Hamburg. St. Paulis Ex-Kapitän Sören Gonther analysiert vor dem Spiel in Paderborn beide Teams. Eines gefällt ihm an Trainer Hürzeler besonders.

Fünf Jahre sind im Leben eines Profifußballers vielleicht noch keine halbe Ewigkeit, aber doch schon eine lange Zeit. Besagte fünf Jahre spielte Sören Gonther jeweils für den SC Paderborn und anschließend auch für den FC St. Pauli. Seine Spuren hat er bei beiden Clubs hinterlassen, aber auch bei ihm selbst nehmen diese beiden Vereine in der Rückschau auf seine eigene sportliche Karriere einen ganz besonderen Platz ein.

Da ist es nur logisch, dass der jetzt 36 Jahre alte Gonther weiter mit ganz speziellem Interesse die Ostwestfalen und die Kiezkicker, die an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky und Liveticker bei abendblatt.de) in Paderborn in der Zweiten Liga aufeinandertreffen, verfolgt. Zu beiden Clubs pflegt er nach wie vor Kontakte, was inzwischen auch wieder berufliche Gründe hat. Seit dem 1. Juli ist der frühere Innenverteidiger Geschäftsführer Sport und Finanzen beim traditionsreichen Regionalliga-Verein Hessen Kassel. Da kann es nicht verkehrt sein, hier und da seine Fühler auszustrecken.

St. Pauli muss in Paderborn seine Siegesserie verteidigen

Und dann ist da noch der Nebenjob als Zweitligaexperte bei Sky. Immer freitags ist dort seine Expertise bei einem der beiden Spiele gefragt. Diesmal ging es für ihn nach Hannover zur Partie gegen Magdeburg. Vorher aber legte er im Abendblatt seine Einschätzungen über seine Ex-Clubs dar, für die er von 2007 bis 2017 je zur Hälfte spielte.

Natürlich haben die jüngsten überzeugenden und siegreichen Auftritte der St. Paulianer gegen Kiel (5:1), Schalke (3:1), bei Hertha BSC (2:1) und gegen Nürnberg (5:1) auch bei Gonther Eindruck hinterlassen. Er sagt den Hamburgern dennoch „eines der schwersten Auswärtsspiele der Saison“ voraus. „Die Paderborner haben sich nach Startschwierigkeiten gefangen, haben gut gespielt und gepunktet. Daher sind sie jetzt so konkurrenzfähig, dass sie St. Pauli ordentlich Paroli bieten können“, sagt er.

Gonther lobt Paderborns Trainer Kwasniok

Dabei nennt der 36-Jährige vor allem den vierfachen Torschützen Florent Muslija (25) und den überaus schnellen Außenstürmer Sirlord Conteh (27), der bis Sommer 2019 dem FC St. Pauli angehörte, aber im Gegensatz zu seinem Bruder Christian (jetzt VfL Osnabrück) nie für das Profiteam gespielt hat. „Auch der von Schalkes Nachwuchs gekommene Mattes Hansen ist ein richtig guter Junge“, sagt Gonther über den noch 19 Jahre jungen Mittelfeldspieler.

Sören Gonther spielte für den SC Paderborn und den FC St. Pauli. Heute ist der 36-Jährige Geschäftsführer Sport und Finanzen bei Hessen Kassel sowie als Experte bei Sky tätig.
Sören Gonther spielte für den SC Paderborn und den FC St. Pauli. Heute ist der 36-Jährige Geschäftsführer Sport und Finanzen bei Hessen Kassel sowie als Experte bei Sky tätig. © imago/Steffen Kuttner | Steffen Kuttner

Nach einem katastrophalen Saisonstart mit dem 0:5 in Fürth konnten die Paderborner, die in der vergangenen Saison direkt hinter St. Pauli Platz sechs belegt hatten, zuletzt zehn Punkte aus den jüngsten vier Spielen sammeln. Dies sei auch ein Verdienst von SCP-Trainer Lukas Kwasniok, ist sich Gonther sicher. „Er ist ein fachlich einfach herausragender Trainer, der sich gegen jeden Gegner immer etwas Besonderes einfallen lässt. Das wird auch gegen St. Pauli so sein.“

St. Pauli hat bisher die beste Abwehr der Liga

Beim Stichwort Trainer muss zwangsläufig die Rede auf Kwasnioks Pendant beim FC St. Pauli, Fabian Hürzeler (30), und dessen so erfolgreiches Spielkonzept kommen. „Seit der vergangenen Rückrunde hat die Mannschaft eine herausragende Qualität gegen den Ball. Dieses gemeinschaftliche Verteidigen von allen Spielern ist einfach ein Faustpfand“, betont Gonther und nennt in diesem Zusammenhang eine hochinteressante Statistik: „Die beste Abwehr ist in der Zweiten Liga am Ende immer mindestens Tabellendritter geworden.“

Aktuell haben die Hamburger in den ersten neun Punktspielen erst sechs Gegentreffer hinnehmen müssen. Das ist nicht nur der ligaweite Bestwert, sondern es hat auch nur einer dieser Gegentreffer Punkte gekostet, nämlich beim 1:1 bei Eintracht Braunschweig. Alle anderen fünf Spiele, in denen Torwart Nikola Vasilj einen Ball aus dem Netz holen musste, gewann St. Pauli trotzdem.

