Palma. Die Bedingungen auf Mallorca sind sehr gut. Der Kiezclub meint es ernst, doch der Spanien-Trip bringt auch Herausforderungen mit sich.

Das Aushängeschild verheißt nichts Gutes. Wenn die schweren Tore zum Ciudad Esportiva Antonio Asensio geschlossen sind, fällt dieser doch zutiefst hässliche, daran anmontierte Briefkasten nur umso mehr ins Auge.

Ramponiert, als hätte schon einige Silvesterknaller überlebt, der Schutzfilm vor dem Namensschild der hier Residierenden blättert ab. Der simple Papierzettel dahinter kann mühelos herausgezogen werden. „RCD Mallorca“ steht lediglich darauf.

Wie der FC St. Pauli auf Mallorca trainiert

Vor ein paar Wochen flatterte Post beim spanischen Erstligisten hinein. Höchstwahrscheinlich nicht in diesen Briefkasten, sondern in die digitale Mailbox. Absender: der FC St. Pauli. Betreff: Klimaflüchtlinge aus dem Norden suchen Trainingsplatz.

Es musste alles schnell gehen Ende Januar, als sich abzeichnete, dass die heimische Anlage an der Kollaustraße wegen der Regengüsse bald untrainiert werden würde – zumindest für einen Zweitligaspitzenreiter. Teammanager Jonas Wömmel (30) flog nach Mallorca, um sich die Bedingungen vor Ort inklusive der Übernachtungsmöglichkeiten im Steigenberger-Hotel in Camp de Mar anzusehen.

Teammanager Wömmel inspizierte die Örtlichkeiten vorab

Es würde eine logistische Herausforderung werden, weil sämtliches Equipment im Linienflieger verstaut werden muss. Kurzzeitig gab es die Überlegung, einen Van zu beladen. Die Idee wurde verworfen, weil es für den Fahrer zeitlich zu knapp geworden wäre, die Fähre in Barcelona zu erwischen. Der Reise-Organisator zeigte dennoch mit dem Daumen nach oben.

„Moin“, sagt eben jener Wömmel und gibt einen festen Händedruck, als er am Dienstagvormittag gegen 11.10 Uhr aus dem Mannschaftsbus aussteigt. Der konnte die nun geöffneten Tore des Ciudad Esportiva Antonio Asensio mühelos passieren, hinter denen sich die Heimat des sportlichen Aushängeschildes der Insel befindet, die mit dem optischen Aushängeschild außen wenig gemein hat.

Kapitän Irvine: „Die Luftveränderung tut uns gut“

Vier Naturrasenplätze sowie einer aus Kunstrasen verbergen sich dort. „Tatsächlich kann sich die Sportstadt rühmen, zu den besten Fußballanlagen Europas zu gehören“, schreibt der RCD Mallorca auf seiner Internetseite. Auf „Campo dos“, Platz zwei, herrschen am Dienstag eine ausgelassene Stimmung und zugleich professionelle Arbeitsatmosphäre.

„Die Luftveränderung tut uns gut. Man merkt es an der Energie der Jungs, mit der sie ins Training gehen. Das ist perfekt für uns“, sagt Kapitän Jackson Irvine. 2:20 Stunden jagt Cheftrainer Fabian Hürzeler (30) sein Team ohne nennenswerte Pause über das Feld.

Spanien-Trip unterstreicht Ansprüche, ist aber nicht risikofrei

Es scheint alles ein wenig leichter zu fallen mit den Ausläufern der Serra de Tramuntana als Kulisse, die nur die Kameradrohne zur Trainingsanalyse stört, im Hintergrund. Ein schönes Symbolbild für den Aufstieg, der dem FC St. Pauli zum Saisonende bevorstehen soll.

Der Aufwand, für fünf Tage, an denen drei Einheiten mit Ball absolviert werden, extra nach Mallorca zu fliegen, verdeutlicht, wie ernst es dem Kiezclub damit ist. Der Trip ist allerdings nicht ganz risikoarm, da die Spieler aus ihrem üblichen Rhythmus einer Spielwoche gerissen werden und Reisestrapazen eingehen. „Aber die Bedingungen hier sind so viel besser als in Hamburg, dass wir hier wesentlich effektiver arbeiten und uns zudem nur auf Fußball konzentrieren können“, sagt Irvine.

