Hamburg. Die zähen Verhandlungen mit dem Erfolgstrainer könnten eine bittere Wendung nehmen. Im Jahr 2013 griff der Kiezclub durch.
Zugegeben, diese Episode aus dem Innenleben des FC St. Pauli ist schon etwas länger her – genauer gesagt mehr als zehn Jahre. „Da fährst du zum Training, und auf einmal haben wir keinen Trainer mehr. Sprachlos!“, kommentierte am 6. November 2013 Offensivspieler Kevin Schindler auf Facebook. Nicht nur die Spieler, auch die Fans und Berichterstatter waren an jenem regnerischen Mittwochmorgen komplett überrascht, dass Michael Frontzeck von jetzt auf gleich als Trainer des FC St. Pauli geschasst worden war.
FC St. Pauli: Michael Frontzeck verzockte sich
Sportliche Gründe hatte die Trennung nicht, zwischenmenschliche ebenso wenig. Der beliebte Ex-Nationalspieler hatte in der Saison zuvor den Kiezclub vor dem Abstieg gerettet. Zum Zeitpunkt der Trennung befand sich das mittelmäßig besetzte Team als Tabellen-Achter in einer soliden bis aussichtsreichen Situation. Dennoch sah sich das damalige Präsidium gezwungen, ultimativ zu handeln.
Was hat diese alte Frontzeck-Episode mit der aktuellen Trainersituation beim FC St. Pauli zu tun? Nur auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten Blick eine ganze Menge. Auch wenn manche Vorzeichen andere sind, geht es im Kern um die entscheidende Frage: Bis zu welchem Punkt darf sich eine Vereinsführung vom Cheftrainer unter Druck setzen lassen?
„Kein Einzelner ist wichtiger als der Verein“
Frontzeck wollte seinerzeit Klarheit darüber haben, ob der Verein mit ihm über das Saisonende hinaus plant – mehr als ein halbes Jahr vor dem Vertragsende. Klar besprochen war hingegen, dass man in der Winterpause eine Analyse vornehmen und dann entscheiden werde – ein übliches und faires Prozedere. Doch plötzlich drängte Frontzeck auf eine frühere Entscheidung, ließ sich auch in Vier-Augen-Gesprächen nicht mehr einfangen und bekam die für alle schmerzhafte Quittung.
„Kein Einzelner ist wichtiger als der Verein“, ist ein Satz, den Präsident Oke Göttlich so oder ähnlich in seiner Amtszeit immer mal wieder zu passenden Anlässen gesagt hat. Diese Maßgabe befolgten seinerzeit auch schon sein Vorgänger Stefan Orth und dessen vier Vize-Präsidenten, als sie Frontzeck vor die Tür setzten. Man lasse sich von niemandem erpressen, hieß es damals.
Hürzeler hat Rekord-Offerte vorliegen
Aktuell geht es beim FC St. Pauli wieder um die Vertragsverlängerung mit dem Cheftrainer. Diesmal will die Vereinsführung Fabian Hürzeler am liebsten für die nächsten Jahre, auf jeden Fall aber für die nächste Saison, egal in welcher Liga, an sich binden. Untermauert wird dieses hohe Interesse mit dem Angebot des höchsten Gehalts, das der FC St. Pauli jemals einem Trainer gezahlt hat.
Doch Hürzeler lässt sich bisher nicht mit der Verdreifachung seiner bisherigen Bezüge locken, vielmehr bestehen er und (wohl vor allem) seine Berater auf eine Ausstiegsklausel, die es ihm schon in diesem Sommer erlaubt, zu einem Bundesligaclub zu wechseln. Bislang will sich St. Paulis Vereinsführung darauf nicht einlassen. Es wäre auch absurd, einen Vertrag über mehrere Jahre zu verlängern, aber nach nur vier Monaten oder gar direkt in der Vorbereitung auf die neue Saison doch ohne Trainer dazustehen.
Trainer und Verein wollen Klarheit
„Wir wollen möglichst schnell Klarheit reinbringen“, sagte Hürzeler am Donnerstag selbst zu seiner offenen Zukunft. Die Klarheit hätte er längst haben können, wenn er nicht auf diese Klausel bestehen würde. Was aber passiert, wenn die Vereinsführung dem Druck seines überaus erfolgreichen und ebenso karrierehungrigen Trainers weiterhin nicht nachgibt, Hürzeler selbst aber auch hart bleibt? Kann es sich der Verein leisten, den aktuellen Vertrag einfach auslaufen und den Trainer so zu einer „Lame Duck“ werden zu lassen? Andererseits: Kann sich ein Verein erlauben, als erpressbar zu gelten?
Wer beide Fragen mit Nein beantwortet, kann fast nur zu einer Lösung kommen, sofern die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung endgültig scheitern. Dann wäre die sofortige Trennung die konsequente Maßnahme – so bitter dies für alle Beteiligten auch wäre.
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Michael Frontzeck gab übrigens Jahre später reumütig zu, dass er im Herbst 2013 mit seinem Ultimatum „über das Ziel hinausgeschossen“ sei. Heute ist zu wünschen, dass Fabian Hürzeler dies nicht auch einmal über sich und seinen Vertragspoker in diesem Winter sagen muss