Hamburg. Kiezkicker müssen über 120 Minuten gehen. Simon Zoller gibt sein Startelfcomeback, aber der Pokalheld ist ein anderer.

Als Schiedsrichter Bastian Dankert um 20.38 Uhr am späten Dienstagabend endlich abpfiff, kannte der Jubel auf den Rängen des Millerntor-Stadions keine Grenzen mehr. Es war ein Pokalabend so ganz nach dem Geschmack der Fans des FC St. Pauli. Rückstand, Ausgleich und Siegtreffer in der Verlängerung – am Ende besiegte das Team vom Kiez den FC Schalke 04 mit 2:1 (0:1, 1:1) und stürmte damit ins Achtelfinale des DFB-Pokals. Marcel Hartel und Johannes Eggestein waren die gefeierten Torschützen.

„Wir waren extrem dominant und sind ruhig geblieben“, Freute sich Kapitän Jackson Irvine über das Weiterkommen. „Nach der Pause haben wir mit mehr Tempo gespielt und den Ball laufen lassen. Das war der Schlüssel zum Sieg.“

St. Pauli gewinnt nach Verlängerung gegen Schalke

Ähnlich sah es Cheftrainer Fabian Hürzeler. „Wir waren in der ersten Halbzeit teilweise behäbig und nicht präzise genug. Aber nachdem wir in der Pause etwas verändert haben, waren wir in der zweiten Hälfte sehr dominant“, sagte Hürzeler und betonte: „Besonders in der Verlängerung hat mir imponiert, wie die Mannschaft weiter geduldig Fußball gespielt hat und nicht in Hektik verfallen ist.“

Hürzeler hatte sein Team gegenüber dem spät erkämpften 2:1-Sieg gegen den Karlsruher SC drei Tage zuvor auf gleich fünf Positionen verändert. Wie schon beim 5:0 in ersten Pokalrunde in Delmenhorst hütete dabei Sascha Burchert das Tor und konnte am Ende erneut als Sieger vom Platz gehen. Wie schon zuvor Paderborn und Karlsruhe begegnete jetzt auch Schalke dem Zweitligatabellenführer aus einer extrem abwartenden Haltung heraus. Dies führte dazu, dass der Bundesliga-Absteiger erst nach knapp sechseinhalb Minuten seine erste etwas längere Ballbesitzphase hatte.

Zweitligaspitzenreiter gerät zunächst in Rückstand

Allerdings führte die optische Überlegenheit nicht zu einem Torschuss der St. Paulianer. Es kam sogar noch schlimmer: Als die Schalker sich einmal in die gegnerische Hälfte wagten, nutzten sie einen Freistoß aus halbrechter Position zur 1:0-Führung (16. Spielminute). Innenverteidiger Marcin Kaminski beförderte den von Tobias Mohr mit links in den Strafraum geschlagenen Ball per Kopf ins St.-Pauli-Tor. Der Torschütze hatte sich dabei gegen Irvine durchgesetzt.

Die Hamburger brauchten eine gewisse Zeit, um sich von diesem nun schon dritten 0:1-Rückstand in Folge zu erholen. Erst in der 28. Minute setzte Elias Saad mit seinem Schrägschuss das erste offensive Signal.

Riesenchance von Zoller

Insgesamt war dem in den petrolfarbenen Pokaltrikots angetretenen Heimteam anzumerken, dass angesichts der Personalwechsel die offensiven Automatismen nicht so gut wie meist in dieser Saison funktionierten. Insbesondere war auch Mittelstürmer Simon Zoller nicht so in das Kombinationsspiel eingebunden wie zuletzt Johannes Eggestein.

Es gehört allerdings zur DNA eines Vollblutstürmers, in bestimmten Momenten gefährlich zu werden, auch wenn zuvor nicht viel gelungen ist. Und so kam Zoller mit dem Kopf an eine gefühlvoll von Hartel in den Strafraum geschlagene Flanke an den Ball. Der Torschrei blieb den St.-Pauli-Fans jedoch im Halse stecken, weil der Schalker Torwart Ralf Fährmann den Ball noch mit einer Glanzparade erwischte und so das 1:1 verhinderte (41.).

