Hamburg. Die Australier vom FC St. Pauli treten mit ihrer Nationalmannschaft gegen Palästina an. Wie die „Socceroos“ Zivilisten helfen wollen.
Mit einer eigens gecharterten Maschine ist AustraliensFußball-Nationalmannschaft am Sonntag Non Stop von Melbourne nach Kuwait geflogen. In 15 Stunden von der Nummer drei im aktuellen Ranking der lebenswertesten Städte weltweit hinein in eine der größten Krisenzonen des Planeten.
An diesem Dienstag (15 Uhr MEZ) bestreiten die Socceroos in dem Golfstaat ihr zweites WM-Qualifikationsspiel – gegen Palästina.
Der Krieg im Nahen Osten, der durch den Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst wurde, beeinflusst den Sport und das Spiel natürlich.
Australier haben die besondere Situation besprochen
„Wir sprechen hier von einem der kompliziertesten geopolitischen Konflikte der vergangenen 100 Jahre“, sagte Jackson Irvine (30), der Kapitän des FC St. Pauli, der Nachrichtenagentur AP: „Wir sind uns dessen bewusst. Wir haben darüber als Gruppe gesprochen, nicht nur in Hinblick auf das Spiel, sondern auch auf die Erkenntnis, was das bedeutet.“
Dennoch will das Team versuchen, am Dienstag die politische Dimension so weit wie möglich auszublenden. „Darauf haben wir keinen Einfluss“, sagte Nationaltrainer Graham Arnold, „das einzige, was wir beeinflussen können, ist unsere Leistung gegen Palästina und dass wir unseren Job für Australien erledigen.“
Connor Metcalfe ist auf dem Weg zum Stammspieler und dankt Irvine
Dabei wird neben Irvine voraussichtlich in Connor Metcalfe (23) ein weiterer Spieler des FC St. Pauli in der Startelf stehen. Der Mittelfeldspieler überzeugte beim 7:0 gegen Bangladesch am Donnerstag mit einer starken Leistung und zwei Torvorlagen. „Natürlich ist es ein Ziel von mir, Stammspieler in der Nationalmannschaft zu werden“, sagte Metcalfe.
Ein Grund für seine Entwicklung sieht er neben der Förderung beim FC St. Pauli auch in Irvine. „Jackson hilft mir viel, er ist Kapitän in meinen Verein, er unterstützt mich mit seiner Erfahrung sehr“, so Metcalfe, „er ist ein großes Vorbild auf und neben dem Platz.“
St.-Pauli-Kapitän Irvine unterstützt humanitäre Hilfe
In seiner Rolle „neben dem Platz“ ist der sozial sehr engagierte Irvine natürlich auch in Bezug auf die Partie gegen Palästina tätig geworden. Die „Socceroos“ werden einen Teil ihrer Prämie an die Hilfsorganisation Oxfam für humanitäre Hilfen in Gaza zu spenden.
Der fünfstellige Betrag wird in der gleichen Höhe durch den australischen Verband und die Spielergewerkschaft PFA aufgestockt, deren Präsident Irvine ist. „Ich unterstütze alle humanitären Anliegen“, sagt Irvine, „der Tod von Zivilisten ist in jedem Konflikt eine Tragödie.“ Ärger mit seinem Club muss er wegen dieser Aussage selbstverständlich nicht fürchten.
„Für uns ist es schon eine schwierige Situation, allein, wenn wir daran denken, was dieses Spiel für die palästinensischen Spieler bedeutet, wie es für sie ist, in dieser Situation, weiter Fußball zu spielen“, führte Irvine weiter aus.
„Heimspiel“ Palästinas wurde nach Kuwait verlegt
Die Partie sollte eigentlich nahe Ramallah, der Hauptstadt des palästinensischen Autonomiegebietes im Westjordanland, ausgetragen werden, wurde nach Ausbruch des Krieges aber nach Kuwait verlegt. „Wir wissen, dass die Palästinenser bereit sein werden. Wir wissen, dass sie um viel mehr als nur Fußball spielen werden“, sagt Verteidiger Harry Souttar vom englischen Zweitligisten Leicester City.
Beim ersten Qualifikationsspiel am vergangenen Donnerstag in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegen den Libanon (0:0) trugen die Spieler vor dem Anpfiff symbolisch Palästinensertücher.
„Wir wollen gute Resultate erzielen und guten Fußball bieten, um Palästinas Identität zu zeigen und der Welt zu demonstrieren, dass dies ein Volk ist, das zu leben verdient und das den Frieden liebt“, sagte Trainer Makram Daboub (50), ein Tunesier.
Rund 40.000 Palästinenser leben in dem Golfstaat
Der Kader plus Teammitglieder hatte Palästina nach Kriegsbeginn verlassen und trainiert seitdem in Amman in Jordanien. Wie die Stimmung im 60.000 Zuschauer fassenden Al-Ahmad International Stadium sein wird, ist schwer vorauszusagen.
Geschätzt 40.000 Palästinenser leben heute wieder in Kuwait. Das Verhältnis ist jedoch nach der Vertreibung von etwa 150.000 Palästinensern aus dem Golfstaat 1991 schwierig, der materielle Verlust der faktisch enteigneten Flüchtlinge allein aus Kuwait wurde 1992 auf mindestens zehn Milliarden Dollar geschätzt.
- Wie der Krieg im Nahen Osten weltweit Fans der Kiezkicker entzweit
- Krieg im Nahen Osten sorgt in der Sportbranche für Diskussionen
- Sportplatz: Der Sport in Deutschland muss sich klar bekennen
Palästinas Verbandspräsident Jibril Rajoub hat seine Spieler nun aufgefordert „in einer Art und Weise aufzutreten, die der Größe des palästinensischen Volkes und der Größe der Opfer, die sie bringen, würdig ist“.
Mit dieser Mission werden die Australier klarkommen müssen, auch wenn Graham Arnold versucht, den Sport in den Mittelpunkt zu stellen: „Wir haben Mitgefühl für all das, was gerade passiert. Aber es ist ein Fußballspiel – und das soll jedermann Freude bringen.“