Elversberg. Die Kiezkicker setzen sich beim Aufsteiger durch und bauen ihre Tabellenführung aus. Nur einmal verlieren sie die Kontrolle.
Hunderte Meter am Straßenrand parkende Autos; Ordner, die das Verkehrschaos in Saarländisch der feinsten Klinge zu schlichten versuchen; ein an Stellen adrettes, an anderen behelfsmäßiges Stadion in der Provinz; und ein unbelasteter Gastgeber, der einen Favoriten empfängt, dem 120 Minuten aus 70 Stunden zuvor in den Knochen stecken.
Es musste nicht mal Pokal sein, damit am Freitagabend praktisch alles beim Aufeinandertreffen der SV Elversberg und des FC St. Pauli nach Überraschung schrie. Aber: Nicht mit diesem Kiezteam. Daran war beim 2:0 (2:0)-Erfolg nicht einmal im Entferntesten zu denken. Stattdessen kamen Gedanken über das Große und Ganze auf. Vor allem aber das Große.
FC St. Pauli lässt Elversberg klein wirken
Elversberg, dieses knapp 13.000-Einwohner-Städtchen, übt auf einen Großstädter immer noch eine gewisse Faszination aus. Obwohl die Spielvereinigung im deutschen Profifußball längst etabliert ist – und das, wie die kultivierte Spielweise zeigt, auch in der Zweiten Liga völlig rechtens.
Was allerdings der FC St. Pauli in dieser Saison zelebriert, dürfte für Beobachter ländlicher wie urbaner Herkunft zugleich faszinierend sein. Dass Elversberg dagegen klein wirkte, lag einzig und allein daran, dass die Hamburger in dieser Verfassung tatsächlich der große Aufstiegsfavorit sind.
FC St. Pauli kontrolliert Elversberg wie einen Hund an der kurzen Leine
Weil der Auftritt von den Augen von mehr als 2000 mit ins Saarland gereisten Fans an Reife kaum zu übertreffen war. Die Mannschaft von Cheftrainer Fabian Hürzeler spielte die Südwestdeutschen nicht an die Wand, kontrollierte sie aber nahezu durchweg wie einen bewegungsfreudigen Hund an der kurzen Leine. Elversberg kläffte gelegentlich, wirklich verletzende Attacken gestattete St. Pauli aber nicht. Auch die befürchteten Ermüdungserscheinungen waren zu keinem Zeitpunkt ein Problem.
Hürzeler hatte im Vergleich zum DFB-Pokal-Spiel gegen den FC Schalke 04 (2:1 nach Verlängerung) am Dienstag vorsorglich auf sechs Positionen in der Startelf Umstellungen vollzogen. Die einzig „echten“ Rotationen im Vergleich zum vergangenen Zweitligamatch waren die Hereinnahmen von Philipp Treu für Lars Ritzka im linken Mittelfeld und Verteidiger Adam Dzwigala für Eric Smith, dessen erneute Adduktorenbeschwerden einen Einsatz verhinderten. In die Rolle des schwedischen Spielmachers schlüpfte Hauke Wahl, und zwar ziemlich positionsgetreu als offensiv eingerückter Initiator zwischen den Innenverteidigern Dzwigala und Karol Mets.
Was im zumeist präzisen Aufbauspiel dafür sorgte, dass die Gäste gegen den oftmals hoch anlaufenden Aufsteiger Lösungen per Flachpass suchten und fanden. Ganz zufrieden war Hürzeler zunächst dennoch nicht. „Bis zum 1:0 waren wir sehr dominant, danach aber arg passiv und nicht konsequent in der Verteidigung der Zwischenräume“, sagte der 30-Jährige. Die erwähnte frühe Führung resultierte allerdings nicht aus einer der guten Kombinationen, sondern einem Standard.
Hartel überragt, legt auf und trifft selbst
Bei einer Ecke des – muss man es eigentlich noch erwähnen? – erneut überragenden Marcel Hartel kam Johannes Eggestein aus 13,62 Metern derart frei zum Kopfball, dass der Eindruck entstehen konnte, die fünf Partien zuvor, in denen der Mittelstürmer jeweils getroffen hatte, hätten sich nicht bis in den letzten Winkel Deutschlands herumgesprochen. So erzielte er jedenfalls halbwegs spektakulär sein sechstes Tor in Serie.
Natürlich legte auch Hartel noch einen Treffer nach. Einen Hammer vom Strafraumeck unter die Latte. Unfassbar, dass es einmal hieß, der Mittelfeldrenner habe eine Abschlussschwäche. Auf den entdeckten Torriecher angesprochen, wollte Hartel aber nur über das Team sprechen: „Nach dieser Woche noch so zu laufen und zu fighten, schuldet mir großen Respekt vor dem Charakter der Mannschaft.“
Mehr zum FC St. Pauli
- FC St. Pauli: So plant Hürzeler mit Smith und Amenyido
- FC St. Pauli: Wie teuer ist dieser Sieg gegen Schalke?
- FC St. Pauli: Was Hürzeler aus den Fehlern in Elversberg lernen will
Spätestens von diesem Zeitpunkt schaukelte St. Pauli das Duell nach Hause, wohin es abends per Charter aus Saarbrücken via Hannover noch ging. „Das 2:0 hat uns Ruhe gegeben, dann haben wir auch wieder besser und höher verteidigt“, sagte Hürzeler. Eggestein per Kopf (26.) sowie die Lattenschützen Oladapo Afolayan (68.) und Etienne Amenyido (84.) hätten sogar noch erhöhen können.
Stichwort: Sein Konto der Gelben Karte stockte Kapitän Jackson Irvine auf fünf auf und fehlt damit kommenden Freitag gegen Hannover 96. „Das war dämlich von mir, weil ich zuvor den Ball verloren habe. Aber zumindest sind so die Derbys in Rostock und gegen den HSV sicher, weil mir in diesen keine Sperre droht“, sagte der ansonsten „extrem stolze“ Irvine über den Moment des Kontrollverlustes, der an diesem Abend die Ausnahme blieb.
So musste St. Pauli am Ende nicht mal den Bus vor dem eigenen Tor parken – wenngleich dieser direkt hinter der Tribüne im Rücken von Torwart Nikola Vasilj stand. Stattdessen parken die Hamburger weiter komfortabel an der Tabellenspitze.