Video-Assistent prüfte und griff nicht ein, Foul an Saliakas war laut Schiri-Sprecher Feuerherdt „ein klassischer Unfall“.
Die Flippers bedankten sich in der Heimkabine, bedauerlicherweise nur durch hauchdünne Wände vom Pressekonferenzraum getrennt, gerade schief singend für 40 Jahre, da hatte Fabian Hürzeler auf dem dortigen Podium keine Worte des Dankes für Schiedsrichter mehr Michael Bacher übrig. Fast schon beeindruckend, wie der Cheftrainer des FC St. Pauli den Unparteiischen aus Amerang nach der 1:2-Niederlage beim Karlsruher SC im öffentlichen Teil missachtete.
Zuvor am Sky-Mikrofon hatte sich der 31-Jährige noch deutlicher geäußert: „Wir müssen so gut sein, dass der Schiedsrichter nicht unser Spiel beeinflussen kann. Das haben wir heute nicht geschafft.“ Kritik, die sitzt.
St. Pauli hadert beim KSC über Gelb-Rot und nicht gegebenen Elfmeter
Und auch anschließend wählte Hürzeler seine Worte nicht mit übermäßiger Bedacht: „Das war der klarste übersehene Elfer dieser Saison.“ Aber wofür eigentlich?
Beim Stand von 1:2 war Manolis Saliakas von Karlsruhes David Herold im Strafraum auf den Fuß getreten worden. Elfmeterwürdig. Mindestens aber eine Szene, bei der sich der Video-Assistent hätte einschalten sollen. Machte er aber nicht.
Wahl fliegt vom Platz: „Gelb-Rot für eineinhalb Fouls“
Stattdessen bricht der ehemalige St.-Pauli-Stürmer Igor Matanovic im Anschluss an die Aktion auf Höhe der Mittellinie durch. Hauke Wahl muss ihn ausbremsen. Doch der Innenverteidiger kommt Bruchteile von Sekunden zu spät und foult.
Problem daran: Wahl war bereits in der ersten Halbzeit für ein vergleichsweise zartes Vergehen Gelb-verwarnt worden. Die Konsequenz des Matanovic-Stopps: Gelb-Rot, runter vom Platz. „Ich bekomme heute für eineinhalb Fouls eine Gelb-Rote Karte. Trotzdem muss ich bei der zweiten Situation cleverer sein und wegbleiben“, ärgerte sich der Routinier über den ersten Platzverweis seiner Zweitligakarriere.
DFB-Schirisprecher Feuerherdt nimmt Stellung zur Elfmeterszene
Dass der Schiedsrichter solch eine Szene in der Entstehung übersieht, kann passieren. Unverständnis löste aber das Nicht-Eingreifen des Video-Assistenten (VAR) im „Kölner Keller“ aus.
Das sei aber vollkommen zu Recht passiert, erklärte Alexander Feuerherdt, der Leiter Kommunikation und Medienarbeit der DFB Schiri GmbH auf Abendblatt-Anfrage. „Der VAR hat die Szene mehrmals aus unterschiedlichen Perspektiven angesehen und die Entscheidung bestätigt.“
Nicht-Eingreifen des VAR ein „klassischer Unfall"
Herold habe zuvor in einem Kopfballduell um den Ball gekämpft. „Bei der Landung ist er dann auf dem Fuß von Saliakas gelandet“, erklärte Feuerherdt. Herold habe da keine Orientierung zum Gegner gehabt: „Der Kontakt mit Saliakas war ein klassischer Unfall, das ist nicht strafbar. Die Entscheidung war richtig.“
Diese Interpretation ist im Vergleich mit anderen Strafstößen, bei denen auch Spieler ohne Absicht durch einen „Unfall“ gefoult wurden, interessant. Es wird auch spannend zu sehen, ob es in Zukunft bei dieser Unfalltheorie bleibt.
Platzverweis für St. Paulis Wahl umstritten
Feuerherdt räumte jedoch ein, dass die Gelb-rote Karte für Wahl unmittelbar im Anschluss an den verweigerten Elfmeter „hart“ gewesen sei: „Das war eine 50:50-Situation.“ Wahl hatte in einem Laufduell mit dem Ex-St-Pauli-Spieler Igor Matanovic zunächst den Ball gespielt, anschließend aber den Stürmer zu Fall gebracht.
In einer ähnlichen Situation hatte Karlsruhes Herold in der 50. Minute Elias Saad im Strafraum zu Fall gebracht, hier erkannte der Unparteiische jedoch auf „Ball gespielt“. Nach der Partie stellte sich Schiedsrichter Bacher nicht den Medienvertretern, um seine Entscheidungen zu begründen.
St. Paulis Kapitän Irvine: „Entscheidungen der Schiedsrichter nicht richtig“
„Die Gelb-Rote war eine leichte Bremse unserer Dynamik, die wir nicht kompensieren konnten“, kommentierte Hürzeler diesmal wieder sachte. Seine Spieler hielten nicht mit Kritik zurück, blieben aber fair dabei.
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„Ich habe den Eindruck, viele der kritischen Situationen werden nicht in unsere Richtung entschieden. Sonnabendabend vor dieser Atmosphäre, das ist auch nicht einfach für die Schiedsrichter. Du hoffst, dass sie dann die wichtigen Entscheidungen richtig treffen, aber diesen Eindruck hatte ich heute nicht“, sagte Kapitän Jackson Irvine.
Was sagt der Gefoulte Saliakas selbst zur Szene
„Das ist bitter für Manos, ihm wird in der Drehung ganz klar auf den Spann getreten. Ich frage mich, warum der VAR nicht eingreift, es wäre nach der Gelb-Roten gegen Zeit zur Analyse gewesen. Dann hätten wir den Elfer bekommen und keinen Mann verloren“, war Marcel Hartel sicher.
Saliakas selbst nahm es sportlich: „Das ist Fußball, es ist sehr schwierig.“ Wenngleich der Grieche den Eindruck hatte, es sei „zu 100 Prozent ein Elfmeter“ gewesen.
Gleich zwei strittige Elfmeterszenene
Der Meinung, wenngleich eine Nuance schwächer, hätte man auch eine Szene zuvor sein können, als ebenfalls Herold Elias Saad im Sechszehner von den Beinen holte. Den Ball streichelte der Defensivmann dabei weniger als den Gegenspieler. Der Videobeweis ließ es durchgehen.
Hürzeler war darüber bereits in Rage geraten. Als sein Trainerkollege Christian Eichler das offenbar als Einladung in die Coachingzone des Widersachers „missverstand“, wurde der Erfolgstrainer etwas lauter – und kassierte dafür seine siebte Gelbe Karte in dieser Saison.
Hürzeler sieht zum siebten Mal Gelb und steht kurz vor Sperre
Bei der achten wäre Hürzeler zum zweiten Mal in dieser Spielzeit gesperrt. Ob es ihm gelingt, in den verbleibenden sechs Partien straffrei zu bleiben, beantwortete er im Stile Franz Beckenbauers: „Schau'n mer mal.“
Nicht schauen wollte bekanntlich der VAR, und dafür hatte Hürzeler keinerlei Verständis. „Ich verstehe es nicht. Aber so ist es nun mal“, sagte er resignierend. Immerhin hatten es zu diesem Zeitpunkt auch die Flippers dem VAR gleichgetan und ihren Dienst in der Kabine nebenan quittiert.