Ausgleich durch Elfmeterschütze Hartel

Zur Pause zog Hürzeler die Konsequenz aus dem wenig zwingenden Offensivspiel seines Teams und wechselte mit Eggestein einen neuen Stürmer ein. Zudem kam Connor Metcalfe aufs Feld und sollte auch gleich von der rechten Außenposition aus für mehr Schwung sorgen. Für die beiden mussten Danel Sinani und Lars Ritzka weichen. Philipp Treu wechselte auf die linke Außenverteidigerposition

Tatsächlich erzeugte St. Pauli nun mehr Druck. Schalkes Torwart Fährmann konnte einen Volleyschuss Metcalfes (48.) noch zur Ecke lenken, war aber neun Minuten später geschlagen. Derry Murkin hatte einen Direktschuss von Irvine im Strafraum an den recht weit vom Körper gestreckten Arm bekommen, Schiedsrichter Dankert entschied folgerichtig sofort auf Strafstoß. Da es in der zweiten DFB-Pokalrunde keinen Videobeweis gibt, stand diese Entscheidung. Hartel trat an und verwandelte sicher zum 1:1-Ausgleich (57.).

Partie geht in die Verlängerung

Fortan drängte St. Pauli auf den Führungstreffer, Hürzeler wechselte mit Etienne Amenyido für den nun doch müde gewordenen Zoller einen weiteren Stürmer ein, doch der verpasste mit seinem Kopfball links neben das Tor den zweiten Treffer (89.).

So gab es also noch eine halbe Stunde Nachschlag. „Wir haben gefühlt 70 Prozent Ballbesitz. Es ist ein toller Pokalabend, jetzt muss nur noch das Tor auf der richtigen Seite fallen“, sagte St. Paulis Präsident Oke Göttlich vor der Verlängerung, wobei er in Sachen Ballbesitz einen Volltreffer mit seiner Schätzung landete.

Eggestein köpft St. Pauli ins Glück

Und auch sein Torwunsch erfüllte sich, weil der geschickt von seinen Kollegen freigeblockte Eggestein einen perfekt von Hartel auf ihn gespielten Freistoß per Kopf zum 2:1 ins Schalker Tor beförderte (102.). Es war eine einstudierte Variante. Wie zuvor gegen Karlsruhe hatte St. Pauli das Spiel nach einem Rückstand wieder zu seinen Gunsten gedreht – passend zu Halloween mit einem zauberhaften Tor.

„Es zeichnet uns aus, dass wir Widerstände brechen, taktisch umstellen und neue Leute von der Bank bringen können, die den Unterschied ausmachen können“, sagte Siegtorschütze Eggestein.

Am Sonntag (15.45 Uhr/ZDF) wird in Dortmund das Achtelfinale ausgelost, das am 5./6. Dezember gespielt wird.

Die Statistik:

  • St. Pauli: Burchert – Wahl, Smith (99. Dzwigala), Mets – Treu, Irvine, Hartel, Ritzka (46. Metcalfe) – Sinani (46. Eggestein), Zoller (79. Amenyido), Saad (90. Saliakas). – Trainer: Hürzeler
  • Schalke: Fährmann – Cissé (61. Kalas), Kaminski, Murkin – Matriciani, Schallenberg, Latza (61. Tauer), Mohr (76. Kabadayi) – Karaman – Lasme (76. Kozuki), Terodde (40. Polter). – Trainer: Geraerts
  • Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock)
  • Tore: 0:1 Kaminski (16.), 1:1 Hartel (57., Handelfmeter), 2:1 Eggestein (102.)
  • Zuschauer: 29.546 (ausverkauft)
  • Gelbe Karten: Amenyido, Irvine, Hartel – Schallenberg, Matriciani, Kabadayi
  • Torschüsse: 25:8
  • Ecken: 9:2
  • Ballbesitz: 63:37 Prozent
  • Zweikämpfe: 103:90