Hamburg. St. Paulis Topscorer überzeugte beim Sieg in Kiel in ungewohnter Rolle. Wie Trainer Hürzeler auf die Idee kam und wer darunter leidet.
Marcel Hartel war zum Scherzen aufgelegt. „Da muss ein Stürmer eben sein“, sagte der Topscorer des FC St. Pauli schmunzelnd nach dem 4:3-Sieg seines Teams beim ärgsten Verfolger Holstein Kiel. Damit beschrieb Hartel, wie er sich in Richtung des ersten Pfostens freigelaufen und aus kurzer Distanz mit dem linken Fuß das zwischenzeitliche 2:0 erzielt hatte – tatsächlich im Stile eines Klassestürmers.
Amüsant war das Ganze nur deshalb, weil Hartel in diesem Spitzenduell der Zweiten Liga erstmals als nomineller Mittelstürmer aufgeboten worden war. Hatte der laufstarke 28-Jährige im Mittelfeld seit seinem Wechsel zu St. Pauli im August 2021 schon alle möglichen Positionen im Mittelfeld bekleidet, so wäre vor dem Spiel am Freitagabend wohl kaum jemand darauf gekommen, ihn als zentralen Spieler in der Spitze einzusetzen.
St. Paulis Trainer Hürzeler überraschte Kiel
Doch St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler, der an diesem Montag 31 Jahre alt wird, hatte sich genau diesen Plan ersonnen und nicht nur die eigenen Anhänger, sondern auch den Gegner damit einigermaßen überrascht. „Wir haben bestimmte Räume bei Kiel gesehen, haben die Achter ein bisschen breiter geschoben und den Stürmer ein bisschen flacher. Dafür ist ,Cello‘ (Hartel, die Red.) prädestiniert“, erklärte er in Fußball-Fachsprache.
Tatsächlich bereitete St. Pauli den mit einer Mittelfeld-Raute agierenden Kielern in der ersten Halbzeit auf diese Weise erhebliche Probleme. „Ich kenne ja die Raute und auch die Anfälligkeit der Raute. Das haben wir versucht auszunutzen“, sagte Hürzeler dazu. Hintergrund: Hürzelers Vorgänger Timo Schultz hatte St. Pauli mit einer solchen Mittelfeldraute agieren lassen. Als Hürzeler vom Co- zum Cheftrainer ernannt wurde, schaffte er diese Formation umgehend ab.
Marcel Hartel sollte „ein bisschen als Freigeist“ spielen
Marcel Hartel selbst beschrieb den Prozess, vom Mittelfeldspieler zum Mittelstürmer umfunktioniert worden zu sein, so: „Wir sind ja im ständigen Austausch mit Fabi. Er hat mir am Ende der Woche mitgeteilt, was so seine Gedankenspiele sind, wie er sich was vorstellen kann. Er hat mir gesagt, dass ich auf der Neun spiele, aber nicht wie ein klassischer Neuner, sondern ein bisschen als Freigeist, der sich auch mal fallenlassen soll.“
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 34 / 62:36 / 69
2. Kiel 34 / 65:39 / 68
3. Düsseldorf 34 / 72:40 / 63
4. HSV 34 / 64:44 / 58
5. Karlsruhe 34 / 68:48 / 55
6. Hannover 34 / 59:44 / 52
7. Paderborn 34 / 54:54 / 52
8. Fürth 34 / 50:49 / 50
Gesagt, getan. „Es hat Spaß gemacht und gut funktioniert. Ich bin glücklich, dass ich der Mannschaft wieder helfen konnte“, sagte Hartel, der durch einen im vorderen Mittelfeld abgefangenen Ball und einem gezielten Pass auf den Doppeltorschützen Oladapo Afolayan auch das zwischenzeitliche 3:0 einleitete. Zwölf Saisontreffer und zehn Torvorlagen stehen für ihn jetzt zu Buche.
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Die neue Rolle für Hartel ermöglichte es auch, dass die zentralen Mittelfeldspieler Jackson Irvine und Aljoscha Kemlein gemeinsam agieren konnten, was in den ersten 45 Minuten für Stabiltät sorgte. Leidtragender war nur der bisherige Mittelstürmer Johannes Eggestein, der das komplette Spiel von der Bank und vom Aufwärmbereich aus verfolgen musste, aber nicht einmal eingewechselt wurde.
St. Pauli setzte auf Irvine und Kemlein im Mittelfeld
„Wir haben gemerkt, dass Jojo eine Pause guttut. Daher haben wir uns so entschieden. Das kannst du nicht erklären, weil manchmal auch ein Bauchgefühl dabei ist. Es ist zudem ein Abwägen, eine Kommunikation mit dem Trainerteam, der medizinischen Abteilung. Das gehört alles dazu“, beschrieb Hürzeler, warum er diesmal auf Eggestein verzichtete, der zuvor 17 Ligaspiele in Folge in der Startelf gestanden hatte.
Bleibt die Frage: Setzt Hürzeler nach dem gelungenen Experiment von Kiel auch im nächsten Spiel am Freitagabend beim FC Schalke 04 auf Hartel als variabel agierenden Mittelstürmer? Objektiv betrachtet spricht einiges dafür, zumal Hürzeler auch nicht dafür bekannt ist, seine Startelf ständig von Spiel zu Spiel zu verändern.