Hamburg. Max Kruse vom SC Paderborn gibt auf seinem Youtube-Kanal unverblümte Einsichten in seinen Alltag. Eine angenehme Abwechslung.

War’s nicht mal ein Vier-Stunden-Arbeitstag? 2022 hatte Max Kruse, damals noch in Diensten des VfL Wolfsburg, für Aufsehen gesorgt, als er über die Halbtagsarbeitszeiten von Fußballprofis sprach.

Inzwischen ist der gebürtige Reinbeker bei schlappen zweieinhalb Stunden angelangt. Na ja, Zweite Liga eben, Abstellgleis beim SC Paderborn – auf dem am Sonnabend der tabellenführende FC St. Pauli, für den er von 2009 bis 2012 gespielt hat, einfährt. Doch der Schein trügt.

Max Kruse gibt Einblicke in seinen Alltag

Wenn der mittlerweile 35-Jährige auf dem Youtube-Kanal von sich und seiner Frau Dilara Einblicke in seinen Trainingsablauf gibt, weicht der Eindruck vom Kurzzeitarbeiter wieder. Zwar beginnt die Einheit in Paderborn erst um 13.45 Uhr mit einem Mittagessen und endet nach individueller Aktivierung und Mannschaftstraining auf dem Platz bereits gegen 16 Uhr wieder, doch für Kruse ist es damit nicht getan. „Ich lege häufig danach noch eine Einheit im Gym ein, trainiere zweimal wöchentlich meinen Bauch. Außerdem haben wir dreimal die Woche Videoanalyse“, sagt der Stürmer.

39.000 Menschen haben „Die Kruses“ abonniert. Alle zwei Wochen sinnieren Dilara und Max Kruse darin über ihren Alltag, verpasste Flüge oder auch die besten Döner Berlins.

Zigaretten auf der Kommode, Schuhe im Hausflur

Ausschnitte der Folgen sind amüsant, andere vollkommen belanglos. „Das ist unser Nebeneingang, den benutzen wir nicht. Wir haben ja einen Haupteingang“, sagt Kruse an einer Stelle einer Tour durch seine Paderborner Wohnung, „das ist unser Spiegel“, als er vor einem Spiegel steht, an einer anderen.

Ihm dies nun vorzuwerfen, wäre in einer Fußballwelt, in der prägnante Charaktere zunehmend von PR-Abteilungen gezügelt werden, allerdings unfair. Immerhin gibt der Linksfuß ziemlich unverblümte Einblicke in sein Privatleben. Die Schachtel Zigaretten – mutmaßlich von Handwerkern – bleibt im Film einfach auf der Kommode liegen, die Schuhe sind als wüste Stolperfallen in der Dreizimmerwohnung verteilt, für die die Kruses „1600 warm“ zahlen, wie der Hausherr angenehm offen ausplaudert.

Kruse: "In der Zweiten Liga gibt es mehr Typen"

Im Team ist der 14-fache Nationalspieler beliebt, wenngleich die Kollegen häufiger seinen Neckereien ausgesetzt sind. Doch Kruse scheint sich nach mehr als einer Dekade Erstklassigkeit in der Zweiten Liga tatsächlich wohlzufühlen. „In der Zweiten Liga gibt es mehr Typen, die etwas gemeinsam mit dem Team machen. Umso höher du spielst, umso mehr macht jeder sein eigenes Ding, passt mehr auf“, sagt Kruse.

Als echter Typ hat sich Kruse Zeit seiner Karriere profiliert. Die Geschichten abseits des Platzes, die zumeist medial größer aufgebauscht wurden, als sie eigentlich waren, übertünchen in der öffentlichen Wahrnehmung häufig eines: Dass der Wahlberliner eine ziemlich veritable Karriere mit guten Leistungen und Torgarantie an nahezu jeder Station hingelegt hat.

Kwasniok lässt seinen Star noch schmoren

Ein weiterer Beweis dafür steht in Paderborn bislang allerdings noch aus. Weil Kruse nicht fit war, sich Mitte August einen Muskelfaserriss zugezogen hatte. Nach seiner Genesung ließ ihn Trainer Lukas Kwasniok dreimal auf der Bank schmoren. Ungewohntes Terrain.

„Ich hätte natürlich gern mehr gespielt, kann die Entscheidung des Trainers aber auch verstehen“, hatte Kruse in der Folge „Saisonstart, Verletzung, Umzug“ zunächst noch gesagt. Zuvor hatte ihn Kwasniok wegen Trainingsrückstands nicht in den Kader für das Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden (2:1) berufen.

Die spielerische Klasse ist weiter vorhanden

Rund vier Wochen und nur 28 Spielminuten später soll die Stimmungslage gedrückter sein. Es habe erste leichte Verstimmungen zwischen Kruse und Kwasniok gegeben, heißt es aus Paderborner Kreisen. „Es ist klar, dass er mehr Spielzeit möchte, aber das wollen 20 andere auch“, sagte Kwasniok in Folge des 3:1-Siegs gegen Eintracht Braunschweig, bei dem sein Star erst in der 64. Minute eingewechselt worden war.

Nachhaltige Effekte sind zunächst jedoch nicht zu erwarten. Einerseits überzeugte Kruse in seinem Kurzeinsatz, andererseits ist seine Klasse für Zweitligaverhältnisse nach wie vor gut genug, um für besondere Momente bei den formstarken Ostwestfalen zu sorgen. Über seinen einzigen Scorerpunkt, einer Vorlage beim 1:1 gegen den VfL Osnabrück, sollte er mühelos hinauskommen.

Kruse ernährt sich inzwischen ketogen

Da Kruse hart dafür arbeitet. Seit einigen Wochen ernährt er sich ketogen. „Was das ist, kann ich nicht genau erklären, aber ich lasse Zucker und Kohlenhydrate weg“, sagt der Inhaber einer goldenen PlayStation über die proteinreiche Diät.

Der SC Paderborn beschäftigt einen Koch, der ihn und seine Mitspieler versorgt, darunter mit „richtig leckerem“ ketogenen Mousse au Chocolat. „Zu Hause kocht, wenn überhaupt, Dilara.“

Das Menü zum Aufstieg? Abgeschlossen, das ist spürbar, hat Kruse mit der Bundesliga noch nicht. Wenngleich das wieder längere Arbeitstage bedeuten würde.