Hamburg. Die Aufstiegsaussichten für den FC St. Pauli sind glänzend. Welche aktuellen Schwächen der Spitzenreiter dennoch abstellen muss.

Der Blick auf die Tabelle der 2. Fußball-Bundesliga erfreute die Anhänger des FC St. Pauli auch am Sonntag noch genauso wie am Freitagabend nach dem 4:3-Auswärtssieg bei Holstein Kiel. Sechs Punkte Vorsprung auf die zweitplatzierten Schleswig-Holsteiner, sieben auf den Dritten HSV und zehn auf die SpVgg. Greuther Fürth, die am Sonntag an Hannover 96 vorbeizog. Keine Frage: 48 Punkte aus den ersten 23 Partien der Saison sind ein echtes Statement.

FC St. Pauli: Hochrechnung ergibt 71 Punkte

Längst werden vor dem letzten knappen Drittel der Spielzeit Hochrechnungen angestellt, wie viele Zähler denn nur noch dazukommen müssen, um 13 Jahre nach dem letzten Bundesliga-Abstieg endlich wieder ins Oberhaus zurückzukehren. Vielleicht reichen diesmal weitere 15 Punkte, also nur fünf Siege, womöglich sind aber auch noch 20 Zähler nötig, eine Fortsetzung des aktuellen Punkteschnitts von 2,09 und dann 71 Punkte werden nahezu sicher reichen.

Für derartige Rechenspiele ist St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler ganz und gar nicht zu haben. Selbst auf die Frage, was es denn nun bedeutet, mit dem Sieg in Kiel den Vorsprung vor diesem direkten Verfolger von drei auf sechs verdoppelt zu haben, gab der grundsätzlich so eloquente Hürzeler nur ein Wort als Antwort: „Nichts“.

Für Hürzeler bedeutet der Sechs-Punkte-Vorsprung „nichts“

Das sah sein Kapitän Jackson Irvine, der das am Ende so wichtige Tor zur zwischenzeitlichen 4:1-Führung stark vorbereitete, ein wenig anders. „Kiel hätte mit uns gleichziehen können. Der Vorsprung von sechs Punkten ist genauso wichtig, wie es sich anhört“, sagte er.

„Ich bin jemand, der grundsätzlich sehr, sehr selten zufrieden ist. Mein Fokus ist schon wieder auf das nächste Spiel gerichtet. Ich will, dass auch meine Spieler so denken und arbeiten“, betonte der ehrgeizige Coach und ergänzte: „Es gibt immer noch Potenziale, die wir definitiv besser machen müssen. Der Fokus liegt immer auf der inhaltlichen Arbeit. Da haben wir genug zu tun.“

St. Pauli kassierte erstmals drei Gegentore in einem Spiel

Dabei hatten die zweiten 45 Minuten tatsächlich Schwächen im Spiel des FC St. Pauli offenbart, die in dieser Ausprägung in dieser Saison noch nicht zu beobachten gewesen waren. Gegen die engagiert und offensiv zum Teil wild agierenden Kieler hatte das Millerntor-Team zeitweise die Spielkontrolle völlig verloren. Drei Gegentore hatte es zuvor noch in keinem Spiel gegeben, jetzt fielen diese gar in einer Halbzeit, genauer innerhalb von 29 Minuten.

„Wir hätten es ruhiger gestalten können, wenn wir unsere defensive Stabilität, die uns sonst auszeichnet, über 90 Minuten auf den Platz gebracht hätten. Da müssen wir uns definitiv verbessern. Und das werden wir auch“, kündigte Hürzeler an.

Torwart Vasilj zeigte jetzt schon mehrmals Schwächen

Schon in den Rückrundenspielen zuvor hatte es immer wieder Passagen gegeben, in denen die St. Paulianer teils ähnliche, teils andere Schwächen verrieten. So schenkte das Team beim 3:2 gegen Fürth eine scheinbar beruhigende 2:0-Führung her, ehe das Siegtor gelang. Beim 2:0 gegen Kaiserslautern und beim 1:0 gegen Braunschweig waren Glück und Aluminium mit im Spiel, dass nicht ebenfalls der Ausgleich fiel. Und beim 0:1 in Magdeburg fiel dem Team in der Offensive zu wenig ein, um den Gegner zu gefährden.

Dazu kommen jetzt häufiger unglückliche Aktionen von Torwart Nikola Vasilj. In Magdeburg hatte er das entscheidende Gegentor durch einen Fehlpass verursacht, jetzt in Kiel sah er beim ersten und zweiten Gegentor nicht gut aus. „Niko hat uns auch so viel geholfen in den letzten Spielen“, nahm Hürzeler seinen Keeper in Schutz. Er sagte aber auch zum ersten Gegentreffer durch Shuto Machino: „Ich bin kein Torwartexperte, aber im Spiel habe ich gedacht, den kann er auch halten.“

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Es mutet ein wenig kurios an, dass der FC St. Pauli seit der Winterpause phasenweise unsouveräner agiert als in den meisten Spielen der Hinrunde, aber in Relation eine höhere Punktausbeute hat. Bei den neun Unentschieden der Hinserie waren die Braun-Weißen ganz überwiegend das bessere und überlegenere Team gewesen und ärgerten sich über verlorene Punkte. Im Jahr 2024 waren zumindest drei der fünf Siege am Ende auch als glücklich zu werten.

St. Paulis Wahl: Jedes Spiel auf des Messers Schneide

„Im Fußball gleicht sich das alles in einer Saison aus. Wenn man Phasen hat, in denen es schlecht für einen läuft, gibt es auch wieder Phasen, in denen es gut läuft. So eine Phase haben wir im Moment“, stellte Abwehrspieler Hauke Wahl nach dem ersten Spiel in seinem ehemaligen Stadion treffend fest. Ihm ist aber klar, das dies keine Sieggarantie ist. „Wir tun gut daran, weiterzuarbeiten und weiter Gas zu geben“, mahnte er. „Jedes Spiel ist in dieser Liga auf des Messers Schneide. Man muss in jeder Sekunde bei 100 Prozent sein.“

Davon war sein Team zuletzt einige Male in Sequenzen eines Spiels ein Stück entfernt. Der Ligaprimus ist also trotz seiner herausragenden Situation noch längst nicht perfekt. Das Wissen darum aber dürfte dafür sorgen, dass niemand abhebt.

St.-Pauli-Fans zu Hürzeler: „Du musst nur unterschreiben“

Am Ende bleibt noch die eine Frage: Wann endlich wird das schon seit Ende August virulente Thema der Vertragsverlängerung mit Trainer Hürzeler entschieden? Einige St.-Pauli-Fans hatten da nach dem Abpfiff im Holstein-Stadion für den Erfolgstrainer, der am Spielfeldrand ein Fernsehinterview gab, eine musikalische Empfehlung parat. „Nur unterschreiben, du musst nur unterschreiben“, sangen die Anhänger zur Melodie des kubanischen Songs „Guantanamera“.

Darauf angesprochen, wurde Hürzeler wieder schmallippig: „Dazu habe ich wirklich alles gesagt.“ Nur gehandelt hat er eben noch immer nicht – schon gar nicht im Sinne der Fans, die ihn auch in der kommenden Saison auf der St.-Pauli-Bank in der Bundesliga erleben möchten.