Hamburg. Nach dem 1:0-Sieg gegen Hansa Rostock stehen die Kiezkicker als Stadtmeister und Relegationsteilnehmer fest.

Das Ausmaß der Provokation war dann doch schon erstaunlich. Freilich hatte sie ihre Geschichte, wie immer bei Spielen zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock.

In diesem Fall die, dass die Gästefans im Millerntor-Stadion in Folge ihrer sich in Zerstörungswut abzeichnenden Abneigung gegen Keramiktoiletten diesmal nur 40 dafür angeschafften Dixiklos nutzen durften. Aber ein eigenes Lied des Künstlers Tommy Molotow, in dem dieser Umstand verhöhnt wird, vor dem Anpfiff einzuspielen, trägt nicht unbedingt zur Beruhigung der angespannten Situation bei.

FC St. Pauli besiegt Hansa Rostock

Dennoch blieb es vergleichsweise entspannt, und ein Griff ins Klo war die Begegnung zumindest für die Mannschaft von Cheftrainer Fabian Hürzeler ebenso nicht. Durch den 1:0 (0:0)-Heimsieg holte sie sich nicht nur die Tabellenführung der Zweiten Liga vorübergehend zurück, nun fehlen nur noch fünf Punkte, um ganz sicher in die Bundesliga aufzusteigen. Vermutlich dürften schon weniger reichen. 29.163 Zuschauer – zumindest fast alle von ihnen – feierten die bevorstehende Krönung und ihr Siegerteam.

Noch dazu steht der FC St. Pauli jetzt erstmals seit 70 Jahren als Stadtmeister fest. Der HSV hat keine Chance mehr, nach Punkten aufzuschließen. Die Teilnahme an der Relegation ist ebenso abgesichert.

Der größte Gewinn am Freitagabend war aber ohnehin, dass in einer Partie zwischen den beiden Erzrivalen von dieser Stelle an rein über das Sportliche berichtet werden kann. Wenngleich das Geschehen auf dem Rasen anfangs nicht an das auf den Rängen heranreichte.

Kiezkicker finden gegen Erzrivalen schlecht ins Spiel

Da gab es einen Fernschuss von Rostocks Sebastian Vasiliadis (7.), der war wie der Molotow-Song, ein bisschen drüber. Von St. Pauli gab es: herzlich wenig, wobei alles Herzliche für die Hansa ohnehin überraschend gewesen wäre.

Stattdessen mühten sich die Hamburger gegen das hohe Pressing der Ostseestädter. Ein kontrollierter Spielaufbau genoss Seltenheitswert, was sich über die Anzahl der Fehlpässe nicht behaupten ließ. Schlimmer noch: Der Abstiegskandidat generierte Gelegenheiten daraus, die im Perea-Vasilj-Triple resultierten.

Torwart Vasilj rettet St. Pauli dreimal

Dreimal kam es zum Duell zwischen Hansa-Stürmer Juan José Perea und St.-Pauli-Keeper Nikola Vasilj. Die gute Nachricht für die Gastgeber: Ihr seit Wochen herausragender Schlussmann gewann jedes Mal. Zunächst blieb er nach einem Konter lange genug vor dem Kolumbier stehen (19.); dann lenkte er dessen Flachschuss gerade noch so um den Pfosten (33.); schließlich hielt er den Abschluss aus der Drehung fest, als der Angreifer im Radius, kaum größer als ein Dixiklo, um die eigene Achse rotierte (44.).

Bei der einzigen Gelegenheit der Hausherren mangelte es dem allein auf Markus Kolke zueilenden Johannes Eggestein an Tempo wie an Übersicht für den mitgelaufenen Oladapo Afolayan. Ex-HSVer – noch so ein Erzrivale – Jonas David klärte im letzten Moment (41.). Als die Kiezkicker dann etwas mehr Spielkontrolle gewannen, war Halbzeit.

In der zweiten Halbzeit übernehmen die Hamburger

In dieser dürfte so mancher St.-Pauli-Fan vor Nervosität die stillen Örtlichkeiten, die Hansa-Anhänger ihre Dixiklos aufgesucht haben. Die Sorge war nur auf einer Seite begründet, denn nach dem Seitenwechsel zelebrierten den Fußball, der sie in die Bundesliga führen wird.

Druckvoll, handlungsschnell, spielintelligent. Den qualitativ limitierten Mecklenburgern gingen zunehmend die Ideen aus.

Kapitän Irvine bringt St. Pauli per Kopfball in Führung

Bei Standards haben die Braun-Weißen hingegen nahezu immer welche. Nach einer Ecke von Marcel Hartel war es die eher unkonventionelle (und vermutlich auch unbeabsichtigte) von Kapitän Jackson Irvine, den Ball aber Hinterkopf und Schulter ins Tor zu befördern (52.). Nur ein Zweitligaspieler kommt in dieser Saison ebenfalls auf vier Treffer nach Eckstößen – Teamkollege Eggestein.

Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 34 / 62:36 / 69
2. Kiel 34 / 65:39 / 68
3. Düsseldorf 34 / 72:40 / 63
4. HSV 34 / 64:44 / 58
5. Karlsruhe 34 / 68:48 / 55
6. Hannover 34 / 59:44 / 52
7. Paderborn 34 / 54:54 / 52
8. Fürth 34 / 50:49 / 50

Der durfte im Anschluss bis in die Nachspielzeit hinein fleißig anlaufen und somit den Gegner in Schach erfolgreich in Schach halten. Denn gefährlich wurde es für die Kiezkicker zu keinem Zeitpunkt mehr. Glücklicherweise auch nicht auf den Tribünen. „Es ist menschlich, zu verspüren, dass es jetzt um etwas geht“, sagte Hürzeler zum bevorstehenden Aufstieg.

Aufstieg in die Bundesliga im Volksparkstadion?

Den kann der FC St. Pauli am kommenden Freitag (18.30 Uhr), sofern Fortuna Düsseldorf an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) beim FC Schalke 04 verliert, im Volksparkstadion mit einem Sieg beim HSV den Aufstieg perfekt machen. Und den Stadtrivalen damit auf sportliche Weise größtmöglich provozieren.

FC St. Pauli: Vasilj - Nemeth, Wahl, Mets - Saliakas, Irvine, Kemlein, Metcalfe (85. Dzwigala) - Afolayan (87. Amenyido), Eggestein (90.+2 Boukhalfa), Hartel.
FC Hansa Rostock: Kolke - David, van der Werff (75. Stafylidis), Rossipal - Fröling (70. Pröger), Bachmann (84. Singh), Dressel, Strauss - Vasiliadis (70. Kinsombi), Ingelsson - Perea (84. Gudjohnsen).
Tor: 1:0 Irvine (52.). Schiedsrichter: Hartmann (Wangen). Zuschauer: 29.163 (ausverkauft). Gelbe Karten: Hartmann, Perea (4), Ingelsson (9), Strauß (2), Stafylidis (4). Statistiken: Torschüsse: 7:7; Ecken: 6:6; Ballbesitz: 61:39 Prozent; Zweikämpfe: 111:73; Laufleistung: 119,7:116,8 Kilometer.