Hamburg/Berlin. Früherer Stürmer und heutiger Hertha-Funktionär zählt St. Pauli zu den besten Zweitligisten. Sein Transfer nach Hamburg lief kurios ab.
Die Vorfreude auf diesen Sonnabendabend war schon in den vergangenen Tagen riesig bei Sami Allagui. Wenn im Berliner Olympiastadion Hertha BSC und der FC St. Pauli um 20.30 Uhr (Sky und Sport1, Liveticker bei abendblatt.de) zum Zweitliga-Topspiel antreten, werden beim früheren Stürmer beider Clubs ganz spezielle Gefühle aufkommen.
Natürlich fühlt sich der 37 Jahre alte Ex-Profi in erster Linie als Herthaner, seit Februar ist er beim Bundesliga-Absteiger als Assistent der sportlichen Leitung tätig und in dieser Funktion „ganz nah an der Mannschaft“, wie er betont.
Beim FC St. Pauli hatte Sami Allagui drei Trainer
Doch seine Vergangenheit am Millerntor, wo er von Sommer 2017 bis Mai 2019 aktiv war, sportliche Höhen und Tiefen mit dem Team erlebte und gleich drei verschiedenen Cheftrainern diente, hat er längst nicht vergessen. Vielmehr sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt: „Ich habe immer positive Gedanken an den FC St. Pauli und freue mich, jetzt einige Jungs aus dem Staff beim Spiel wiederzusehen.“
Unter den Spielern ist hingegen niemand mehr dabei, mit dem Allagui noch gemeinsam beim Kiezclub gespielt hat. Der letzte war Luca Zander (jetzt SV Sandhausen), der aber zur aktuellen Saison keinen Vertrag mehr beim FC St. Pauli erhalten hatte.
Weiter in Kontakt mit Präsident Oke Göttlich
Aber immerhin kennt Allagui noch Athletiktrainer Karim Rashwan, die Teamärzte Volker Carrero und Sebastian Schneider, die Physiotherapeuten Alexander Blase und Dominik Körner sowie nicht zuletzt Teammanager Jonas Wömmel. „Auch mit Oke Göttlich bin ich immer in Kontakt geblieben. Gerade in der vergangenen Woche hat er mir geschrieben, dass er beim Spiel leider nicht dabei sein kann“, berichtet Allagui über seinen Kontakt zu St. Paulis Präsidenten.
So sind es die eigene Vergangenheit am Millerntor und seine aktuelle berufliche Aufgabe, die den früheren tunesischen Nationalspieler (27 Länderspiele, fünf Tore) mit großem Interesse auf die Entwicklung des FC St. Pauli blicken lassen. „Mich beeindrucken nicht nur die vielen Siege, seit Fabian Hürzeler dort Trainer ist, sondern auch die Art, wie die Mannschaft Fußball spielt. Sie haben eine enorme Energie auf dem Platz, zu Hause sicher noch mehr als auswärts“, sagt er auch unter dem Eindruck der beiden jüngsten Heimsiege des Kiezclubs gegen Holstein Kiel (5:1) und Schalke 04 (3:1).
Stark beieindruckt von St. Paulis Fußball
Aber auch die Gesamtbilanz, die der FC St. Pauli seit Jahresbeginn und der Amtsübernahme von Fabian Hürzeler bislang hingelegt hat, zollt dem früheren Stürmer Respekt ab. In 24 Spielen sammelte das Team 54 Punkte, verlor nur zwei Partien, gewann aber 16 Matches. „Für mich ist das eine der zwei, drei besten Mannschaften der Zweiten Liga. Sie stehen zu Recht oben in der Tabelle“, sagt er.
Seine Hertha dagegen, für die er selbst – mit einem Jahr Unterbrechung – von 2012 bis 2017 auf Torejagd gegangen war, hatte nach dem Bundesligaabstieg einen denkbar schlechten Start in die Zweitligasaison hingelegt. Die ersten drei Spiele gingen verloren, nicht einmal ein Tor gelang dem Hauptstadtclub in diesen Partien.
Allagui leidet auf der Bank mit
Sami Allagui verfolgte all dies hautnah auf der Bank am Spielfeldrand. „Da habe ich mitgelitten“, sagt der Mann, der allein für die Berliner in 72 Pflichtspielen 17 Treffer erzielte und zehn Torvorlagen gab. „Ich denke aber, dass wir die Zeit jetzt gut überstanden haben.“ Zuletzt gab es zwei Siege in Folge gegen Braunschweig (3:0) und in Kiel (3:2). Nummer drei soll nun gegen St. Pauli folgen, um sich wieder der oberen Tabellenregion zu nähern.
„Auf der Bank bin ich eher ruhig, als Spieler war ich sicherlich auch mal emotional“, beschreibt der Familienvater seinen Wandel. „Erst beim Abpfiff freue ich mich über den Sieg oder ärgere mich kurz über die Niederlage.“
Rettig warb im Wohnzimmer für St. Pauli
Als vor zwei Wochen Andreas Rettig (60) beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zum Geschäftsführer Sport ernannt wurde, musste Allagui noch einmal daran denken, wie eben dieser Andreas Rettig ihn 2017 von Hertha BSC zum FC St. Pauli gelotst hatte. Es war ein von langer Hand vorbereiteter Transfer, den Rettig seinerzeit schon am Tag nach Allaguis letztem Saisonspiel für Hertha höchstpersönlich den wichtigsten Medienvertretern telefonisch mitteilte.
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Ebenso bemerkenswert war, wie der damals als Interims-Sportchef agierende St.-Pauli-Geschäftsführer den Wechsel forcierte. „Er war bei uns zu Hause und hat dort auch, wie es bei ihm üblich ist, mit Flipcharts gearbeitet. Er hat in unserem Wohnzimmer alles aufgehängt und fast nur mit meiner Frau geredet“, berichtet Allagui. „Irgendwann hat er sich dann doch noch an mich gewendet“, erzählt er weiter und muss heute noch über diese Anekdote schmunzeln.
Mehr als 60.000 Zuschauer im Olympiastadion
Schlussendlich hatte diese spezielle Art des Werbens Erfolg, Rettig hatte seinen „Königstransfer“ für St. Pauli über die Bühne gebracht. Die Hoffnung, dass der für St.-Pauli-Verhältnisse prominente Stürmer, den Club in die Bundesliga schießt, erfüllte sich in den beiden Jahren allerdings nicht.
Auch hier ist der Kontakt nie abgerissen. „Als er vor einiger Zeit mal in Berlin war, haben wir uns getroffen und sind eine Stunde spazieren gegangen“, berichtet Allagui, für den jetzt aber erst einmal nur das Topspiel gegen St. Pauli zählt. Vor allem die Kulisse mit mehr als 60.000 Zuschauenden löst auch bei dem erfahrenen Profi immer noch eine Faszination aus.
St. Pauli wird in Berlin von rund 13.000 Fans unterstützt
„Wir kennen das noch aus den letzten Spielen der vergangenen Saison“, sagt er. Den Abstieg verhindern konnte die Unterstützung auch nicht. Und jetzt? Rund 13.000 Fans in dem weitläufigen Oval werden den FC St. Pauli lautstark unterstützen. Auch das werden für Sami Allagui noch bekannte Gesänge und Parolen sein.