Hamburg. Der FC St. Pauli und Gegner 1. FC Magdeburg setzen auf dominante Spielweisen. Welche Qualität jetzt den Unterschied ausmachen soll.
Am Freitagmittag gaben die Fußballprofis des FC St. Pauli dem ramponierten Rasen ihres Trainingsplatzes in Niendorf den Rest. Nach dem Schneeregen am Morgen und dem danach folgenden Dauerregen war das Geläuf noch einmal durchnässter als an den Tagen zuvor. Für das Abschlusstraining, bei dem üblicherweise vorwiegend Standards und taktische Formationen und Abläufe geübt werden, reichte es dennoch.
Es war wohl auch eine gute Einstimmung auf den Untergrund, den die St. Paulianer an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) in der MDCC-Arena des 1. FC Magdeburg zu erwarten haben. Vor dem Auftritt des Zweitliga-Spitzenreiters aus Hamburg beim Tabellen-13. räumte selbst Magdeburgs Trainer Christian Titz (52) ein: „Der Rasen wird seit dem letzten Spiel nicht besser geworden sein. Unser Platz ist momentan leider in keiner guten Verfassung.“
FC St. Pauli tritt als Spitzenreiter in Magdeburg an
Erst am Freitag vergangener Woche hatte der SCM hier sein Heimspiel gegen Herbstmeister Holstein Kiel (1:1) bestritten, viel Zeit zur Regeneration gab es für das Grün also nicht. Titz verriet, dass der Rasen nach dem Spiel gegen St. Pauli ausgetauscht werden wird.
Angesichts der unterschiedlichen Tabellenstände könnte man landläufig zu der Einschätzung kommen, dass es dem latent abstiegsgefährdeten Heimteam gegen den heißen Aufstiegskandidaten vom Millerntor ja nur recht sein kann, wenn die Bodenverhältnisse ein kultiviertes Spiel mit schnellen, flachen Pässen erschweren oder gar verhindern.
St. Pauli und Magdeburg sind die Topteams in Sachen Ballbesitz
In diesem Fall stimmt dieses Klischee in Bezug auf die Magdeburger allerdings nicht. Vielmehr lässt deren Trainer Christian Titz, ganz ähnlich wie St. Paulis Chefcoach Fabian Hürzeler, eine von viel eigenem Ballbesitz geprägte Spielweise praktizieren. Zuletzt standen gegen das Topteam aus Kiel eindrucksvolle 68 Prozent Ballbesitz zu Buche. Bei St. Pauli waren es im Spiel gegen Fürth (3:2) 58 Prozent.
Für die bisherigen 20 Saisonspiele wurden laut dem offiziellen Portal „bundesliga.de“ für den 1. FC Magdeburg 61 Prozent und den FC St. Pauli 55 Prozent eigener Ballbesitz errechnet. Das macht Rang eins und zwei in der Liga, wobei auch der HSV auf 55 Prozent kommt. Zum Vergleich: Schlusslichter sind in dieser Wertung Eintracht Braunschweig und Hansa Rostock (je 43).
Wer zwingt wem sein Spiel auf?
Es wird an diesem Sonnabend also das Duell der Ballbesitzer, was logischerweise die Frage aufwirft: Wer kann wem sein Spiel aufzwingen? Und wird derjenige dann auch als Sieger nach Toren vom Platz gehen?
Der gegenseitige Respekt jedenfalls ist groß. „St. Pauli spielt sehr kompakt, kann aber auch mit dem Ball viel anfangen. Es ist eine sehr geduldige Mannschaft, die wartet, bis der Gegner die Räume öffnet“, sagte jetzt SCM-Trainer Titz.
Damit spielte er auf die immer wieder zu beobachtenden Situationen an, in denen die Hamburger Abwehrspieler vor dem eigenen Strafraum stehend scheinbar überheblich den Fuß auf Ball stellen, abwarten, dass sie angegriffen werden, um dann gegen die Vorwärtsbewegung des Gegners mit Tempo das eigene Spiel aufzuziehen.
St. Paulis Trainer Hürzeler lobt SCM-Torwart Reimann
St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler (30) wiederum lobte die Magdeburger als „eine Mannschaft, die die Qualität hat, jeden Gegner in der Liga zu schlagen und auch ihren eigenen Stil aufzudrücken, der in gewisser Weise für die Liga besonders ist“. Dabei strich er heraus, dass der Gegner oft auch seinen Torwart Dominik Reimann (26) fast schon als zusätzlichen Feldspieler ins Spiel einbezieht, wobei dieser sehr gut zwischen kürzeren und längeren Zuspielen variieren könne. Ähnlich soll auch St. Paulis Keeper Nikola Vasilj agieren, auch wenn dies bisweilen ziemlich riskant wirkt und manchmal auch ist.
Besonders wichtig für die Umsetzung der dominanten Spielweise sind weiter vorn auf dem Spielfeld die technisch beschlagenen und ballsicheren Akteure Baris Atik (29/Magdeburg) und Marcel Hartel (28/St. Pauli). Beide spielen seit geraumer Zeit eine entscheidende Rolle in ihren Teams, werden im Ballbesitz immer wieder von ihren Teamkollegen als Anspielstation und Ideengeber gesucht und sind daher an fast jedem Angriff beteiligt. Nicht zufällig sind sie auch die aktuellen Topscorer ihrer Mannschaft und bereiteten jeweils acht Treffer mit ihren Zuspielen vor, was vor dem aktuellen Spieltag auch den Liga-Bestwert darstellte.
Marcel Hartel hat elf der 38 St.-Pauli-Tore erzielt
Bei den selbst erzielten Treffern ist die Gemeinsamkeit allerdings in dieser Saison, in der Hartel in einer kaum erwarteten Weise das Toreschießen für sich entdeckt hat, vorbei. Während Atik bei 41 Versuchen in seinen 19 absolvierten Ligaspielen erst zweimal traf, steuerte Hartel in 20 Spielen bei 63 Versuchen elf Treffer zu den bisherigen 38 seines Teams bei.
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Allerdings war Atik in der Saison zuvor auf acht Treffer für den SCM gekommen, während sich Hartel mit fünf begnügen musste. An Selbstbewusstsein mangelt es Atik vor dem Spiel auf jeden Fall nicht. „Der FC St. Pauli muss sich auch Gedanken machen, wie er die Phasen ohne Ball überstehen will“, sagte er jetzt der Zeitschrift „Regionalsport“.
Ungewöhnlicherweise deutete Hürzeler unterdessen schon vor dem Spiel an, wie sein Team eine Magdeburger Schwäche zu den eigenen Gunsten nutzen kann: „Eine Mannschaft, die viel Ballbesitz hat, läuft nicht so gerne dem Ball hinterher. Von daher sehen wir auch da eine Chance, wenn wir es schaffen, unsere Elemente auf den Platz zu bringen.“
St. Pauli mit klaren Vorteilen bei der Laufleistung
Auch hier bestätigt ihn die Statistik. Während sein Team mit bislang 2451,6 Kilometern auch in Sachen Laufleistung der Klassenprimus ist, stellt Magdeburg mit 2300,1 Kilometern nur unteres Mittelmaß (Platz 13) dar. Noch klarer hat dabei Marcel Hartel (254,1 km) als Ligabester die Nase gegenüber Baris Atik (181,2 km) vorn. Und das hat mit guten oder schlechten Platzverhältnissen nicht so viel zu tun.