSV und FC St. Pauli mitbekommen, das um 18.30 Uhr im Volksparkstadion angepfiffen wird.

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Das mag sich seltsam anhören für einen hauptberuflichen Fußballreporter, und ganz ernst gemeint ist es auch nicht, aber dazu muss gesagt werden, dass der DAZN-Kommentator eben auch leidenschaftlicher HSV-Fan ist. Und der möglichen Schmach, einen Aufstieg des Erzrivalen im eigenen Stadion mitzuerleben, möchte man dann doch lieber vorziehen, „den Abend mit einer Decke über dem Kopf“ zu verbringen, sagt Born im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“.

Podcast-Millerntalk: Lienen und Born sprechen über den HSV und FC St. Pauli

Das Problem: Die Decke schützt zwar vorübergehend davor, das Resultat zu Ohren zu bekommen, „aber es kommt nicht so sehr auf laut und leise und die Tonqualität an, sondern mehr auf den Inhalt“, stellt Ewald Lienen klar. Nicht nur beim HSV oder FC St. Pauli, sondern generell, also auch bei Podcastaufnahmen. Und darin ist das Duo seit mehr als 200 Folgen im „Sechzehner“ bestens aufeinander eingespielt – selbst, wenn Lienen und Born gar nicht Gastgeber, sondern Gäste im „Millerntalk“ sind.

Geschlagene 17:04 Minuten dauert es, bis die Aufnahme beginnen kann. Genau die richtige Zeitspanne für die beiden, sich warm zu frotzeln und um technische Hürden mit präzisen Hinweisen („Du musst da einfach reingehen“) und dankbaren Repliken („Ja toll, ich höre noch nichts“) zu überwinden. Endlich Fokus aufs Wesentliche, den Inhalt.

Ehemaliger Bundesliga-Trainer klagt an: „Leben in einer Welt, in der nur Profit im Vordergrund steht“

Und der ist gewohnt tiefgründig. Born lieferte die Stichworte, Lienen die Expertise – explizit, ohne Experte zu sein. „Ich war mal Trainer, das ist etwas anderes, als mich als Experte zu bezeichnen, weil ich vielleicht mal Profi war, wenn überhaupt“, sagt Lienen, der 25 Saisons als Trainer, darunter drei auf St. Pauli, arbeitete, ehe er auf Borns Grinsen hin einlenkt: „Ich höre schon auf.“ Aber eigentlich fängt der 70-Jährige erst richtig an.

Bei vermeintlich standardisierten Sportfragen nimmt der Westfale gern die Makroperspektive ein. So auch, als es darum geht, was beim HSV in dieser Saison schon wieder schiefgelaufen ist und ob dies mit dem Aus von Sportvorstand Jonas Boldt einhergehen sollte: „Wenn wir über Nachhaltigkeit, Klimawandel, Ungerechtigkeiten reden, dann hängt das oft damit zusammen, dass wir in einer Welt leben, wo der Profit im Vordergrund steht, ohne Rücksicht auf Verluste.“

„Sechzehner“-Podcaster über den Trainerwechsel beim HSV

„Und im Sport hat sich das eben auch in diese Richtung entwickelt, dass jeder nur an sich denkt, der Spieler, die Zuschauer, die Journalisten“, sagt Lienen. Dabei werde häufig der Kontext vergessen. „Die spielen alle drei Tage, fliegen dabei um die halbe Welt, sehen ihre Familie kaum, müssen immer den Erfolg abliefern. Da muss man ein Gefühl dafür entwickeln, dass es sich auch um Menschen handelt und nicht um Maschinen.“

Born übernimmt also die Einschätzung und meint, der HSV hätte Steffen Baumgart zu spät als Nachfolger von Tim Walther auf der Trainerposition verpflichtet. „Das hätte spätestens in der Winterpause passieren müssen“, sagt der 55-Jährige. Dass es nicht passierte, hatte den charmanten Vorteil, Baumgart – mit dem beide befreundet sind – Anfang Februar zur offiziell 200. Sendung nach Hamburg in einen Livepodcast einzuladen. Eine Woche später wurde es seine neue Heimat.

Lienen lobt St. Paulis Trainer Hürzeler für dessen Offenheit

Die künftige Heimat des FC St. Pauli, für den Lienen von 2014 bis 2022 in unterschiedlichen Funktionen tätig war, dürfte die Bundesliga werden. Bereits ein Sieg beim HSV würde reichen.

Ein verdienter und nachvollziehbarer Erfolg, meint Lienen, der Cheftrainer Fabian Hürzeler für dessen Offenheit lobt, Experten in seine Arbeit zu involvieren wie Teamcoach Hinnerk Smolka. An dem erfreue ihn am meisten, dass er heutzutage noch mit Notizblöcken arbeiten würde. Lienen erhielt früher den Beinamen „Zettel-Ewald“, weil er während der Spiele akribisch alle Beobachtungen mitschrieb.

DAZN-Kommentator: „Lage in den Stadien ist besser geworden, Pyros sind super kreativ“

Wo wir schon beim Beobachten sind: Born und Lienen schauen sich mit Vorliebe Pyro-Choreografien der Fans an. „Da sind super kreative Sachen dabei, wie bei St. Pauli mal das mit dem Schiff, aus dem die Leuchtfeuer kamen. Das Schönste wäre, wenn man da irgendeine Lösung findet, die legal ist“, sagt Born über das nach wie vor verbotene Abbrennen von bengalischen Feuern. Lienen pflichtet bei: „Das hat etwas mit Identität und Identifikation der Fans zu tun. Ich finde das toll, was unter der Woche passiert, dass die da zusammen an etwas arbeiten.“

Generell sei die teilweise populistische Kritik aus der Politik an den Fans rund um Fußballspiele überzogen. „Wir haben ganz andere Probleme in der heutigen Gesellschaft. Ich finde, grundsätzlich ist die Lage in den Stadien eher besser als schlechter geworden“, sagt Born, der als Kommentator regelmäßig in deutschen Stadien unterwegs ist.

Am Freitagabend ist er privat im Volkspark. Man kommt als Fan eben doch nicht aus seiner Haut. Und schon gar nicht am Spieltag ins Kino. Immerhin sei beim HSV ja sowieso immer für beste Blockbuster-Unterhaltung gesorgt.