Berlin. Nach dem 2:1-Sieg bei Hertha BSC führt der FC St. Pauli die Zweitligatabelle an. Mit wem die Hamburger trotzdem haderten.

Der Ausflug für 13.000 St.-Pauli-Fans in die Hauptstadt hat sich gelohnt. Nach dem 2:1 (1:0)-Sieg bei Hertha BSC feierten sie im Berliner Olympiastadion ihre Mannschaft, die sich mit einer aufstiegsreifen Leistung wieder vor den HSV und damit an die Tabellenspitze der Zweiten Liga setzte. „St. Pauli hat hier verdient gewonnen", sagte später Herthas Trainer Pal Dardai und zollte St. Pauli Lob für einen überaus reifen Auftritt.

„Wir haben mutig gespielt und hatten die Kontrolle. Sehr gut war vor alle die defensive Stabilität", fasste St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler das Geschehen zusammen. „Wir haben nur verpasst, aus unseren Chancen mehr Tore zu erzielen. Dann hätten wir bis zum Ende einen ruhigeren Abend gehabt." So mussten er und seine Spieler nach dem Anschlusstreffer nochnein bisschen um den Sieg bangen.

Mit der identischen Startelf wie beim 3:1-Sieg genau eine Woche zuvor im Millerntor-Stadion gegen den FC Schalke 04 ging der FC St. Pauli auch im Berliner Olympiastadion ins Auswärtsspiel bei Hertha BSC. Zu einer Veränderung hatte es für Trainer Fabian Hürzeler nach dem verdienten Erfolg gegen den Bundesliga-Absteiger auch keinen Grund gegeben.

St. Paulis Kapitän Irvine zurück im Kader

Wie er bereits am Donnerstag recht klar angedeutet hatte, war auch Kapitän Jackson Irvine nach seinem Bänderriss wieder einsatzfähig und nahm zunächst auf der Ersatzbank Platz. Nach zwei Trainingseinheiten mit der Mannschaft kam ein Einsatz in der Startelf allerdings noch nicht in Betracht. Später kam er aber ins Spiel und meldete sich damit weit früher zurück, als zunächst zu befürchten gewesen war.

Emotional wurde es bereits eine knappe halbe Stunde vor dem Anpfiff, als Kevin-Prince Boateng offiziell verabschiedet wurde. Der 36 Jahre alte Mittelfeldspieler hatte im August sein Karriereende verkündet, nachdem er zwei Jahre zuvor zu seinem Heimatverein zurückgekehrt war. „Wo ich auch immer auf der Welt gespielt habe, habe ich Hertha immer in meinem Herzen gehabt“, sagte der frühere ghanaische Nationalspieler.

Mehr Zuschauer als bei jedem Bundesligaspiel an diesem Wochenende

In dem riesigen Oval des Olympiastadions entwickelt sich dank der prall gefüllten Fanblocks von Beginn an eine herausragende Stimmung. Rund 13.000 St.-Pauli-Anhänger unterstützten ihr Team und waren dabei zeitweise lauter als die Hertha-Fans. Auf jeden Fall hatte die Kulisse mit den insgesamt 66.113 Zuschauern absolutes Erstliga-Niveau. Mehr noch: In keinem Bundesligastadion waren an diesem Spieltag so viele Besucher wie bei diesem Zweitliga-Topspiel.

Auf dem Feld brauchte die Partie dagegen ein wenig Anlaufzeit, um in Fahrt zu kommen. Ein scharfer Querpass von Johannes Eggestein, der im Berliner Strafraum aber an allen vorbeirauschte (8. Minute) und ein Schuss von Marcel Hartel rechts am Hertha-Tor vorbei (10.) waren die ersten Offensivkationen.

Eggestein trifft erstmals unter Trainer Hürzeler

Die St. Paulianer aber bekamen im Verlauf der ersten Halbzeit das Spiel immer besser in den Griff. Dabei wurden auch die Offensivaktionen vor allem über die Außenbahnen vielversprechender. So war es auch kein Zufall, dass auch das Führungstor von Linksaußen Elias Saad ausging. Er zog mit dem Bal nach innen und bediente Johannes Eggestein. Aus der Drehung prüfte er Torwart Tjark Ernst und verwandelte den Abpraller zu St. Paulis 1:0-Führung (25.).

Es war für Mittelstürmer Eggestein das erste Ligator, das er unter Trainer Fabian Hürzeler erzielte. In der vergangenen Rückrunde und auch zu Beginn dieser Saison hatte der frühere Bremer zwar immer im Kader gestanden, aber kaum eine Rolle gespielt. Seit dem 5:1-Heimsieg gegen Kiel aber ist er erste Wahl auf der zentralen Position im Angriff.

