Hamburg. Warum ein Studium Angreifer Johannes Eggestein dabei geholfen hat, sich beim FC St. Pauli zurück in die Startelf zu kämpfen.

Seinen freundlichen Gesichtsausdruck und sein positives Wesen hatte sich Johannes Eggestein (25) auch in den für ihn so schweren Wochen und Monaten bewahrt. Mürrisch, abweisend, pampig – nein, so erlebt man den Offensivspieler des FC St. Pauli einfach nicht.

Und doch ist sein Lächeln seit eineinhalb Wochen noch ein wenig ausgeprägter und ein wenig entspannter als zuvor. Seit dem 5:1-Sieg gegen Holstein Kiel ist der 25 Jahre alte Eggestein wieder ein wichtiger Faktor im Spiel des FC St. Pauli.

St. Pauli siegte mit Eggestein zweimal

War es noch eine vergleichsweise große Überraschung, dass er im Nordduell mit den Kielern erstmals in einem Pflichtspiel unter Cheftrainer Fabian Hürzeler für die Startelf nominiert wurde, so war es nur konsequent, dass er diese Wertschätzung auch zuletzt beim 3:1-Heimsieg gegen Schalke 04 erfuhr, zu dem er immerhin eine Torvorlage beisteuerte.

Praktisch alles spricht dafür, dass Eggestein am Sonnabend (20.30 Uhr) im Auswärtsspiel beim Bundesliga-Absteiger Hertha BSC als Mitglied der Startformation den Rasen des Berliner Olympiastadions betreten wird, wenn mehr als 12.000 mitreisende Anhänger das Millerntor-Team auf den Rängen unterstützen werden.

Eggestein arbeitet mit persönlichen Coach

„Ich möchte gar nicht verleugnen, dass es eine schwere Zeit für mich war, auch wenn ich immer nach Lösungen gesucht habe, mich weiterzuentwickeln, auch wenn ich nicht gespielt habe“, sagte Eggestein am Mittwoch.

Dazu gehörte auch, dass er sich der Hilfe eines persönlichen Coaches bediente, der ihn mit gezieltem Krafttraining im athletischen Bereich weiter nach vorn brachte. „Das habe ich in Abstimmung mit unseren Athletiktrainern gemacht“, betont Eggestein.

Sportchef Bornemann lobt professionelle Einstellung

Lob heimst Eggestein von Sportchef Andreas Bornemann ein. „Jojo hat sich nie ins Schneckenhaus zurückgezogen, nie in der Trainingsarbeit nachgelassen, was dann ja meist die Abwärtsspirale noch beschleunigt“, sagte Bornemann am Mittwoch dem Abendblatt. „Man muss ihm, und auch anderen, sehr hoch anrechnen, dass er sich hat nie hängenlassen, sondern auf diese Chance gewartet und darauf vorbereitet hat.“

„Man ist immer ein Teil der Mannschaft, aber wenn man spielt, fühlt man sich immer noch einmal mehr integriert und wertvoller“, beschrieb Eggestein unterdessen seine Gefühlswelt. Dabei ist die interne Konkurrenzsituation auf der zentralen Stürmerposition nominell so groß wie auf keiner anderen im gesamten Kader. Sommerzugang Andreas Albers, der ein halbes Jahr zuvor geholte Brasilianer Maurides und nicht zuletzt die prominente Last-Minute-Verpflichtung Simon Zoller sind Kandidaten für den Job, den dazu zwischenzeitlich sogar Außenstürmer Oladapo Afolayan eingenommen hatte.

Harter Konkurrenzkampf in St. Paulis Sturm

„Im Vergleich zu den anderen Mittelstürmern bin ich ein Spielertyp, der sich anders in den Zwischenräumen bewegt und der an der Spielverlagerung beteiligt ist und nicht nur in der Box auf die Flanke wartet und den Abschluss nimmt. Ich bin auch am Spiel beteiligt. Das hat gerade auch in den beiden Partien ganz gut geklappt“, beschrieb Eggestein jetzt durchaus treffend seine Spielweise.

