Hamburg. Kapitän der Kiezkicker hat nach seinem Bänderriss Chancen auf einen Kaderplatz gegen Hertha BSC. Die Kulisse dürfte speziell werden.
Wie der schon aussieht, mit langen Haaren und lackierten Fingernägeln, und wo der wohnt, mitten im Viertel, dann äußert er sich auch noch regelmäßig politisch – Jackson Irvine ist für viele alles andere als ein normaler Fußballprofi.
Dieses Vorurteil scheint der Australier nun tatsächlich in gewisser Weise zu bestätigen: Nur knapp drei Wochen nach einem Bänderriss konnte er am Donnerstag wieder in das Mannschaftstraining des FC St. Pauli einsteigen und ist sogar eine Option für den Kader im Topspiel der Zweiten Liga am Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) bei Hertha BSC. „Es sieht sehr positiv aus, es kann sein, dass er mit nach Berlin fährt“, sagte Trainer Fabian Hürzeler. Normal ist das nicht.
FC St. Pauli: Mehr als 13.000 Fans fahren nach Berlin
Aber was ist schon normal beim FC St. Pauli? Die wahrscheinlich mehr als 13.000 Hamburger Fans im Olympiastadion sind es ja auch nicht. Sie bedeuten die größte Auswärtsunterstützung für die Kiezkicker jemals. 11.700 Tickets konnte der Club über seine Kanäle verkaufen, Hertha BSC öffnete zudem weitere Blöcke und bot dafür auch noch Karten an. Die Hertha rechnet insgesamt mit 60.000 Zuschauern im Olympiastadion.
„Diese Unterstützung für uns ist nicht selbstverständlich, es zeigt eine große Wertschätzung, der wir versuchen gerecht zu werden“, sagte Hürzeler, „es hilft uns auch, denn unsere Fans haben ein sehr gutes Gespür für Situationen, wenn wir ihren Support brauchen.“
Auch Präsident Oke Göttlich ist von der gigantischen Unterstützung begeistert: „Es fährt praktisch das halbe Millerntor in die Hauptstadt. Das ist großartig. Und es zeigt, wie sehr diese Mannschaft die Herzen der Fans erreicht hat.“
Herthas Trainer Dardai hat „Schwächen“ beim FC St. Pauli entdeckt
Das liegt neben unnormalen Typen wie Irvine auch am sportlichen Erfolg. Fabian Hürzeler hat als Trainer des FC St. Pauli von bislang 24 Spielen nur zwei verloren. Und keines außerhalb der Hamburger Stadtgrenzen. Das soll so bleiben. Herthas Trainer Pal Dardai hat allerdings „Schwächen“ bei St. Pauli ausgemacht: „Wir haben sie sehr genau analysiert.“
Die große Anzahl an gegnerischen Fans lässt den Ungarn kalt: „Wir sind mehr“, sagt er. Und außerdem: „Das Olympiastadion hat ab 55.000 Zuschauern eine Seele. Dann ist es das schönste Stadion in Deutschland.“
Hürzeler hat Respekt vor Herthas „individueller Qualität“
Bundesligaabsteiger Hertha hat sich zudem nach einem völlig missglückten Saisonstart mit drei Niederlagen ohne eigenes Tor inzwischen gefangen und drei der vergangenen vier Spiele gewonnen. In Neuzugang Haris Tabakovic (29) haben die Berliner zudem den Toptorjäger der Liga. Der Schweizer hat in sechs Spielen bereits siebenmal getroffen.
Dementsprechend groß ist der Respekt von Hürzeler: „Sie hatten viele Neuzugänge, jetzt hat sich die Mannschaft offenbar gefunden“, sagt er, „die Spieler haben eine hohe individuelle Qualität, sie werden versuchen, uns zu stressen. Das wird wieder eine große Herausforderung.“
Wenn Irvine helfen kann, diese zu bestehen, um so besser. „Die Mannschaft hat es ohne ihn gut gemacht. Andererseits ist er mein Kapitän und für mich nicht zu ersetzen“, sagt Hürzeler.
Ein Bänderriss braucht normalerweise sechs Wochen
Irvine hatte in einem Länderspiel am 9. September mit Australien in Dallas gegen Mexiko (2:2) einen Riss des vorderen Außenbandes im rechten Fuß sowie eine Gelenkverstauchung erlitten. Eine solche Verletzung bedeutet erfahrungsgemäß sechs Wochen Pause.
Nicht bei Irvine. Sofort begann er mit seinen Reha-Maßnahmen, arbeitete intensiv im Trainingszentrum an der Kollaustraße, wurde praktisch täglich von der medizinischen Abteilung des Clubs untersucht. Am Dienstag drehte er erste Runden auf dem Platz, arbeitete schon individuell mit dem Ball. „Wir haben eben eine sehr gute medizinische Abteilung, die extrem gute Arbeit leistet“, sagte Hürzeler.
Mehr zum FC St. Pauli
- Was Sportchef Bornemann an Eggestein sehr schätzt
- St. Pauli stoppt Zusammenarbeit mit Beratern
- St. Pauli gegen Schalke im Stile eines Aufsteigers
Also etwa doch keine „Wunderheilung“? „Wichtig ist auch die intrinsische Motivation des Spielers, schnell wieder fit zu werden. Wir sind sehr glücklich, dass er so schnell wieder zurück ist“, sagt der Trainer.
Irvine hatte seine Rolle als Kapitän auch während seiner Spielunfähigkeit ernst genommen, war bei der Mannschaft, feuerte sie vor den letzten beiden Heimspielen in der Kabine an. Nahm Einfluss. Schon wegen seiner persönlichen Präsenz überlegt Hürzeler, ihn mit ins Olympiastadion zu nehmen: „„Es wird eine Abwägung sein, wie sehr wir ins Risiko gehen.“