Mittelfeldspieler noch nicht wieder ganz fit

Der Australier nahm in seiner ersten Einheit nach Zwangspause wegen physischer und mentaler Erschöpfung vom Asien-Cup nur am Teil ohne Körperkontakt teil, trainierte anschließend individuell. „Es ist aber nichts Muskuläres, ich muss einfach nur meine Beine wieder richtig unter mich bekommen, mich vorsichtig wieder herantasten“, sagte der 30-Jährige.

Ob es für einen Einsatz beim Zweitligaspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen Eintracht Braunschweig reicht, lässt sich noch nicht absehen. Vor allem den freien Donnerstag möchte er dazu nutzen, sich am Strand von Camp de Mar zu erholen und sich ausgiebiger physiotherapeutischer Behandlung zu unterziehen.

Scheller und da Silva Moreira füllen den Kader auf

Aus dem Profikader sind bis auf Linksaußen Etienne Amenyido (25/muskuläre Probleme) und Rechtsaußen Scott Banks (22/Kreuzbandriss) alle dabei. Aus der zweiten Mannschaft füllen dafür Innenverteidiger Tjark Scheller (22) und Rechtsaußen Eric da Silva Moreira (17) auf.

Nach Passübungen auf engem Raum trainieren sie im Neun-gegen-sieben mit zwei freien Außenbahnakteuren Überzahl- und Umschaltspiel. Die ersten Trainingsjacken fliegen. In der Sonne sind es mehr als im Schatten gemessenen 20 Grad Celsius.

Schneller Rasen, gute Platzverhältnisse

Der Rasen ist schnell. Kein Vergleich zu den Äckern in Niendorf und am Sonnabend beim 0:1 beim 1. FC Magdeburg. Fast schon ungewohnt für einige Akteure, die sich Annahmefehler erlauben. Schieben wir es fairerweise auf das grelle, für Hamburger ebenfalls exotische Licht.

Später werden noch konkrete Angriffskombinationen gegen tief stehende Ketten eingeübt. „Wir müssen mehr Lösungen dagegen finden. Ansonsten werden wir nichts drastisch verändern. Unser Stil ist sehr klar, und er hat uns bis hierhin sehr erfolgreich gemacht“, sagt Irvine.

Inselstraße Ma-11 verläuft am Trainingsgelände entlang

Hürzeler wirkt entspannt, muss seine Stimme selten bemühen. Wenn, dann vor allem, um die am Gelände entlang laufende Inselstraße Ma-11 zu übertönen.

Einmal hupt ein von Norden aus Richtung Sóller bergab nach Palma fahrender Lkw unentwegt im Rhythmus, um die Spieler anzufeuern. Nett gemeint. Dagegen kommt nicht mal Hürzeler an.

RCD Mallorca riegelt Anlage ab Mittwochmittag wieder ab

Rund 25 Fans und Schaulustige hat es ebenfalls auf die Anlage verschlagen. Die Mallorca Zeitung ist da, das Mallorca Magazin und Inselradio Mallorca ebenfalls. Kurzum: Alles, was die lokale deutschsprachige Medienlandschaft aufbieten kann.

Einmal die Chance ausnutzen, ehe am späten Vormittag an diesem Mittwoch alles hermetisch für die Öffentlichkeit abgeriegelt wird, weil der RCD Mallorca auf einem Nebenplatz im Geheimen trainieren will. Am Sonntag (18.30 Uhr) empfängt der Tabellen-16. das siebtplatzierte Real Sociedad in Palma.

Kiezclub will sich optimal auf Eintracht Braunschweig vorbereiten

Der FC St. Pauli wird zu diesem Zeitpunkt bereits einige Stunden wissen, ob sich die Trainingsreise nach Spanien gelohnt hat und in einem Sieg gegen Braunschweig resultiert ist. Sollte dem so sein, dürfte ein Dankschreiben fällig werden.

Post von der Tabellenspitze. Zu adressieren an das Aushängeschild des Ciudad Esportiva Antonio Asensio. Wenn der Briefkasten bis dahin durchhält. Doch er scheint hartgesotten.

Mehr zum Thema

Der FC St. Pauli bietet gemeinsam mit dem Hamburger Fußball-Verband vom 1. bis 3. März einen kostenlosen Schiedsrichterlehrgang im Millerntor-Stadion an. Anmeldungen per E-Mail an ulrich.barth@fcstpauli.com