Hürzeler zeigt zwei verschiedene Charakterzüge

St. Pauli habe zwar nicht den einen Torjäger, der 20 oder mehr Tore in einer Saison garantiert, wie es in der Vergangenheit ein Simon Terodde oder zuletzt der Heidenheimer Tim Kleindienst war. „Aber wenn sie die Treffer so verteilen, wie es zuletzt gelungen ist, funktioniert es auch“, sagt der frühere Kapitän der Braun-Weißen. Dazu komme die Tatsache, dass auch die Spieler, die eingewechselt werden oder auch mal neu in die Startelf kommen, keinen Leistungsabfall bewirken. Außerdem, so habe er intern gehört, herrsche eine durchweg positive Stimmung.

„Das, was St. Pauli spielt, spricht total für Fabian Hürzeler. Wenn sie so spielen wie zuletzt, sind sie nahezu unschlagbar“, fasst Gonther zusammen, erwähnt aber auch Co-Trainer Peter Nemeth und dessen akribische Detailarbeit mit den Profis. „Sie spielen mit Ball sehr variabel, aber alle wissen dabei, was sie machen“, sagt er.

Bei Hürzeler faszinieren ihn unterdessen die beiden so gegensätzlich scheinenden Charakterzüge. „Ich finde interessant, dass er an der Linie so emotional ist und seine Ausraster hat. Das traut man ihm so gar nicht zu, wenn man mit ihm im Interview oder abseits des Platzes redet. Da ist er eigentlich der liebste Mensch. Aber dann platzt es so aus ihm heraus. Das finde ich schon cool. Da freue ich mich auch schon jetzt auf das Derby gegen den HSV“, sagt Gonther.

Jetzt schon Vorfreude auf das Stadtderby gegen den HSV

Was also kann den FC St. Pauli in dieser Saison also noch auf dem angestrebten Weg in Richtung Bundesligaaufstieg, unabhängig vom Spiel in Paderborn, noch ausbremsen? „Die Krux ist es, dass man dieses Niveau in einer ganzen Saison beweisen muss und eben nicht in einem Kalenderjahr. Bisher hatte St. Pauli sehr oft eine starke Hinrunde und schlechte Rückrunde oder umgekehrt. Den Beweis, dass es auch anders geht, sind sie dann vom Winter an schuldig“, fordert er.

Dabei war Sören Gonther im Frühjahr 2017 selbst an einer starken Rückrunde mit 34 Punkten beteiligt, was nach dem letzten Platz nach der Hinrunde am Ende noch zu Rang sieben führte. Ein Jahr davor hatte er erlebt, wie Platz drei nach der Hinrunde in der zweiten Saisonhälfte verspielt wurde.

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Bleibt vor St. Paulis Auftritt in Paderborn also nur noch die Personalie Max Kruse zu besprechen. Der Stürmer mit dem weitaus höchsten Promifaktor im Paderborner Kader hat bisher erst 183 Einsatzminuten in dieser Saison zu Buche stehen. Paderborns Trainer Kwasniok ließ bereits durchblicken, dass der Ex-Nationalspieler auch gegen seinen früheren Verein (2009 bis 2012) nicht von Beginn an spielen wird. Gegen die Hamburger sei Laufstärke gefragt, meinte er.

Was Gonther jetzt von Max Kruse hält

„Max Kruse funktioniert noch nicht so, wie sie es sich in Paderborn vorgestellt haben. Über seine fußballerischen Qualitäten muss man aber nicht diskutieren. In Normalform ist in der Zweiten Liga offensiv niemand besser. Vielleicht ist Karlsruhes Lars Stindl noch auf diesem Level“, urteilt Gonther.

Doch kann Kruse mit seinen jetzt 35 Jahren seine frühere Verfassung überhaupt noch einmal erreichen? „Er hatte lange keinen Spielrhythmus, und der Zahn der Zeit nagt auch an ihm. Man kann sich selbst fit halten, wie man will, aber Mannschaftstraining ist nicht zu ersetzen“, betont Gonther. „Aber die Saison ist noch lang.“

Siegprognose für St. Pauli auch in Paderborn

Und wie geht es nun am Sonnabendmittag im Paderborner Wellblechstadion, das jetzt Home-Deluxe-Arena heißt, aus? Da hat Sören Gonther eine klare Einschätzung – mit einem Hintertürchen: „St. Pauli gewinnt auch dieses Spiel – wenn das Team seine Leistungsgrenze erreicht und alles normal läuft.“ Aber was ist in der Zweiten Liga schon normal?

SC Paderborn: Huth – Ma. Schuster, Tob. Müller, M. Hoffmeier – Obermair, Klefisch, Hansen, Muslija – Ansah, Klaas – Grimaldi.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka – Afolayan, J. Eggestein, Saad.
Schiedsrichter: Martin Petersen (Stuttgart).