Ähnlich schätzt ihn auch Sportchef Bornemann ein. „Er ist für unsere Kombinationen immer eine sichere Ballstation, um das Spiel nach vorn zu tragen. Das hat er in den Spielen zuletzt sehr gut gemacht“, sagte er jetzt. „Jojo bringt ein deutlich anderes Spielerprofil mit als Andreas Albers, Simon Zoller, Etienne Amenyido und Maurides.

Leidtragender des Trainerwechsels im Winter

Mit zwei Treffern beim 4:4 in Karlsruhe hatte sich Eggestein am 12. November in die lange WM- und Winterpause verabschiedet. Es war bekanntlich das letzte Spiel von Trainer Timo Schultz beim FC St. Pauli gewesen.

Diesem folgte Fabian Hürzeler, der mit einem veränderten Spielsystem eine Rekordrückrunde mit 41 Punkten hinlegte. Es gab nur noch einen zentralen Stürmer, diese Rolle übernahm überwiegend Lukas Daschner (jetzt Bochum). Eggestein, der für die Rolle als Außenstürmer ein wenig zu langsam ist, war der Leidtragende des Wechsels, der Umstellung und auch des Erfolges.

Wechsel-Gedanken im Sommer

Dass in dieser Situation auch Gedanken an einen Wechsel entstanden, kann nicht überraschen. „Wir haben im Sommer über eine mögliche Veränderung gesprochen. Aber wir haben ihm dabei nie nahegelegt, den Verein zu verlassen. Vielmehr haben wir uns Mühe gegeben, ihn von solchen Gedanken schnell wieder abzubringen“, berichtete Bornemann.

Und auch Eggestein selbst war nicht wirklich darauf bedacht, die Flucht anzutreten. „Wir hatten immer einen ehrlichen Austausch“, sagte er über die Gespräche mit Bornemann und auch Trainer Hürzeler. „Ich habe gesagt, dass ich beobachte, welche Spieler kommen. Mir war wichtig, dass ich eine realistische Chance habe, mich über Leistungen wieder ins Team zu bringen.“

Eggestein wusste nichts vom Zoller-Transfer

Davon, dass St. Pauli am letzten Tag der Transferperiode noch Simon Zoller und einen prominenten Stürmer verpflichtet, wusste auch Eggestein zuvor nichts, wie er jetzt verriet. „Aber auch er ist ein anderer Spielertyp als ich.“

Geholfen hat Johannes Eggestein in den vergangenen Monaten auch der regelmäßige Austausch mit seinem beim SC Freiburg erfolgreich spielenden und rund eineinhalb Jahre älteren Bruder Maximilian. Dieser habe in seiner Karriere auch schon negative Erfahrungen, wie etwa den Bundesligaabstieg mit Werder Bremen, verarbeiten müssen.

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Eine Erklärung dafür, warum er praktisch durchweg eine positive Ausstrahlung hat, fällt ihm nach einigem Überlegen auch ein. „Ich bin jemand, der sich nicht nur als Sportler definiert. Vielmehr beschäftige ich mich auch mit anderen Themen. Das verschafft mir einen guten Ausgleich gerade in Phasen, in denen man nicht so viele persönliche Erfolgserlebnisse hat“, sagt er.

St. Paulis Eggestein studiert Psychologie

So hat Eggestein ein Psychologie-Studium an der Uni Hamburg aufgenommen. „Das ist intellektuell eine gute Herausforderung für mich. Am Anfang meiner Karriere, als im Profifußball alles neu war, hatte ich das noch gemieden. Jetzt, mit 25 Jahren, kann ich noch ein bisschen was drumherum machen und habe deshalb beschlossen, das Studium aufzunehmen“, berichtet Eggestein. Diese Ablenkung hat ihm offenbar tatsächlich nicht geschadet im Kampf um einen Platz in St. Paulis Startelf.