Hamburg. Die Hamburger sind bereit, sich für die Verlängerung des Startrainers finanziell zu strecken. Woran es derzeit noch hakt.
Fabian Hürzeler hatte es eilig. Recht unmittelbar nach Trainingsende am Mittwochmittag zog sich der Cheftrainer des FC St. Pauli in die Funktionsgebäude an der Kollaustraße zurück. Es gibt ja auch reichlich zu tun. Optionen für das finale Hinrundenspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen den SV Wehen Wiesbaden durchgehen.
Sobald die Partie passé ist, gibt es: wieder reichlich zu tun. Dann allerdings an anderer Stelle, weil die Gespräche zur Verlängerung des zum Saisonende auslaufenden Vertrags Hürzelers in der Winterpause Fahrt aufnehmen. Dann sind die Optionen allerdings beschränkt. Sie lauten: Aufstieg oder Ausstieg.
FC St. Pauli bietet Rekordgehalt für Cheftrainer Hürzeler
Am FC St. Pauli soll es jedenfalls nicht liegen. Um den 30-Jährigen zu halten, ist der Club offenbar bereit, finanziell ans Äußerste zu gehen.
Hürzeler würde nach Unterzeichnung eines neuen Arbeitspapiers demnach zum bestbezahlten Trainer der 113-jährigen Vereinsgeschichte aufsteigen und eine Summe im hohen sechsstelligen Bereich kassieren. Doch dies allein genügt nicht und ist auch nicht der Kernpunkt der Verhandlungen.
Beratungsagentur will Ausstiegsklausel verankern
Es soll, so wurde dieser Zeitung aus mehreren Quellen unabhängig voneinander berichtet, derzeit noch an einer Ausstiegsklausel haken, die die Hürzeler vertretende Beratungsagentur Roof aus der nahe München befindlichen Gemeinde Grünwald bereits für den kommenden Sommer 2024 terminieren möchte. So soll die Flexibilität bestehen bleiben, dass ihr Klient im Fall eines verpassten Aufstiegs bei einem entsprechenden Angebot in die Bundesliga wechseln könnte.
Das lehnt St. Pauli ab. Im schlimmsten Fall könnte dies nämlich bedeuten, dass die Braun-Weißen nach erst spät im Saisonverlauf erlangter Klarheit über die künftige Ligazugehörigkeit urplötzlich Ende Mai ohne Trainer für die kommende Saison dastehen. Ein derartiges Risiko einzugehen, wäre brandgefährlich.
Spekulation um Jobs in Leverkusen, Wolfsburg und Mainz
Roof soll auf freiwerdende Cheftrainerposten in der Bundesliga spekulieren. Genannt werden Bayer Leverkusen, wo der Abgang von Starcoach Xabi Alonso zu Real Madrid als wahrscheinlich erachtet wird, sowie der VfL Wolfsburg. Während ein Wechsel nach Leverkusen für einen bundesligaunerfahrenen Übungsleiter unvorstellbar erscheint, sollen sich die Niedersachsen, wie das Abendblatt aus der Autostadt erfahren hat, tatsächlich mit Hürzeler befasst haben, allerdings den langjährigen Union-Berlin-Trainer Urs Fischer favorisieren, sofern die Zusammenarbeit mit Niko Kovac trotz bestehenden Vertrags bis 2025 im kommenden Sommer vorzeitig enden sollte.
Zur Einordnung: Kontaktaufnahmen dieser Art sind branchenüblich, Spekulationen zu diesem Zeitpunkt eher unseriös. Um keinem wilden Namedropping zu verfallen, sei an dieser Stelle lediglich noch der FSV Mainz 05 genannt, der in Jan Siewert derzeit einen Interimstrainer beschäftigt, und in Form des Direktors Fußballentwicklung, Meikel Schönweitz, einen großen Fan Hürzelers. Der 43-Jährige hatte den Erfolgscoach einst zum DFB gelotst.
Chefcoach fühlt sich wohl beim Kiezclub
All dies sollte die Fans des FC St. Pauli allerdings noch nicht beunruhigen. Allen Begehrlichkeiten und Hürden zum Trotz befindet sich der Kiezclub momentan in der Poleposition um Hürzeler.
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Der Bayer fühlt sich wohl bei St. Pauli und würde dem Vernehmen nach am liebsten bleiben. Geld sei nicht das primäre Thema, für den ehrgeizigen Coach spielt die sportliche Perspektive die vordergründige Rolle.
Bornemann: "Hürzeler ein absoluter Glücksfall"
Zumal auch der FC St. Pauli, der unter Sportchef Andreas Bornemann Hürzeler das Vertrauen schenkte, sich als Cheftrainer in der Zweiten Liga zu beweisen, Trümpfe in der Hand hält – persönliche, wirtschaftliche und sportliche. Das Vertrauensverhältnis zwischen Sportchef und Chefcoach ist eng.
„Zwischen Andreas und mich passt kein Blatt Papier“, sagte Hürzeler erst am vergangenen Wochenende. Sein Förderer bezeichnete ihn unlängst in einem Interview mit dem Portal Transfermarkt als „absoluten Glücksfall für St. Pauli“.
Auch Spieler wollen rechtzeitig Klarheit haben
Um der Beziehung Langfristigkeit zu verleihen, zugleich die Forderung nach einer Ausstiegsklausel zu erfüllen, wäre es daher vorstellbar, dass Hürzeler einen zum nächstmöglichen Zeitpunkt beginnenden neuen Vertrag unterschreibt. In diesem enthalten: die gewünschte Klausel, allerdings mit einer Frist, um sie zu ziehen, beispielsweise bis spätestens Ende März.
Dies würde beiden Seiten Flexibilität einräumen, sich auf dem Markt umzusehen. Andererseits würde noch rechtzeitig Klarheit hinsichtlich der Vertragssituation herrschen, um potenzielle Unruhe inmitten des Aufstiegsrennens zu vermeiden. Denn auch einige der Akteure, deren Verträge auslaufen – darunter Leistungsträger wie Torwart Nikola Vasilj und Spitzenspieler Marcel Hartel – machen ihren Verbleib auf St. Pauli in Teilen von der Zukunft auf der Trainerposition abhängig.
Steigt St. Pauli auf, bleibt auch Hürzeler
Die Laufzeit des neuen Kontrakts würde mindestens bis Ende der Saison 2025/26 andauern, voraussichtlich mit beidseitigen Optionen für ein weiteres Jahr. Seitens der Hamburger gibt es keine Wasserstandsmeldung zu den Verhandlungen. „Der FC St. Pauli bezieht zu vertraglichen Themen grundsätzlich keine Stellung in der Öffentlichkeit“, sagt Vereinssprecher Patrick Gensing.
Um eines jedoch vorwegzunehmen: Sollte St. Pauli in der kommenden Saison selbst Bundesligist sein, hat es Hürzeler nicht eilig. Bei Aufstieg kein Ausstieg.