Hamburg. Das 0:0 gegen Fortuna Düsseldorf offenbarte ein großes Problem des FC St. Pauli. Wie es gelöst werden kann.

In seiner nun doch schon fast achtmonatigen Amtszeit als Cheftrainer des FC St. Pauli hat sich Fabian Hürzeler als eloquenter, rhetorisch gewandter und in aller Regel auskunftsfreudiger Mensch profiliert. Meist garniert ein verschmitztes Lächeln die Sätze des 30-Jährigen.

Als am Sonnabendnachmittag nach dem 0:0 im ersten Heimspiel der neuen Zweitligasaison gegen Fortuna Düsseldorf das entscheidende Thema zur Sprache kam, war Hürzeler aber plötzlich ganz kurz angebunden. „Das ist geheim“, beantwortete er die Frage, wie denn konkret das von ihm genannte „klare Anforderungsprofil“ des aktuell noch gesuchten Stürmers aussehe.

St. Paulis Trainer Hürzeler hat ein Geheimnis

Bis zum 1. September hat Sportchef Andreas Bornemann noch Zeit, einen zentralen Angreifer ans Millerntor zu holen, der die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass die auch gegen Düsseldorf zum Teil sehenswert herausgespielten Torchancen in Treffer umgemünzt werden. Nun ist es ja nicht so, dass es dem FC St. Pauli quantitativ an Offensivspielern, die als Mittelstürmer agieren können, fehlt.

Andreas Albers, Johannes Eggestein, der gegen Düsseldorf hier in der Startformation eingesetzte Oladapo Afolayan, der aktuell verletzte Etienne Amenyido und der Brasilianer Maurides, der sich nach einer Meniskusoperation wieder in Form bringt, stehen im Kader. Doch eine wirklich überzeugende Besetzung für diese so immens wichtige Position gibt es bisher nicht. Der Versuch mit Mittelfeldspieler Marcel Hartel als „falsche Neun“, der in der Vorbereitung mal praktiziert wurde, ist nicht mehr als eine Notlösung.

An Afolayans Leistung scheiden sich die Geister

„Dapo hat es doch sehr gut gemacht da vorn“, widersprach Hürzeler der Einschätzung vieler Beobachter, die Afolayan lieber mit seinen Tempodribblings auf der Außenbahn gesehen hätten. Für den dänischen Neuzugang Albers, der beim 2:1 beim 1. FC Kaiserslautern noch in der Startelf gestanden hatte, blieb zunächst nur ein Platz auf der Bank. „Es war keine Entscheidung gegen Andreas. Heute hatten wir aber das Gefühl, dass wir die Qualitäten von Dapo vorn noch besser gebrauchen können“, sagte Hürzeler, der auch von einer „Bauchentscheidung“ sprach.

Albers selbst hatte Verständnis dafür: „Die Düsseldorfer bringen zwei große Innenverteidiger mit, die einen guten Körperbau haben und im Kopfballduell sehr stark sind. Da kann es taktisch clever sein, einen kleineren Stürmer zu bringen, der ein bisschen mehr mit den Füßen spielen kann und mehr Speed hat.“ Entscheidend durchsetzen konnte sich Afolayan gegen die von Albers angesprochenen André Hoffmann und Jordy de Wijs allerdings auch nicht. Am Ende standen gerade einmal zwei Torschüsse von ihm zu Buche.

Verkauf von Medic vergrößert finanziellen Spielaum

Nicht zuletzt aus verhandlungstaktischen Gründen beteuerte Hürzeler auch nach dem torlosen Heimspielauftakt, mit dem vorhandenen Kader zufrieden zu sein. „Aber wir sondieren den Markt und sind im täglichen Austausch mit Andreas Bornemann und der Scoutingabteilung. Sie machen eine überragende Arbeit. Wenn etwas kommt, was menschlich und vom sportlichen Profil her passt, dann handeln wir noch einmal. Aber ich gehe nicht zu Borne und sage: ,Wir müssen jetzt investieren, wir haben so viel Geld, jetzt raus mit der Kohle’“, sagte er.

Damit sprach der Trainer an, dass sich mit den Einnahmen von mindestens 2,5 Millionen Euro für Jakov Medic (siehe Text unten) der Spielraum für eine Verstärkung im Angriff signifikant vergrößert hat. „Der Spieler muss reinpassen. Wenn einer auf dem Markt ist, warum nicht? Aber wenn keiner auf dem Markt ist, sage ich auch nicht ,Oh Gott, oh Gott’ und habe Angst“, stellte Hürzeler klar.

St. Paulis Kapitän Irvine gibt sich selbstkritisch

Zur Geschichte des 0:0-Spiels gegen Düsseldorf gehört auch, dass Kapitän Jackson Irvine simpel in die Rolle des umjubelten Siegtorschützen hätte schlüpfen können. War es noch Pech für den Australier, dass sein Linksschuss Richtung Tor­eck von Fortuna-Torwart Florian Kastenmeier mit einer Hand an den Pfosten gelenkt wurde (8. Minute), so hätte er zwingend das 1:0 erzielen müssen, als er mitten im Strafraum frei zum Abschluss kam (61.). „Ich hätte da mehr Gelassenheit zeigen müssen“, gab er sich später selbstkritisch, lobte auch aber Kastenmeier für seine erneut starke Reaktion.

Letztlich hatte es durchaus seine Berechtigung, dass Trainer Hürzeler meinte, „eine der besten Leistungen meiner Mannschaft, seit ich Cheftrainer bin“ gesehen zu haben. Daher könne er mit dem Unentschieden auch nicht so gut leben. Sein Düsseldorfer Gegenüber Daniel Thioune dagegen befand: „Unter dem Strich kann man mit dem 0:0 zufrieden sein. Florian hat gezeigt, dass er zu den besten Torhütern der Liga gehört. Den Ball von Irvine halten nicht so viele.“

FC St. Pauli von Roter Karte gegen Karol Mets ausgebremst

Dass St. Pauli keine Schlussoffensive mehr auf den Rasen brachte, lag an der Roten Karte, die sich Innenverteidiger Karol Mets mit seinem harten Foul an Jona Niemiec (83.) einhandelte. In der Erregung darüber sah Hürzeler auch noch Gelb, der sich zuvor schon darüber geärgert hatte, dass Schiedsrichter Daniel Schlager aus seiner Sicht bei 50:50-Situationen durchweg gegen sein Team entschieden habe. „Wir müssen so gut sein, dass der Schiedsrichter keinen Einfluss auf unser Spiel nehmen kann“, schlussfolgerte er. Ein torgefährlicher Stürmer könnte dabei von großem Nutzen sein.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka – Metcalfe (70. Sinani), Afolayan (81. Albers), Saad (86. Treu). Fortuna Düsseldorf: Kastenmeier – Zimmermann, Hoffmann, de Wijs (83. Siebert), Gavory – Sobottka, Tanaka – Klaus, Appelkamp, Iyoha (70. Niemiec) – Ginczek (70. Vermeij). SR: Schlager (Hügelsheim). Z.: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: Metcalfe, Hürzeler, Nemeth, Sinani – Gavory. Rote Karte: Mets wegen groben Foulspiels (83.). Statistik: Torschüsse: 13:10, Ecken: 4:8, Ballbesitz: 53:47 Prozent, Zweikämpfe: 73:106. Laufleistung: 116,41:111,06 Kilometer.