Benidorm. Der Rechtsaußen ist ein Produkt der Jugendarbeit des Kiezclubs. Folgen bald weitere Youngster den Spuren des U-17-Weltmeisters?
Geschluckt. Der Gravitation des Fußballs kann selbst ein U-17-Weltmeister nicht leicht entkommen. Der „des großen schwarzen Loches, das in Deutschland noch niemand so richtig verstanden hat“, wie Benjamin Liedtke, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des FC St. Pauli, den Übergangsbereich zwischen Jugend und Profis bezeichnet, an dem so viele Talente scheitern.
Für jemanden, der sich inmitten dunkler Materie befindet, sieht Eric da Silva Moreira entspannt aus. Der 17-Jährige, „ein ganz normaler Teenager“, der im Sommer sein Abi an der Stadtteilschule Alter Teichweg macht und für sein Leben gern Nudeln isst, spricht in einem gesunden Mix aus Höflichkeit, Selbstbewusstsein und Lockerheit über sein erstes Trainingslager mit dem Zweitligateam.
Eric da Silva Moreira mit St. Pauli im Trainingscamp
An die Körperlichkeit hat sich der Deutsch-Portugiese vor allem dank seines unbändigbaren Tempos bereits gewöhnt. „Die Herausforderung besteht darin, bei der Schnelligkeit in den Aktionen auf der Höhe zu bleiben; die Präzision zu haben, die die Mitspieler einfordern“, sagt da Silva Moreira.
Eine Hürde, an der in den vergangenen Jahren viele Hamburger Spieler entweder scheiterten – oder die sie andernorts nahmen. „Die Region Hamburg produziert in Relation zur Einwohnerzahl laut einer IFC-Studie die meisten professionell spielenden Fußballer in Deutschland. Das Problem: Sie landen selten beim HSV oder dem FC St. Pauli, was komplexe Hintergründe hat“, sagt Liedtke. Lediglich Igor Matanovic und Finn Ole Becker lassen sich als jüngere Beispiele anführen.
Wie können die Talente gehalten werden?
„Als Zweitligist verfügen wir nicht über die Infrastruktur wie beispielsweise Borussia Dortmund oder RB Leipzig, weswegen einige Toptalente im Alter zwischen 14 und 16 Jahren gewechselt sind. Das geht aber den meisten NLZs von Zweitligisten so“, sagt Liedtke. Ausgleichen lasse sich dies mit viel Geld „oder mit sehr leidenschaftlichen Mitarbeitenden, die Beziehungen zu den Spielern aufbauen“.
Da Silva Moreira hat Fabian Hürzeler dafür. Der Cheftrainer des Zweitligazweiten kommuniziert beim Trainingscamp im spanischen Benidorm während und nach fast jeder Einheit mit seinem Talent, das in spielähnlichen Übungen auf der rechten Außenbahn eingesetzt wird.
da Silva Moreira: "Fabi gibt mir riesige Chance"
„Fabi gibt mir eine riesige Chance, vermittelt Inhalte zu meiner Positionierung im Spielaufbau. Zugleich fordert er mich, beispielsweise bei der Verbesserung meines Passspiels und des ersten Kontakts“, sagt der Rechtsfuß, dessen Beziehung zu St. Pauli beinahe kitschig ist. Mit neun Jahren von Victoria Hamburg ans Millerntor gewechselt, von dem er in Schussweite einer seiner gefürchteten Flanken mit seiner fußballbegeisterten Familie wohnt – Onkel Almami Moreira spielte 2004/05 beim HSV.
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Ob der Jugendliche in der Rückrunde tatsächlich zum Profidebüt kommt, oder vor allem in der U 19 seine Führungsqualitäten ausbauen soll, ist noch ungeklärt. Zumindest soll er eine Vorreiterfunktion einnehmen; zeigen, dass es bei St. Pauli stringent von unten bis nach ganz oben gehen kann.
"Rebellution" soll bessere Spieler ausbilden
„Dafür braucht es Kontinuität auf möglichst vielen Ebenen. Vor allem die auf der des Sportchefs ist wichtig, weswegen es umso besser für uns ist, dass der Austausch mit Andreas Bornemann hervorragend funktioniert“, sagt Liedtke. Mit dem neuen Konzept der „Rebellution“ setzt der 37 Jahre alte Nachwuchschef künftig „viel mehr auf die technische Ausbildung auf dem Platz und weniger auf die athletische, trainieren viel mit Ball. Wir machen die Jungs zu besseren Fußballern.“
Um mehr Talente wie auch Innenverteidiger Muhammad Dahaba (18), der ebenfalls in Benidorm dabei ist, aufzubauen – und sie langfristig zu behalten. Bei Moreira da Silva gab es im vergangenen Sommer eine holprige Episode, als sein damaliger Berater ihn für ein angebliches Millionen-Angebot zum 1. FC Union Berlin vermitteln wollte.
Flügelflitzer hat die Zukunft fest im Blick
„Vergangenheit“, sagt Moreira da Silva, der den Agenten gewechselt hat. Was seinen auslaufenden Vertrag angeht, „werden wir dann sehen.
Jetzt konzentriere ich mich nur aufs Trainingslager“. Und darauf, es aus dem schwarzen Loch heraus in den Profifußball zu schaffen.