Hamburg. Der Linksverteidiger glänzt beim 2:1 gegen den SC Paderborn defensiv sowie als Torschütze. Trotzdem droht ihm wieder die Ersatzbank.
Für einen Moment musste Sirlord Conteh den Eindruck gehabt haben, wieder wie 2014/15 beim TSV Sasel in der Landesliga Hammonia anstatt der Zweiten Liga spielen. Kurz vor der Halbzeit wollte der pfeilschnelle Linksaußen des SC Paderborn - mit 35,78 Kilometern pro Stunde der mit Abstand am flinksten gemessene Spieler der Partie - auf seiner Seite durchbrechen. Und dann: Rumms! Zurückgerätscht in die Sechstklassigkeit.
Heldenhaft ausgebremst von Lars Ritzka mit einer der Defensivaktionen des Spiels beim 2:1-Sieg des FC St. Pauli am Sonntagnachmittag. Ein Gemälde von Verteidigungseinsatz, das so nur vom 25-Jährigen gemalt werden kann. Kaum etwas steht sinnbildlicher für Ritzka.
Muss St. Paulis Ritzka trotz starker Leistung zurück auf die Bank?
Immer verlässlich, stets am Limit, nie für die Drecksarbeit zu schade - und das auch unter Einsatz der eigenen Gesundheit. Der gebürtige Hannoveraner hatte unter der Woche nämlich Probleme im linken Oberschenkel, konnte nicht immer voll trainieren.
„Fußballspezifisch ging alles, nur bei langen Schritten, beim Ausrutschen hatte ich etwas Sorge", sagte Ritzka. Sorge, die gegen Conteh vergessen war.
Starke Zweikampfquote und Traumtor des Linksverteidigers
Denn Ritzka wollte „durchziehen, solange es geht. Am Ende hatte ich keine Kraft mehr." Nach 85 Minuten ersetzte ihn der nicht minder zuverlässige Adam Dzwigala.
Und die Grätsche war bei Weitem nicht alles, was der Linksfuß zu bieten hatte. Starke sieben von zehn Zweikämpfen gewann er. Ach so, und ein Traumtor, sein zweites in dieser Saison, zum zwischenzeitlichen 2:0 hatte Ritzka auch noch auf Lager.
Ritzka über Jubelpose: „So viele Tore schieße ich eh nicht"
Aus gut 19 Metern zog der 1,85-Meter-Mann kurz nach dem Seitenwechsel trocken ab - um dann ebenso trocken seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Nämlich gefühlt gar nicht.
Darüber musste selbst Ritzka später lachen: „Beim Fotoshooting vor der Saison sollte ich eine Jubelpose machen. Da meinte ich bereits, so viele Tore schieße ich nicht, und wenn, dann jubele ich eh nicht so viel. Mir ist es egal, wer die Tore schießt, solange wir gewinnen." Ritzka pur.
St. Paulis Trainer Hürzeler: „Lars ist ein Musterbeispiel"
Dass der künftige Sport- und Mathematiklehrer von Beginn an randurfte, lag allerdings nicht primär an seinem mannschaftsdienlichen Einsatz, sondern auch daran, dass Philipp Treu, dem er seinen Stammplatz nach dem ersten Saisonviertel abtreten musste, verletzt fehlte. „Ich versuche, Gas zu geben, sodass ich da bin, wenn ich spielen muss. Ob ich auch gespielt hätte, wenn alle fit gewesen wären, ist eine Frage für den Trainer", sagte er.
Also wird der Trainer gefragt. „Lars ist ein Musterbeispiel, hat schon in Nürnberg ein sehr gutes Spiel gezeigt. Er kommt immer wieder rein und macht seine Sache sehr gut, jetzt hat er sich für seine Leistung belohnt", sagte Fabian Hürzeler.
Drittdienstältester Kiezkicker spielt nächste Saison Bundesliga
Der es schwierig haben wird, Ritzka im kommenden Spiel beim Karlsruher SC wieder auf die Bank zu setzen, selbst wenn Treu rechtzeitig fit wird. Gegen Paderborn hieß der beste St. Paulianer ausnahmsweise mal nicht Marcel Hartel und auch nicht etwa Jackson Irvine, sondern Lars Ritzka.
Der selbst wenig über seinen Auftritt sagen wollte. „Ich betrachte das mehr als Teamleistung. In der zweiten Halbzeit haben wir uns schwer getan, weil der letzte Schritt manchmal nicht mehr ging", sagte Ritzka. Dann müsse man eben „konsequent alles reinschmeißen" - siehe die Conteh-Grätsche.
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Kommende Saison wird der drittdienstälteste Hamburger, dessen Vertrag mindestens bis zum Sommer 2026 läuft, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Bundesliga alles reinschmeißen. Conteh wird es freuen, ihn los zu sein.