Schiedsrichter Aytekin nimmt Strafstoß zurück

St. Paulis Torwart Nikola Vasilj musste erst in der 32. Minute erstmals eingreifen, als er einen Kopfball von Hertha-Angreifer Smail Prevljak entschärfte. Das war es dann aber auch schon fast mit den Berliner Angriffsbemühungen in der ersten Halbzeit. Allenfalls war noch ein Schuss über das Tor von Torjäger Haris Tabakovic erwähnenswert (44.).

Davor aber hatte es reichlich Aufregung gegeben, als St. Paulis Abwehrchef Eric Smith nach einer Ecke von Herthas Andreas Bouchalakis im Strafraum getroffen und von den Beinen geholt wurde. Schiedsrichter Deniz Aytekin entschied auf Strafstoß, Marcel Hartel schnappte sich den Ball, um den Elfmeter zu verwandeln. Doch nach Intervention von Videoassistent Sören Storcks und dem eigenen Videostudium nahm Aytekin die Entscheidung zurück.

St. Paulis Trainer Hürzeler sieht Gelb

Kein Verständnis für diesen Sinneswandel hatten St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler und Sportchef Andreas Bornemann. Aytekin versuchte, die Rücknahme zu erklären, zeigte dann aber Hürzeler noch die Gelbe Karte. Ob die Verhängung des Strafstoßes wirklich eine klare Fehlentscheidung war, blieb aber höchst umstritten. Die Bilder hätten nicht klar erkennen lassen, dass Smith getroffen wurde, rechtfertigte Aytekin die Rücknahme.

Später sagte Smith dazu: „Ich bin definitiv getroffen worden. Es war nicht sehr hart, aber es war ein Treffer. Jojo Eggestein hat mir gleich gesagt, dass er es sogar gehört hat, wie ich getroffen wurde." Am Ende spielte diese fragwürdige Entscheidung aber keine Rolle für den Ausgang den Spiels.

Zur Pause mussten sich die St. Paulianer nur vorwerfen lassen, dass sie insbesondere in den Minuten nach dem zurückgenommenen Strafstoß mehrere Kontersituationen nicht sauber zu Ende gespielt hatten. Eine höhere Führung wäre gegen die anfälligen Herthaner möglich gewesen.

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So musste St. Pauli bis zur 74. Minute warten, ehe Marcel Hartel per Kopf das 2:0 erzielte, was halbwegs die Überlegenheit widerspiegelte. Dennoch wurde es noch einmal eng, als Herthas Joker Derry Scherhant den Anschlusstreffer zum 1:2 (83.) aus Berliner Sicht erzielte. Im Spielaufbau hatte der eingewechselte Jackson Irvine den Ball verloren. „Das kann passieren. Wir werden trotzdem weiter mutig von hinten herausspielen, weil es einen großen Mehrwert für uns hat. Wir sind nicht in Hektik verfallen", stellte Hürzeler klar.

Letztlich brachte sein Team dann auch den Vorsprung recht sicher nach Hause, auch wenn die Herthaner noch einmal alles versuchten und auch ihren Torwart Ernst noch in den St.-Pauli-Strafraum schickten. Nach dem Abpfiff feierten die St.-Pauli-Fans ausgelassen ihr Team. Jetzt hatten sie allein die Lautstärke-Hoheit im Olympiastadion.

Hertha: Ernst – Karbownik (71. Bence Dardai), Leistner, Kempf, Dudziak (59. Hussein) - Bouchalakis, Marton Dardai – Winkler (46. Gustav Christensen), Prevljak (71. Scherhant), Reese - Tabakovic (80. Niederlechner).
FC St. Pauli: Vasilj - Wahl, Smith, Mets - Saliakas, Metcalfe (71. Irvine), Hartel (90. Boukhalfa), Ritzka – Afolayan (85. Amenyido), Eggestein (71. Albers), Saad (85. Treu).
Tore: 0:1 Eggestein (25.), 0:2 Hartel (74.), 1:2 Scherhant (83.). – Schiedsrichter: Aytekin (Oberasbach). – Zuschauer: 66.113. - Gelb: Christensen, Dardai (2) – Hürzeler (Trainer). Statistik: Torschüsse: 8:24; Ecken: 7:3; Ballbesitz: 48:52 Prozent; Zweikämpfe: 81:65.