Hamburg. Der Co-Trainer wird die Hamburger in Düsseldorf coachen und im Mittelpunkt stehen. Nichts ist dem Slowaken fremder.
Die größte Sorge war Peter Németh Mitte dieser Woche wieder los. Am vergangenen Sonnabend hatte der Co-Trainer des FC St. Pauli noch rotgesehen, weil Chefcoach Fabian Hürzeler Gelb sah.
Die Konsequenz aus der vierten Verwarnung des 30-Jährigen in dieser Saison: ein Spiel Sperre, und somit ist es an Németh, den Tabellenführer der Zweiten Liga an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) ins Spitzenspiel bei Fortuna Düsseldorf zu führen. Die vom Slowaken daraufhin befürchtete Konsequenz: Er müsse für die TV-Mikrofone Gewehr bei Fuß stehen, im Anschluss zur Pressekonferenz erscheinen.
Németh coacht St. Pauli in Düsseldorf
Das ist absolut nicht das Metier des 51-Jährigen. Németh ist uneitel und bodenständig, sucht nicht die Öffentlichkeit und schon gar nicht die VIP-Räume.
Letztlich war die Angst unbegründet, denn die Bestrafung bei einer Gelb- fällt deutlich milder aus als bei einer Rotsperre. Hürzeler darf vor der Partie sowie während der Halbzeitpause bei der Mannschaft sein und darf zur großen Freude seines Assistenten auch die Pressekonferenz übernehmen.
Janßen: "Peter ist ein sensationeller Mensch"
Aber wer ist eigentlich dieser zumeist freundlich dreinschauende, grau melierte Mann, der 1972 in Banská Bystrica in der damaligen Tschechoslowakei auf dem Gebiet der heutigen Slowakei geboren wurde und 2001/02 als Zweitligaprofi bei Eintracht Frankfurt spielte? Da er selbst der eigenen Bescheidenheit halber nicht gern über sich spricht, müssen eben andere über ihn reden – und zwar ausnahmslos in höchsten Tönen.
„Peter mag kein Lautsprecher sein, eher introvertiert wirken und keine große Welle schieben. Aber er ist ein sensationeller Mensch, auf den man sich 1000-prozentig verlassen kann – nicht nur im fußballerischen Bereich“, schwärmt Olaf Janßen (57). Der Trainer des Drittligisten Viktoria Köln, der von 2016 bis 2017 am Millerntor tätig war, arbeitete in der Saison 2013/14 gemeinsam mit Németh bei Dynamo Dresden.
Hart, aber herzlich
Hört man sich auf St. Pauli um, fällt das Lob ähnlich aus. Bei den Spielern ist Németh beliebt wegen seiner direkten, aber herzlichen Art.
Im Training kann er sehr wohl auch mal laut und energisch werden, aber nie persönlich und verletzend. „Er hat ein super Händchen dafür, die Dinge beim Namen zu nennen“, sagt Janßen.
Fußballversteher aus der Slowakei
Intern wird der Humor des geselligen 22-fachen Nationalspielers geschätzt. Die Bande zu seinen Schützlingen und Kollegen sind eng, Németh hält sie mitunter über Jahrzehnte, beispielsweise mit seinem Landsmann Ján Kocian (65), der zwischen 1988 und 1993 für St. Pauli in der Bundesliga und Zweiten Liga spielte.
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Und dennoch wird das bis hierhin gezeichnete Bild den eigentlichen Qualitäten des Familienvaters, dessen Angehörige weiterhin in der Slowakei leben, nicht gerecht: dem des Fußball(er)verstehers. „Peter ist ein überragender Experte, der Entwicklungen auf dem Platz erkennt und dem Cheftrainer wertvolle Hinweise gibt“, sagt Janßen. Németh sei der ideale Co-Trainer, „der sich mühelos in jede Gruppe einfügen kann und fachlich breit aufgestellt ist“, meint sein ehemaliger Vorgesetzter.
Zuständig fürs Scouting und offensive Standards
„Ich arbeite gern und viel als Co-Trainer – sei es mit den Spielern auf dem Platz, aber auch bei Video-Analysen hinter den Kulissen“, wurde Németh bei seiner Verpflichtung im Januar 2023 in einer Pressemitteilung zitiert, als er mal etwas sagen musste. Es war ein Satz, der an Korrektheit kaum zu übertreffen ist.
Der ehemalige Mittelfeldspieler ist häufig gegen 8 Uhr einer der Ersten im Trainingszentrum an der Kollaustraße, verlässt es zumeist erst zwölf Stunden später – um in seiner Wohnung an der Hoheluft dann weiter Fußball zu schauen. Bei Hürzeler ist er mit für das Scouting der Gegner sowie die offensiven Standards zuständig. Besonders im zweiten Bereich gab es in dieser Saison des Öfteren innovative Varianten zu bewundern, die regelmäßig zum Erfolg führten.
Cheftrainererfahrung aus Siegen und Dresden
„Peter passt perfekt in unser Team: Er ist ein absoluter Fachmann, extrem fleißig und genießt bei Spielern, im Staff sowie im Verein hohes Ansehen. Wir sind sehr froh, ihn hier bei uns zu haben“, sagt St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann über den loyalen Mitarbeiter, der zuvor von 2015 bis 2021 ein Duo mit Uwe Neuhaus (64) in Dresden und bei Arminia Bielefeld gebildet hatte. Dass er in Düsseldorf die Mannschaft während Hürzelers Abstinenz auf der Tribüne ebenso gut leiten kann wie der Chef persönlich, daran besteht innerhalb des Kiezclubs keinerlei Zweifel. „Ich vertraue ihm zu mehr als 100 Prozent“, sagt Hürzeler und ist nach Janßen damit der Zweite, der für Németh sogar mathematische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzt.
Zumal es nicht das erste Mal ist, dass der ewige Co zum Boss aufsteigt. Bei den Sportfreunden Siegen, bei denen er im typischen Németh-Stil langfristig von 2003 bis 2010 war, sprang Németh in insgesamt 39 Spielen als Spieler-, Interims- und Cheftrainer ein, bei Dresden immerhin für 14 Begegnungen.
Hürzeler backt Kuchen zur Entschuldigung
„Er ist lange genug dabei und greift auf einen unheimlichen Erfahrungsschatz zurück. Da er die Mannschaft in- und auswendig kennt und den Gegner, so wie ich ihn kenne, komplett durchleuchtet hat, sehe ich da gar keine Probleme“, sagt sein alter Freund Janßen. Zumal die Stolperfalle Pressekonferenz ja aus dem Weg geräumt ist.
Eine Sorge bleibt dennoch: Als Bitte um Verzeihung für seine Gelbsperre hat Hürzeler am Freitag einen Kuchen mit der Aufschrift „3 Points for Peter“ (Drei Punkte für Peter) gebacken und in der Kabine vorbeigebracht. Doch bei allen Qualitäten, die der Cheftrainer besitzt, über die am Backofen ist zu wenig bekannt, um unbesorgt hineinzubeißen. Als perfekter Assistent wird es Németh natürlich trotzdem tun.
Fortuna Düsseldorf: Kastenmeier – Oberdorf, Hoffmann, de Wijs, Iyoha – Engelhardt – Tanaka, Johannesson – Niemiec, Tzolis – Vermeij.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Kemlein, Hartel, Treu – Afolayan, Eggestein, Saad.