Hamburg. Fabian Hürzeler verrät, wie er von seinen Eltern erzogen wurde, was er von ihnen gelernt hat und was ihn um den Schlaf bringt.
Seinem Ruf als Disziplin-Fanatiker wird Fabian Hürzeler selbst mehr als gerecht, als er überpünktlich zum Termin beim Hamburger Abendblatt erscheint – genauer gesagt 20 Minuten vorher. Dabei wirkt der Cheftrainer des FC St. Pauli alles andere als gehetzt, vielmehr strahlt er mit dem ihm eigenen Lächeln eine erstaunliche Entspanntheit und Gelassenheit aus.
Dass es für ihn und seine Mannschaft schon am Sonnabend (13 Uhr) ernst wird mit dem Zweitligastart beim 1. FC Kaiserslautern, ist ihm nicht anzumerken, vielmehr lässt er das Fotoshooting geduldig über sich ergehen, ehe es zur Aufnahme des „Millerntalk“ ins Podcaststudio geht.
St. Paulis Trainer spricht über seinen Führungsstil
Eine Fußball-Halbzeit inklusive üppiger Nachspielzeit spricht Hürzeler ausführlich über seine Ziele für die anstehende Saison, vor allem auch über seinen Führungsstil, was er von seinen Eltern gelernt und sich im Umgang mit den Schiedsrichtern vorgenommen hat.
„Prinzipiell bin ich ein Typ, der sehr selten nervös ist. Aber tiefenentspannt bin ich nun auch nicht. Ich weiß, dass die Saison unfassbar eng wird, die Teams sind noch dichter zusammengerückt“, sagt er, betont aber auch, dass er sich nach der guten und intensiven Vorbereitung, die der „Schlüssel zum Erfolg“ sei, jetzt auch auf die Herausforderung auf dem Betzenberg in Kaiserslautern freut.
Nach den Spielen kann Hürzeler kaum schlafen
Am Tage nach außen eine entschlossene Gelassenheit zu demonstrieren und vorzuleben, ist ja nur die eine Seite. Aber wie sieht es nachts aus, wenn Geist und Körper regenerieren sollen? Lässt die ihm eigene Akribie überhaupt zu, dass er genügend Schlaf bekommt? „Ich schlafe immer sehr gut und auch sehr früh ein. Mit dem Aufwachen hat es sich mit dem neuen Job ein bisschen geändert. Da wache ich schon mal sehr früh auf, und dann wird es sehr, sehr schwer, wieder einzuschlafen“, verrät Hürzeler.
„Es kommen einem immer wieder Gedanken in den Kopf. Dazu gehören auch taktische Themen. Damit befasse ich mich dann und versuche, die bestmögliche Idee umzusetzen.“ Noch schlimmer aber sei es in der Nacht nach den Spielen: „Da arbeitet noch so viel Adrenalin im Körper, dass ich fast gar nicht schlafe.“
Hürzeler praktiziert eine "freundschaftliche Autorität"
Mit seinen gerade einmal 30 Jahren ist Hürzeler weiterhin der jüngste Cheftrainer im deutschen Profifußball, wobei er sich selbst als „jungen Menschen“ bezeichnet, aber nicht als „jungen Trainer“, weil er eben schon mit 22 Jahren erstmals ein Herrenteam gecoacht hat. Eine feine Unterscheidung. Und doch überrascht, dass so ein „junger Mensch“ als Trainer einen diktatorisch anmutenden Führungsstil praktiziert. Gerade hat er im Trainingslager in Südtirol nicht nur den Kapitän, sondern auch die beiden Stellvertreter und die drei weiteren Spieler des Mannschaftsrates bestimmt.
„Ich bin unfassbar klar in meiner Idee, wie ich führen und gewisse Abläufe haben will. Ich bin kein Fan von flachen Hierarchien, sondern von einer klaren Struktur in einer Mannschaft“, begründet Hürzeler sein Vorgehen, das vielleicht als „diktatorisches Handeln“ rüberkommt, es aber nicht sei. Der Begriff „freundschaftliche Autorität“ sei da viel treffender.
Kein Leben in Saus und Braus in der Zahnarztfamilie
„Ich bin ein Typ, der den Spielern auf Augenhöhe begegnet. Aber wenn einer aus der Reihe tanzt, wenn jemand etwas tut, das nicht im Sinne des Erfolges ist, dann bin ich schon jemand, der sehr konsequent reingeht und das nicht akzeptiert“, stellt er klar.
Es liegt auf der Hand, dass diese Haltung ihren Ursprung im Elternhaus Hürzelers hat, was er denn auch in einer bemerkenswerten Offenheit bestätigt. Mutter und Vater sind Zahnärzte, doch ein Leben in Saus und Braus gab es nicht. „Meine Eltern haben sich das alles selbst erarbeitet, sie sind nicht in eine Ärztefamilie hineingeboren worden und haben nichts geerbt“, betont er und widerspricht dem Image, ein verhätscheltes Söhnchen gewesen zu sein.
„Ich glaube, dass ich nie verwöhnt wurde von meinen Eltern und fast nie Taschengeld bekommen habe.“ Umso mehr habe er den von seinen Eltern vorgelebten Ehrgeiz mit auf seinen eigenen Lebensweg bekommen.
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„Wenn du siehst, dass dein Vater jeden Morgen um sieben aus dem Haus geht und erst spät abends zurückkommt, dann ist das einfach sehr prägend. Er lebt dir vor, dass sich harte Arbeit auszahlt“, sagt er. „Genauso ist meine Mutter neben der Kindererziehung, die sie in gewisser Weise sehr streng, aber auch sehr liebevoll gemacht hat, auch weiter ihrem Job im Ärztebereich nachgegangen. Das zeigt, wie streng und diszipliniert du zu dir selbst sein musst. Es zeigt aber auch, was ein Körper leisten kann.“
St. Paulis Trainer gelobt Besserung am Spielfeldrand
Hürzelers Ehrgeiz und Leidenschaft bekommen auch immer wieder die Schiedsrichter zu spüren, wenn er am Spielfeldrand steht. In diesem Punkt gelobt er Besserung. „Als Trainer hast du immer eine Vorbildfunktion und bist in dem Fall auch ein Spiegelbild der Mannschaft auf dem Platz“, sagt er einsichtig, betont aber auch: „Es wird immer ein Teil von mir sein, dass ich die Emotion auslebe.“
Wie sich innerhalb eines guten halben Jahres Hürzelers Bekanntheitsgrad erhöht hat, bekommt er zu spüren, als er das Redaktionsgebäude wieder verlässt. „Viel Erfolg in der Saison und am Ende den Aufstieg“, wünscht ihm ein zufälliger Mitfahrer im Fahrstuhl. Hürzeler lächelt, bedankt sich und macht sich auf den Weg zum Trainingszentrum an der Kollau. Zu tun gibt es genug. Wie sagt Hürzeler doch so schön: „Der Trainerjob ist so komplex und beinhaltet so viele Facetten, dass du eigentlich nie mit dir selbst zufrieden sein kannst.“