Hamburg. Was Politiker und Polizeigewerkschaft angesichts zunehmender Gewalt fordern und warum ein Aufstieg St. Paulis die Lage entspannen kann.

Ungezählte Mannschaftswagen der Polizei, Wasserwerfer und Hunderte von Polizisten in voller Schutzmontur rund um ein Fußball-Stadion und auf den Anreisewegen – diese Szenerie an diesem Freitag rund um das Millerntor-Stadion wird sich eine Woche später am Volksparkstadion wiederholen. Diese umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen sind nötig, um Krawalle anlässlich der Zweitligaspiele zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock an diesem Freitag und des Stadtderbys zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli weitgehend zu vermeiden.

Starke Rivalitäten und eine offenbar wieder zunehmende Gewaltbereitschaft unter bestimmten Fangruppen, seit nach der Corona-Pandemie die Zuschauer-Beschränkungen aufgehoben wurden, hat inzwischen auch die Politik und die Polizeigewerkschaften auf den Plan gerufen. Zuletzt hatte sich Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dafür ausgesprochen, dass die stark rivalisierenden Clubs Eintracht Braunschweig und Hannover 96 künftig gegenseitig auf die Zulassung von Auswärtsfans verzichten sollen.

Niedersachsens Innenministerin gegen Auswärtsfans im Derby

Anlass dafür waren Ausschreitungen bei Hin- und Rückspiel beider niedersächsischer Traditionsclubs in der Zweiten Liga sowie ein beiderseits massiver Einsatz von Pyrotechnik während beider Spiele. „Die Ministerin ist bemüht, gemeinsame Lösungen mit den Vereinen zu finden – das begrüßen wir ausdrücklich“ sagte jetzt Patrick Seegers, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG). „Dass alle Beteiligten sich bemühen, reicht aber nicht aus. Es fehlt das klare Bekenntnis massiv und entschieden gegen die Randalierer vorzugehen. Lippenbekenntnisse kennen wir seit Jahren, das reicht nicht“, so Seegers weiter.

Beim niedersächsischen Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen stieß das Ansinnen der SPD-Innenministerin allerdings auf Ablehnung. „Die unterschiedslose Bestrafung aller Fußballfans ist jedenfalls kein geeignetes Instrument, um zur Deeskalation beizutragen, sondern dürfte den notwendigen intensiven Dialog unnötig erschweren“, sagt der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Michael Lühmann, diesem Verlag.

Grüne halten Ansinnen der Ministerin für falsch

In Hamburg ist derweil auch im sechsten Jahr der gemeinsamen Zweitliga-Zugehörigkeit des HSV und des FC St. Pauli ein Verbot von Gästefans kein konkretes Thema. Auch die Überlegung, zum Spiel gegen Hansa Rostock die Zahl der Karten für den Gästeblock deutlich zu reduzieren, wurde schnell als wenig zielführend eingeschätzt. Die Gefahr, dass dann etliche gewaltbereite Hansa-Anhänger ohne Ticket im Umfeld des Stadions randalieren könnten, wurde als zu hoch eingeschätzt.

Unterdessen hat der Lieferant der mobilen Toiletten, das Hamburger Unternehmen Otto Dörner, den Rostocker Anhängern in Aussicht gestellt, für jede dieser Toiletten, die am Freitagabend unbeschädigt bleibt, 100 Euro für die Nachwuchsarbeit des FC Hansa Rostock zu spenden. Maximal könnten dies also 4000 Euro sein.

4000 Euro Prämie für Rostock, wenn mobile Toiletten heil bleiben

Hintergrund ist, dass beim vorherigen Spiel der Rostocker im Millerntor-Stadion die Sanitär-Anlagen im Gästeblock weitgehend zerstört worden waren. Die Keramik-Trümmer wurden dann zum Teil als Wurfgeschosse auf Heimfans und Polizisten benutzt.

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Ein Aufstieg des aktuellen Tabellenzweiten FC St. Pauli könnte im Übrigen die Lage einigermaßen entschärfen. Duelle mit Hansa Rostock und wahrscheinlich auch mit dem HSV würde es in diesem Fall zumindest für eine Saison nicht mehr geben. Ebenso gäbe es auch keine Spiele gegen den Dynamo Dresden, derzeit Vierter der Dritten Liga und damit immer noch Aufstiegskandidat. In der Vergangenheit hatten Dresdner Anhänger am Millerntor, aber längst nicht nur dort, regelmäßig randaliert.

St.-Pauli-Aufstieg kann Risiko-Gefahr mindern

In der Bundesliga hingegen spielt derzeit kein Verein, dessen Anhänger den St. Paulianern derart feindselig gegenüber stehen wie dies bei Rostock, Dresden und dem HSV der Fall ist. Zu den Anhängern von Werder Bremen besteht zum Beispiel vielmehr eine Freundschaft.

Auch am Freitagabend blieb es am Millerntor beim 1:0-Sieg St. Paulis gegen Rostock weitgehend ruhig. Die Hansa-Rostock-Fans, die zu einem großen Teil wegen eines Zugunfalls im Hauptbahnhof erst rund 20 Minuten vor Spielbeginn im Stadion eintrafen, verzichteten komplett auf das Abbrennen von Pyrotechnik.

Rostock-Fans bleiben während des Spiels friedlich

Einige Bengalos brannten unterdessen auf der Südtribüne, wo die Ultra-Fans des FC St. Pauli stehen. Das Spiel musste aber von Schiedsrichter Robert Hartmann nicht unterbrochen werden.